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22. Januar 2018 - Institut für Palästinakunde e.V.:

Dr. Prantls gesammeltes Schweigen:
Wer braucht den neuen Antisemitis­mus-­Beauftragten - und wozu?

Sehr geehrter Herr Dr. Prantl,

im Online-Angebot der Süddeutschen Zeitung findet sich ein von Ihnen verfasster Beitrag vom 17. Dezember 2017, in dem Sie sich mit der Forderung nach einem "Antisemitis­mus-­Beauftragten" befassen. Ihre Position lässt sich bereits dem Titel entnehmen: "Deutschland braucht einen Antisemitismus-Beauftragen".

Wenn man sich die Ereignisse vor Augen führt, die dieses Mal den Anlass für die Rufe nach einem Antisemitismus-Beauftragten liefern sollten - die Antisemitismus-Skandalisierung der Proteste von Palästinensern in Berlin gegen die Anerkennung der Annektion Ost-Jerusalems durch die USA - fällt es schwer den Beitrag mit Ihrem Image als liberalem Aushängeschild der SZ in Einklang zu bringen.
Müsste Ihnen nicht bekannt sein, dass die primäre Aufgabe des vom ZdJ propagierten "Antisemitismus-Beauftragten" darin bestehen soll, den Nahost-Konflikt zu einem Antisemitismus-Phänomen zu erklären, um jedweden Protest gegen die Unterdrückung, Beraubung und Vertreibung von Palästinensern durch Israel als Antisemitismus zu stigmatisieren? Sind Sie etwa auch der Ansicht, dass es ein Ausweis von Antisemitismus ist, wenn Palästinenser die Symbole des Staates verbrennen, der ihre Anverwandten und Freunde in Palästina seit Jahrzehnten straflos unterdrückt, beraubt und vertreibt? (Ist eigentlich bis zu Ihnen durchgedrungen, daß die Berliner Zeitung, welche die Mär in die Welt gesetzt hat, dass die Teilnehmer bei den Kundgebungen "Tod den Juden!" gebrüllt hätten, diese Meldung mittlerweile zurückgezogen hat?)

Sollten Sie nicht wissen, dass die Abneigung und der Hass der Palästinenser auf Israel nicht auf Antisemitismus zurückzuführen ist, sondern auf deren massenhafte Vertreibung und Beraubung im Jahr 1948? Der Voraussetzung, um in einem mehrheitlich arabischen, muslimisch-christlichen Land einen "Jüdischen Staat" zu etablieren.

Und müssten Sie von daher nicht auch wissen, dass die Konstruktion des "israel-bezogenen Antisemitismus§" - dem angeblich 40% (!) aller Deutschen verfallen sein sollen - vor allem dazu dient, Israel als Opfer der Palästinenser erscheinen zu lassen, um deren Unterdrückung, Beraubung und Vertreibung zu legitimieren?

Müssten Sie nicht wissen, daß der Münchner Stadtrat im Dezember 2017 einen auf Täuschun­gen und Rassismus gegründeten Beschluss gefasst hat, um unter anderem Auftritte von liberalen und linken Juden in München zu verhindern, die verdächtigt werden, die vollständige rechtliche Gleichstellung aller Bewohner des von Israel beherrschten Territoriums zu fordern?
Warum haben Sie dazu geschwiegen?

Und warum schweigen Sie in Ihrem Beitrag zu der in ganz Deutschland (Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, München) laufenden, auf Verleumdung und Erpressung basierenden Kampagne, die darauf abzielt "Antisemitismus"-Checkpoints auf der Ebene des öffentlichen Diskurses zu errichten und darauf, daß unter der israelischen Militärdiktatur im Westjordanland geltende Militärrecht in Deutschland zu einem Recht zu machen, das Demons­trationen und Proteste gegen die Besatzung unter Strafe stellt?

Haben Sie nichts zu der islamophoben Koalition aus ZdJ, AfD und CDU/CSU zu sagen, welche muslimische Flüchtlinge pauschal des Antisemitismus bezichtigt und all jenen mit der Deportation droht (inspiriert von Israel?), die es wagen sollten gegen den Staat zu demonstrieren, der Millionen von Palästinensern ihrer elementarsten Rechte beraubt? Oder nichts dazu zu sagen, dass der als oberster politischer Repräsentant der Juden in Deutschland wahrgenommene Präsident des ZdJ die Bundesregierung dazu aufforderte, sich Trumps illegalem Schritt anzuschließen. Ein Vorgehen, das die deutschen Juden erneut für die Politik Israels in die Haftung nimmt und sie zu Ziel­scheiben eben jener "israel-bezogenen Antisemiten" macht, die der ZdJ doch bekämpfen wollte?