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2. Februar 2010 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Kommentar zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 29.1.10, Rubrik Außenansicht:
„Hochmütiges Pauschalurteil“ von Klaus Naumann

Wilhelminische Arroganz

Der Autor hat sich längst als unverfrorener Vertreter einer Kultur des Todes entlarvt, einer Vernichtungspolitik, seitdem er skrupellos sogar den Einsatz der Atombombe zu rechtfertigen versucht. Er mag Mitglied der evangelischen Kirche sein, wie es auch viele Nazis an der Spitze des Dritten Reichs waren und obszönerweise zu Weihnachten Weihnachtslieder zusammen mit ihren Familien sangen. Aber im Grunde genommen gehört Klaus Naumann keiner christlichen Gemeinde an, weil er keinen christlichen Glauben manifestiert. Seine Worte verraten ihn als gottlos, als einen abstoßenden Todesengel. Dieser exhibitionistischen Obszönität darf sich keineswegs eine Bischöfin hergeben. Sie darf keineswegs nach Afghanistan fliegen, denn diese einkalkulierte unangebrachte Einladung des Verteidigungsministers ist eine Falle, um mit ihr in einer PR-Show den Krieg zu rechtfertigen.

Naumann hat die spirituelle Predigt der Bischöfin Margot Käßmann gar nicht begriffen, denn er ist nicht imstande, sie zu verstehen. Deswegen versucht er seinen unverschämten Hochmut auf die Bischöfin zu übertragen, anstatt demütig das kirchliche Wort als Denkanstoß zur persönlichen christlichen Reflexion anzunehmen. Wie sich Naumann als Christ bezeichnen kann, bleibt sein eigenes dunkles Rätsel. Besser wäre, die Öffentlichkeit beschäftigte sich nicht damit, dieses dunkle Rätsel zu dechiffrieren. Dann bleibt der deutschen Öffentlichkeit erspart, sich mit weiterem Gift und geistiger Verwirrung zu kontaminieren. Wenn der unheimliche Autor vom Vergeben der Kirche spricht, sollte er wissen: Nur einem Mörder, der sein Verbrechen wirklich bereut und um Vergebung bittet, wird vergeben. Nicht aber demjenigen, der gar nichts bereut, sondern hochmütig weiter darauf besteht, Menschenleben zu vernichten. Nichts ist gut in Afghanistan seit dem Massaker an mehr als 140 Menschen, ein Massaker, das ein deutscher Oberst zu verantworten hat. Aber darüber verliert der Autor kein Wort.

Klaus Naumann ist zu weit davon entfernt, die Predigt von Margot Käßmann zu verinnerlichen. Allerdings darf er sich nicht dem Zutreffenden der Rede des Präsidenten Israels entziehen, der am Gedenktag des Holocaust vor dem Bundestag (27.1.2010) zu Recht mahnte: „Nie wieder ein Gefühl von Überlegenheit. Nie wieder eine scheinbare gottgegebene Berechtigung zur Erhebung über das Recht.“ Der Einsatz in Afghanistan ist ein völkerrechtswidriger und ein verfassungswidriger Einsatz im Sinne des Grundgesetzes. Das weiß Klaus Naumann und die Spitze des Verteidigungsministeriums, aber sie versuchen immer wieder, das zu verschleiern. Die Sprache aus dem deutschen heutigen Kriegsministerium ähnelt der nationalsozialistischen Sprache: Genauso wie damals heißt es heute, es gehe darum „den Feind zu vernichten“, dasselbe Vokabular, um den heutigen Krieg in Afghanistan einschließlich deutscher Kriegsverbrechen der Öffentlichkeit zu verkaufen. Die Radikalisierung der Nazi-Vernichtungspolitik erfolgte im Kontext des expandierenden Krieges. Dieser Zusammenhang zwischen Krieg und Vernichtungspolitik war und ist das Ergebnis nationalsozialistischer Politik. Nur weil sich angebliche Christen und Befürworter der heutigen Regierungspolitik in diesem ewig-gestrigen Geist äußern, wird diese Politik nicht um einen Deut weniger abstoßend oder etwa akzeptabel.

Menschenverachtende Vernichtung hat rein gar nichts mit christlichen Kultur zu tun. Ein Christ kennt keinen Feind.

Der Präsident der nahöstlichen Besatzungsmacht trägt die große Verantwortung, sein Land auf den richtigen Kurs zu bringen, und zwar auf den Kurs des Rechts. Er kann die Gefahr gut erkennen, wenn sich ein Land über das Recht stellt, wie es Israel jetzt tut, als es tatsächlich das Westjordanland allen UN-Resolutionen zum Trotz weiter besetzt hält und weiter im ganzen Besatzungsgebiet die illegalen Siedlungen ausbaut. Schimon Peres kann nicht weiter schweigen: Gegen die 1,5 Millionen Palästinenser im Gazastreifen besteht eine andauernde Blockade. Als Präsident des einzigen Landes im Nahen Osten, das Atomwaffen besitzt und mit deren Einsatz droht, verstieg sich Schimon Peres vor dem deutschen Bundestag in die Zumutung, das iranische Regime als „Gefahr für die ganze Welt“ zu bezeichnen, als „ein Regime, das mit Zerstörung droht und Atomkraftwerke und Nuklearraketen besitzt, mit denen es sein eigenes Land wie auch andere Länder terrorisiert.“ Diese Lüge des israelischen Präsidenten ist eklatant. Die Wahrheit ist etwas anderes: Israel fürchtet durch den anwachsenden Einfluss des Irans die Kontrolle über die Region zu verlieren.

Es ist eine unverschämte Torheit und eine dumme Banalität, einer Bischöfin fehlenden militärischen Sachverstand vorzuwerfen. Das hat niemand von Margot Käßmann erwartet. Die Militärs, denen ein bisschen Intelligenz, Anständigkeit und Sachverstand übrig bleiben, sollten sofort beginnen, den Weg aus dem Schlamassel in Afghanistan zu finden, um das Leben deutscher Soldaten nicht weiter aufs Spiel setzen. Ein militärischer Einsatz in einem fremden Land, das Deutschland niemals etwas angetan hat, ist als reine Aggression abzulehnen und nicht zu rechtfertigen. Das ist für hochmütige Leute wie Klaus Naumann schwer zu verdauen, die in wilhelminischer Arroganz gefesselt bleiben und nicht als der ewige Verlierer, sondern mit allen Mitteln als Sieger erscheinen wollen. So wollten schon die wilhelminischen und danach die Nazis-Militärs hoch hinaus. Die deutsche Geschichte weiß, wohin das zweimal führte.

Luz Maria de Stefano de Lenkait