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4. Oktober 2009 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Kommentar zu Artikel in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 1.10.2009:

„Dialog mit Iran“ von pkr

Klare Absage an alte vorsätzliche Spekulationen

Zwei Tage vor der Abrüstungsresolution im UN-Sicherheitsrat gab es einen Bericht zum Thema in der Süddeutschen Zeitung. Ein weiterer Bericht wurde aber Tage später auf Seite 8 versteckt: Keine Titel-Seite, kein Kommentar. Dagegen ging die Verteufelung des Irans an exponierter Stelle in der Süddeutschen Zeitung weiter einschließlich unverschämter Karikaturen. Diese Medienattitüde ist grundsätzlich abzulehnen, weil sie mit dem Rechtsprinzip der Bona Fide nicht vereinbar ist. Auch nicht mit dem gebotenen Respekt der Öffentlichkeit gegenüber eines ausländischen Staatschefs. Es ist nirgends zu sehen, wie und wo der Iran diese diplomatischen Gepflogenheiten gebrochen hätte, vor allem jetzt, wenn der Iran zusätzliche IAEA-Inspektionen auf einer seiner Urananreicherungsanlagen erlaubt. Technische Details dieser spezifischen Materie sind der Internationalen Atombehörde (IAEA) zu überlassen. Grundsätze des Rechts und damit des Völkerrechts sollten die Beurteilung der Ereignisse, der Berichterstattung und Kommentare leiten.

Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass nicht alle UN-Resolutionen rechtmäßig sind, so wie nicht alle Gesetze verfassungsmäßig sind. Das Problem bei den Vereinten Nationen besteht darin, dass es dafür keine Überprüfungsinstanz gibt, wie ein Verfassungsgericht in Deutschland und anderen Rechtsstaaten. Mit anderen Worten, eine UN-Resolution und vor allem ihre Auslegung kann völkerrechtsmäßig oder völkerrechtswidrig sein. Die Auslegung einer UN-Resolution muss sich an Rechtsgrundsätze halten genau wie die Auslegung eines Gesetzes. Dabei ist der Gleichheitsgrundsatz und die allgemeine anerkannte Hierarchie von Rechtsgütern zu achten. Leider kann man feststellen, dass die Süddeutsche Zeitung dieselbe Masche wie damals gegen den Irak mit fabulierten Massenvernichtungswaffen (2002/2003), heute gegen den Iran mit erfundenen Plänen von Atomwaffen gewollt oder ungewollt Desinformation betreibt.

Unerklärlich für jeden Diplomaten und unabhängigen Beobachter ist die Realitätsfremdheit der SZ-Redaktion: Sie beschäftigt sich mit dem Iran, einer nicht existenten atomaren Macht, aber eine Atommacht, die über 200 Atombomben verfügt, und sogar ein Nachbarland bedroht, ist für sie kein Thema. Nur der Iran veranlasst Aufgeregtheit in deutschen Medien. Die Unverhältnismäßigkeit dieser bloßgestellten Einseitigkeit ist übermäßig und hat mit der Realität gar nichts zu tun. Eine Beschäftigung mit Ordnungswidrigkeiten haben ihre lange Schatten aus der Cheney-Bush-Regierung, die sie benutzten, eine verstrickte Konstruktion gegen den Iran öffentlich zu lancieren. Keine der Ordnungswidrigkeiten, keine Unregelmäßigkeiten dieser Art führt zu der Annahme, dass der Iran im Besitz der Atombombe sein könnte oder Pläne für ihre Herstellung hätte. Mit bestem Wissen und Gewissen kann man einer solchen verschachtelten Darstellung nicht folgen und sie nicht teilen. Im Gegenteil. Zu Recht sieht das State Department keinen Grund, den UN-Weltsicherheitsrat damit zu belästigen, denn Ordnungswidrigkeiten lassen sich im zuständigen Organ dafür, nämlich in der IAEA, korrigieren. Das Genfer Treffen ist eine klare Absage an alte vorsätzliche Spekulationen.

Urananreicherung ist notwendig für die zivile Nutzung der Kernenergie für jedes Land. Deshalb betrachtet der Iran die Urananreicherung als sein unveräußerliches Recht gemäß internationaler Verträge. Jedes Land, das über Kernenergie verfügt, ist eine potentielle Atommacht. Internationale Verträge und Resolutionen, wie die von dem UN-Gerichtshof in Den Haag (8.7.1996) sind längst da, um die atomare Bedrohung zu ahnden und zu verhindern.

Wie allgemein bekannt, haben wir eine neue Weltführung mit dem neuen US-Präsidenten Barack Obama. Für ihn ist das Völkerrecht, anders als für seine Vorgänger, primäres Leit-Motiv und Leitlinie, um alle internationalen Fragen anzugehen. Gott sei Dank war das Treffen in Genf am Donnerstag 1.10. erfolgreich, denn der Dialog zwischen der US- und der iranischen Delegation verlief ohne Zusammenstöße, ohne zu stolpern, und in einem derart guten Klima, dass er sogar für eine halbe Stunde während der Mittagspause fortgeführt wurde, und zwar zwischen dem US-Staatssekretär des State Department, William Burns, und dem iranischen Chefunterhändler und Vertrauten vom iranischen Präsidenten Ahmadinedschad. Offensichtlich gab es keinen Grund für Sanktionen gegen den Iran, nicht einmal dafür, sie zu erwähnen, was sicherlich bestimmte deutsche Kreise, die immer noch die verheerende Cheney-Bush Politik betreiben, in Verlegenheit bringt. Ein weiteres Treffen für wichtige allgemeine Themen, wie Abrüstung und Wirtschaftsangelegenheiten wird es im Kürze geben. Das alles ist sehr erfreulich für die gezielte Entspannung in der Nahost-Mittelost Region, die der US-Präsident anstrebt.

Letztlich geht es um die Abrüstung insgesamt. Eine begrenzte Sicht auf den Iran, wie sie deutsche Presseorgane betreiben, ist irreführend und außer Kontext. Der UN-Weltsicherheitsrat hat sich auf höchster Ebene mit der Abrüstung (24.9.) nicht so partikulär und einseitig beschäftigt, sondern im großen Rahmen. Alle Mitglieder wissen, dass Iran keine Atomwaffen hat, während Israel mehr als 200 nukleare Waffen besitzt. Die Diskussion muss umfassend sein, wie das Thema es verlangt. Jede aggressive westliche Propaganda, die eine Eskalation bewirkt, ist auszuschalten. Sie führt zu nichts konstruktivem und verwirrt.

Die Einseitigkeit der Berichterstattung in Bezug auf die atomare Bedrohung ist zu auffällig und gibt Anlass zu Bedenken. In der Tat sind es gravierende Lücken, die die diplomatische Aufmerksamkeit anziehen. Deutsche Medien verschweigen den Aufruf des Außenministers Syriens vor den Vereinten Nationen in New York, (Meldung aus New York, 28.9.09), Israel zur Berichterstattung über seine Atomobjekte an die IAEA zu verpflichten. Es handelt sich um die Erfüllung der IAEA-Resolution vom 19.9.09 und zwar, das Problem der israelischen Atomobjekte in den Zuständigkeitsbereich der IAEA zu übergeben, so wie das Problem, dass sich Israel bisher weigert, dem NPT-Vertrag beizutreten. Der syrische Außenminister verwies darauf, dass Damaskus jahrelang zur Verwandlung des Nahen Ostens in eine von Massenvernichtungswaffen freie Region aufgerufen und dem UN-Sicherheitsrat schon im Jahre 2003 eine entsprechende Resolution zur Erörterung vorgelegt hatte. Zu diesem Punkt hatte der russische Präsident Dmitri Medwedew bei der gesamtpolitischen Diskussion im Rahmen der UN-Vollversammlung am 23.9. über die aktuelle Aufgabe gesprochen, im Nahen Osten eine von Massenvernichtungswaffen freie Zone zu schaffen. Aus Deutschland kein Ton darüber. Warum verschweigt die deutsche Öffentlichkeit diese konstruktiven staatsmännischen Vorschläge, die in vollem Einklang mit der aktuellen US-Politik auf der Tagesordnung sind?

Wichtig im gesamten Kontext ist, darauf aufmerksam zu machen, was in der SZ auch unterblieb, nämlich, die Festnahme des Verteidigungsminister Israels, Ehud Barak, in London, wenige Tage vor dem Genfer Treffen der USA mit dem Iran und die Anrufung des Internationalen Strafgerichtshofes aufgrund des Berichts von dem UN-Ermittler, der offiziell zwei Tage vor dem Genfer Treffen mit Iran vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen vorgestellt worden war, um Israel vor das Internationale Strafgericht in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gaza zu stellen. Der exzellente SZ-Bericht von Thorsten Schmitz „Vorwürfe empören Israel“ (1.10.) ist in diesem Zusammenhang zu betrachten. Alles das treibt Israel in die internationale Isolierung. Jemand, der sich in die Ecke getrieben sieht, kann gefährlich werden. Zum Glück stellt sich zum ersten Mal das Weiße Haus hinter das Recht und lässt Tel Aviv wissen, selber die Verbrechen in Gaza zu klären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die derzeitige Ungerechtigkeit unterminiert jede Hoffnung auf einen Friedensprozess und verstärkt Umtriebe, in denen Gewalt gedeiht, wie der UN-Bericht zutreffend hervorhebt. In diesem Zusammenhang ist der SZ-Kommentar von pkr am 1.10. schockierend, das Treffen in Genf mit dem Iran nicht als Erfolg einzuschätzen im Sinne der Entspannung, sondern zur Durchsetzung dubioser Ziele, einschließlich die verheerende Alternative bestimmter israelischer und deutscher Kreise, „allenfalls die allerschlechteste“, wie im SZ-Kommentar von 1.10. zu lesen ist: „einen Militärschlag gegen Irans Atomprogramm.“ Der Original-Ton Israels für eine solche unverfrorene öffentliche Drohung mit einem Angriff gegen den Iran ist allgemein bekannt, ein eklatanter Bruch des Völkerrechts, was die SZ-Redaktion unverantwortlich blind zulassen will („Dialog mit Iran“ vom 1.10.09), als ob der Nazi-Geist freien Waltens und Schaltens mit Militärs in Deutschland immer noch nicht überwunden wäre. Nicht ohne Grund hat der russische Außenminister vor dem Treffen in Genf darauf hingewiesen, dass die Gespräche lediglich zwischen den UN-Sicherheitsratsmitglieder (also ohne Deutschland) und dem Iran stattfinden sollten, wie im ZDF, nicht aber in der SZ vor dem Treffen berichtet wurde. Man fragt sich, welche Rolle Deutschland dabei spielte? Da keine deutsche Stellungnahme an die Öffentlichkeit gelangte, fragt man sich, ob Deutschland anwesend war oder nicht. Vor der UN-Vollversammlung war von Deutschland nichts zu hören. Es glänzte durch seine Abwesenheit. Symptomatisch dabei waren herablassende Töne aus der SZ-Redaktion gegenüber den Vereinten Nationen, wie im unwürdigen Kommentar des SZ-Journalisten Nicolas Richter am 23.9.. Diese respektlose Geisteshaltung gegenüber den Vereinten Nationen und dem Völkerrecht bezeugt blamabel die peinliche Leere, ja die richtige Null der Außenpolitik Deutschlands unter der SPD-CDU-Regierung von Angela Merkel.

Schon vor einigen Wochen wurde eine totale Kehrtwende des Verteidigungsminister Israels bekannt gegeben, der überraschend erklärte: „Iran stellt für Israel keine existentielle Bedrohung dar“. Über den Hintergrund haben deutsche Medien aber nicht berichtet. Deutsche Journalisten sollten sich mit der eindeutigen Erklärung von Zbigniew Brzezinskis befassen und daraus konsequente verantwortungsvolle Schlußfolgerungen ziehen, um die ernste internationale Lage und die Außenpolitik Obamas im richtigen Licht einzuschätzen: „Die US-Streitkräfte sollten die israelische Luftwaffe notfalls gewaltsam daran hindern, Iran zu bombardieren. (Interview von Zbigniew Brzezinski am Sonntag 20.9. : Meldung in Junge Welt vom 22.9.09). „... ein Militärschlag gegen Iran ist im denkbar schlechtesten Interesse Amerikas...Wir müssen ihnen (den Israelis) mit allem Ernst klarmachen, dass wir ihnen dieses Recht verweigern... Wenn Israel den von uns kontrollierten Luftraum überfliegen, dann müssen unsere Jäger aufsteigen und sie konfrontieren. Sie haben dann die Wahl umzukehren oder nicht“. Daher die Kehrtwende des israelischen Verteidigungsminister, für wen plötzlich Iran keine Bedrohung mehr darstellt. Hoffentlich wirkt seine Festnahme in London als eine gute Lektion für das, was erlaubt ist und was nicht.

Eine weitere erfreuliche Perspektive, die das miese israelische Spiel zunichte macht, eröffnet die jüngste Erklärung aus dem State Department, dass weitere Gespräche mit dem Iran auf höchster Ebene stattfinden werden.

Luz María De Stéfano de Lenkait