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11. September 2011 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Die Attacken auf den deutschen Außenminister waren letzte Woche noch nicht verstummt, und zwar im Zusammenhang mit dem NATO-Krieg gegen Libyen, Anlass für folgende Stellungnahme zu 

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 8.9.2011:
„Westerwelles Wiederkehr“ von Daniel Brössler

Für eine selbstbestimmte europäische Friedenspolitik
in Einklang mit demokratischen Prinzipien
und der Herrschaft des Rechts.

Der Auftritt vom Außenminister Guido Westwelle im Bundestag entfacht die Wut der Meute von jenen Journalisten und Politikern, die den FDP-Politiker vergeblich aus dem Auswärtigen Amt jagen wollten. Der hervorragende Außenminister verliert natürlich „kein Wort über den Einsatz in Libyen“. Warum sollte er auch. Es ist nicht sein Einsatz, er ist nicht Deutschlands Einsatz. Guido Westerwelle hat für Libyen eine politische Lösung gewollt und sie innerhalb der NATO und in den Vereinten Nationen gefördert. Selbst der SPD-Fraktionschef Walter Steinmeier, ehemaliger Außenminister, und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatten „im März viel Verständnis gezeigt für die Enthaltung der Bundesregierung und hätten nicht anders gehandelt“, wie im SZ-Artikel von Daniel Brössler  „Westerwelles Wiederkehr“ (8.9.2011) zu lesen ist. Befremdende SPD-Gestalten kommen aus der zweiten oder dritten Reihe der SPD. Solche erbärmlichen SPD-Figuren sind für eine völkerrechtswidrige Außenpolitik an der Seite der US-Aggressionen blamabel bekannt seit der Zeit des Angriffs auf Afghanistan 2001. Die Union hat auch einige retrograde Figuren, die untauglich sind, aus dem Libyen-Desaster aktuelle zutreffende Konsequenzen für eine neue unabhängige Außenpolitik Europas zu ziehen. Weiter auf der schiefen NATO-Bahn gefesselt zu bleiben, ist der größte Fehler, der nach alledem, was geschah, nicht zu verantworten ist. Von keiner demokratischen Partei. Warum sollte eigentlich ein verantwortungsbewusster Außenpolitiker seine Aufmerksamkeit dem NATO-Einsatz in Libyen widmen. Daniel Brösslers banale Bemerkung ist nicht nur deplatziert, sondern er zeigt damit, dass er die gesamte Situation in Nordafrika nicht sachlich und vorurteilsfrei bedenken will oder kann. Von Anfang an ging es dort nicht um die NATO, sondern eher um eine britisch-französische Kampagne. Die USA waren von Anfang an skeptisch und zogen sich schnell zurück. Der frühere US-NATO-Botschafter, Kurt Walker, kritisierte in „Foreign Policy“ in aller Schärfe, aber völlig zu Recht die mangelhafte Vorbereitung bzw. Koordinierung der NATO-Aktivitäten in Libyen. Der US-Diplomat knöpfte sich Paris und London vor und warf ihnen vor, die Führungsrolle im Libyen-Einsatz an sich gerissen, kurz danach aber die Unfähigkeit gezeigt zu haben, ihre Pläne ohne Hilfe von außen umsetzen zu können.

Der Libyen-Einsatz wurde für die „neue Entente“ zum ersten großen Test, den sie aber nicht zu bestehen scheint. In Washington fragt man sich, ob es wirklich nötig war, dass sich die Europäer in den Libyen-Konflikt einmischen mussten.

Europa hat das geeignete Instrument, um seine Außenpolitik in den richtigen Bahnen zu lenken. Die OSZE-Charta für Europäische Sicherheit von 1999 bietet Raum für eine regional- selbstbestimmte europäische Friedenspolitik in Einklang mit demokratischen Prinzipien und der Herrschaft des Rechts. Soll doch eine winzige Minderheit einiger reicher Industriestaaten in einem NATO-Skelett ihr monotones Gerede weiter unter sich fortsetzen. Der Kreml verfolgt konsequent gegenüber dem Westen sein Projekt eines paneuropäischen Sicherheitspaktes weiter. Die NATO, die sich als über dem Völkerrecht stehende „internationale Gemeinschaft“ versteht, will davon nichts wissen, weil sich ein paneuropäischer Sicherheitspakt der US-Hegemonialpolitik entziehen und nur das Völkerrecht gelten lassen würde.

Ein weiteres Indiz für Meinungsmanipulation unter dem Deckmantel der Pressefreiheit ist das Ignorieren der begründeten russischen Position zum NATO-Krieg gegen Libyen in der Süddeutschen Zeitung. Verrannt in die NATO-Propaganda-Masche im außenpolitischen Ressort der SZ gab es nicht einmal eine Meldung darüber. Die Manipulation, Lug und Trug aus NATO-Kreisen haben bei deutschen Medien Hochkonjunktur, vor allem bei der Süddeutschen Zeitung.

Die heutige militärische Gewalt besteht aus Massenvernichtungswaffen. Die NATO-Massaker verursachen enorme humanitäre Katastrophen. Wir stehen somit vor einer Unverhältnismäßigkeit ohne gleichen aufgrund einer internationalen Politik unter der Dominanz der Militärgewalt. Dieser Hauptpunkt wird völlig vernachlässigt. Dem Präsidenten Obama gegenüber feindselige Gestalten aus dem ultrakonservativen Lager, wie John McCain und Henry Kissinger wurden zur Münchner Sicherheitskonferenz eingeladen (7.2.2009). Der Regierungswechsel in Washington stieß in Deutschland auf eine politische Konstellation, die nicht bereit war, sich mit der politischen Wende in den USA abzufinden. Der Außenminister Guido Westerwelle musste sich mit Hinsicht auf außenpolitischen Hauptinitiativen von Obama, die er selbstverständlich verstand und unterstützen wollte, in einem rückständigen feindseligen Milieu bewegen.

Es ist höchste Zeit, Europa als eine atomwaffenfreie Zone zu schaffen. Atomwaffenfreie Zonen existieren bereits in anderen Regionen der Welt: Afrika mit dem Vertrag von Pelindaba (April 1996). Zusammen mit ähnlichen Verträgen für Südostasien (1995), den Südpazifik (1985), für Lateinamerika und die Karibik (1967) sowie die Antarktis (1959) ist fast die gesamte südliche Hemisphäre frei von Atomwaffen.

Eine Außenpolitik, die sich dem Besitz und der Lagerung von Atomwaffen in Europa nicht widersetzt, riskiert grob fahrlässig den Fortbestand Europas und der Humanität.

Eine solche Außenpolitik ist klipp und klar massenmörderisch kriminell und untergräbt alle Grundsätze des Völkerrechts und der Menschenrechte. Fehler einzugestehen und zu korrigieren gehört nicht nur zur menschlichen Vernunft und zum Edelmut, sondern auch zu einem breiten Demokratieverständnis. Europa muss zurück zur Vernunft, zum Anstand oder der Preis mag die Humanität selbst sein, ein Völkermord im wahren Sinne des Wortes, ein Völkermord, der auf dem Gewissen von wissenden NATO-Außen- und Verteidigungsministern und allen Mitwissern unauslöschlich lasten wird.

Frankreich war einmal Ritter der Rechtsstaatlichkeit. Heute nicht mehr. Der aktuelle Präsident hat diese ehrenhafte Tradition verunglimpft und brüskiert. Eklatant unverfroren kontrastiert seine außenpolitische Einstellung grob mit der außerordentlichen staatsmännischen Rede des damaligen französischen Außenministers und späteren Premierminister, Dominique de Villepin vor den Vereinten Nationen in New York (2003), um den letzten Bush-Krieg gegen den Irak abzulehnen. Diese Rede bleibt unvergesslich: Sie war ein Meisterstück der Rechtsstaatlichkeit in den internationalen Beziehungen und erntete spontane Ovationen der gesamten Welt, repräsentiert in dem Saal der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Es war der letzte beispielhafte Auftritt eines europäischen Staatsmannes vor dem internationalen Forum.

Der Kriegspräsident, Nikolas Sarkozy, ist dagegen eine triste Gestalt. Unter ihm hat Paris seine traditionelle unabhängige rechtmäßige Außenpolitik zugunsten einer Hinwendung zur NATO und zu Washington aufgegeben. Somit hat Sarkozy seinem eigenen Land stark geschadet, indem er sich dem Druck der französischen und deutschen Falken gebeugt hat. Solche europäischen Falken sind genauso gefährlich wie jene unter den US-Republikanern (Cheney und andere) und US-Demokraten (Madeleine Albright und andere).

Deutschland muss sich von seinen eigenen Falken befreien und darf nicht länger dem aggressiven amerikanischen Paten hinterher rennen.

Die Geschichte ändert sich von Tag zu Tag. Neue Persönlichkeiten und neue Richtungen erscheinen auf der Weltbühne. Eine Hoffnung, die eine funktionierende Demokratie in sich birgt. Eine weltweit als friedensfeindliche und völkerrechtswidrig gebrandmarkte US-EU-Außenpolitik wird untergehen und aus der Aktualität verschwinden, je eher desto besser für die USA, für Europa und die ganze Welt.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait