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20. November 2015 - Clemens Ronnefeldt:

In seinem Kommentar auf Seite 1 der heutigen Ausgabe "Die Welt" (20.11.2015) schreibt Chefkommentator Torsten Krauel:

"(...) Das Weltbild der Terroristen und ihrer vielen Sympathisanten in der islamischen Welt ist ein Sud aus Selbstmitleid, Verdrängung, Größenwahn und bis zur Unkenntlichkeit verdrehter historischer Zusammenhänge - so, wie er in den 20er-Jahren Deutschland vergiftet

hat. (...)"
[ vollständiger Artikel ]

 

Nachfolgend deshalb einige sehr gut belegte historische Zusammenhänge zum Verhältnis zwischen westlicher Politik und der muslimischen Welt, deren Kenntnis für eine Neuausrichtung westlicher Politik gegenüber dem Nahen und Mittleren Osten zu berücksichtigen ist.

Clemens Ronnefeldt,
Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes


US-Präsident George W. Bush bezeichnete die Kriege in Afghanistan und Irak als "Kreuzzug" gegen den Terror - vor folgendem historischen Hintergrund:

Kreuzzug 1099: Massaker in der Al-Aksa-Moschee,
Bericht des Augenzeugen Wilhem von Typus:

"Sofort gingen die übrigen Fürsten, nachdem sie, was ihnen in den übrigen Stadtteilen in die Hände gekommen war, niedergemacht hatten, nach dem Tempel (...). Sie drangen mit einer Menge von Reitern und Fußvolk herein und stießen, ohne jemand zu schonen, was sie fanden mit den Schwertern nieder und erfüllten alles mit Blut. Es war dies ein gerechtes Urteil Gottes (...)."

 

Zit. nach: Eduard und Rudolf Kausler, Geschichte der Kreuzzüge, Stuttgart 1840.


Das britische Versprechen während des 1. Weltkrieges auf eine arabische Unabhängigkeit, wenn sich die Araber gemeinsam mit den Briten an der Niederwerfung des osmanischen Reiches beteiligen, wurde nicht eingelöst, statt dessen zogen 1916 die beiden Diplomaten Sykes und Picot willkürliche Grenzen zur Aufteilung des Nahen und Mittleren Ostens zwischen Frankreich und Großbritannien:

24.10.1915: Brief des britischen Hochkommissars in Ägypten, Sir Henry McMahon, an den Scherifen von Mekka:

Großbritannien ist bereit, "die Unabhängigkeit der Araber anzuerkennen und zu unterstützen innerhalb der Länder, die in den vom Sherifen von Mekka vorgeschlagenen Grenzen liegen. Dies werde zu einer festen und dauerhaften Allianz führen, deren unmittelbare Ergebnisse die Vertreibung der Türken aus den arabischen Ländern und die Befreiung der arabischen Völker vom türkischen Joch sein werden (...)"

 

Aus: Studiengesellschaft für Friedensforschung e.V. München,
Denkanstöße Nr. 62/63, 2015.


Thomas Edward Lawrence ("Lawrence von Arabien"), der im britischen Auftrag die Araber zum Krieg gegen die Osmanen überredete, schrieb:

"Wir schickten sie zu Tausenden ins Feuer, in den schlimmsten aller Tode, nicht um den Krieg zu gewinnen, sondern damit das Korn und der Reis und das Öl Mesopotamiens unser werden". (...)

"Araber vertrauen Personen, nicht Institutionen. Sie erblickten in mir einen unabhängigen Vertreter der britischen Regierung und verlangten von mir eine Bestätigung der britischen Versprechen. Daher musste ich mich der Verschwörung anschließen und versicherte den Männern - sofern mein Wort Gültigkeit hatte - ihrer Belohnung. (...) Von Anfang an war klar, dass diese Versprechen im Falle unseres Sieges nur noch ein Fetzen Papier sein würden;"

 

Aus: Thomas Edward Lawrence, Die Sieben Säulen der Weisheit, Berlin 2009, S. 845f.


1953: Sturz der iranischen Regierung durch Großbritannien und die USA wegen der Pläne des demokratisch gewählten iranischen Ministerpräsidenten Mossadegh zur Verstaatlichung der Erdöl-Industrie:
Aus dem "Archiv der George-Washington-Universität", "Operation TPAJAX", freigegeben am 19.8.2013:

"ZIEL:
Premierminister Mossadegh und seine Regierung.
METHODEN UND DURCHFÜHRUNG:
Legale und quasilegale Methoden zum Sturz der Mossadegh-Regierung und ihre Ersetzung durch eine pro-westliche Regierung. (...) Die Entfernung Mossadeghs von der Macht wurde am 16. August 1953 erfolgreich vollzogen."

 

Quelle: Michael Lüders, Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet, München, 5. Auflage 2015, S. 13f.


Interview in "Le Nouvel Observateu" im Januar 1998 mit Zbigniew Brezinski, ehemaliger nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Jimmy Carter:

"Frage: Und Sie bereuen nicht, den islamischen Fundamentalismus unterstützt zu haben, in dem Sie künftige Terroristen mit Waffen und Knowhow versorgten?
Antwort: Was ist für die Weltgeschichte von größerer Bedeutung? Die Taliban oder der Zusammenbruch des Sowjetreiches? Einige fanatisierte Muslime oder die Befreiung Zentraleuropas und das Ende des Kalten Krieges?"

 

Quelle: Michael Lüders, Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet, München, 5. Auflage 2015, S. 24.


20.12.1983: Saddam Hussein begrüßt Donald Rumsfeld, der als Gesandter der US-Regierung den irakischen Diktator Saddam Hussein im Krieg gegen Iran (1980-1988) unterstützte:
Quelle: The National Security Archive


25. Juli 1990, eine Woche vor der irakischen Invasion in Kuwait am 2.8.1990:

US-Botschafterin April Glaspie an Saddam Hussein: "Ich weiß, dass Sie Gelder benötigen. Wir verstehen das, und wir glauben, dass sie die Gelegenheit erhalten sollten, ihr Land wieder aufzubauen (...). Wir haben keine Meinung zu innerarabischen Konflikten, auch nicht zu ihren Grenzstreitigkeiten mit Kuweit -"

 

Quelle: Michael Lüders, Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet, München, 5. Auflage 2015, S. 41.


PR-Agentur Hill & Knowlton - Schmutzige Sprechblasen
Nayirah erzählte am 10. Oktober 1990 im amerikanischen Kongress eine traurige Geschichte. Die 15-jährige Hilfskrankenschwester aus Kuwait wollte beobachtet haben, wie irakische Soldaten ihr Krankenhaus überfielen.

"Sie nahmen die Babys aus den Brutkästen und legten sie zum Sterben auf den Boden",

 

erzählte Nayirah unter Tränen.
Die westliche Welt war schockiert. Die irakische Armee galt als brutal und barbarisch. Und Präsident George Bush senior ließ aufrüsten. Wenig später begann die Operation Desert Storm - und damit der erste Krieg der USA gegen den Irak.
Nayirah war aber gar nicht Nayirah. In Wirklichkeit heißt sie Nijirah al-Sabah und ist die Tochter des damaligen kuwaitischen Botschafters in den USA.

Quelle: SZ


12. Mai 1996: US-Außenministerin Madeleine Albright im Interview der US-Sendung "60 Minutes":

Frage:
"Eine halbe Million Kinder sollen im Irak mittlerweile gestorben sein. Das sind mehr Kinder, als in Hiroshima gestorben sind. Ist das den Preis wert?"
Madeleine Albrights Antwort:
"Ich denke, dass ist eine sehr harte Wahl, aber der Preis - wir glauben, dass es den Preis wert ist."

 

Quelle: Michael Lüders, Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet, München, 5. Auflage 2015, S. 46.


2003: Colin Powell über seine Irak-Rede vor UN-Sicherheitsrat:
"Schandfleck meiner Karriere":

"Der ehemalige US-Außenminister Colin Powell hatte im Februar 2003 den Einmarsch im Irak mit Saddams angeblichen Massenvernichtungswaffen gerechtfertigt. Das stellte sich später als unhaltbar heraus. Er fühle sich deswegen 'furchtbar' sagte Powell jetzt in einem Interview".

 

Quelle: SZ


ARD, Weltspiegel, 3.2.2014:
"Irak: Uranmunition - das strahlende Vermächtnis"

"Visite in den Kinderkrankenhäusern von Basra - die Betten auf allen Stationen sind belegt, die Zahl der Krebsfälle ist in den vergangenen zehn Jahren drastisch angestiegen. Gehirntumore, Knochenkrebs, körperliche Missbildungen und immer wieder: Blutkrebs. 1200 junge Patienten in der staatlichen Kinderklinik leiden unter Leukämie, die Überlebenschance beträgt 50 Prozent."

 

Quelle: Das Erste


19.4.2011: Mohamed ElBaradei, ehemaliger Direktor der Internationalen Atomenergieagentur in Wien im "Spiegel-Interview" zu den iranischen Atomverhandlungen:

"ElBaradei: Wir standen tatsächlich mehrfach kurz vor einer Lösung. 2003 waren die Iraner bereit, aber die Regierung von US-Präsident George W. Bush wollte nicht. Als dann 2010 Präsident Barack Obama seine Hand ausstreckte, konnten die Iraner sie aufgrund innenpolitischer Machtkämpfe nicht ergreifen. (...)
ElBaradei: Ich halte mich streng an die Fakten, und dazu gehört eben auch, dass Amerikaner und Europäer uns wichtige Papiere und Informationen vorenthielten. Denen ging es nicht um einen Kompromiss mit der Regierung in Teheran, sondern um einen Regimewechsel. Dafür war ihnen so ziemlich jedes Mittel recht."
SPIEGEL: Und die armen Iraner waren völlig unschuldig?
ElBaradei: Nein, auch die haben getrickst. Aber der Westen hat nie versucht zu verstehen, dass es Iran vor allem um Anerkennung, um eine Behandlung auf Augenhöhe ging."

 

Quelle: Spiegel


Süddeutsche Zeitung, 15. Juli 2011, zur Kooperation Deutschlands mit Saudi-Arabien:

"Eigenwilliges Kooperationsmodell: Die Bundespolizei bildet saudi-arabische Grenzschützer aus, die Bezahlung der Beamten läuft über den privaten Rüstungskonzern EADS. Dass privatwirtschaftliche Interessen und hoheitliche Aufgaben derart vermengt werden, scheint selbst dem Bundesinnenministerium nicht mehr ganz geheuer zu sein."

 

Quelle: SZ


"Vergessener Krieg: Saudi-Arabien bombt den Jemen ins Elend"
in Spiegel online, 29.7.2015 von Christoph Sydow"

"Saudi-Arabien führt Krieg im Jemen, seit vier Monaten schon - angeblich, um das Land zu stabilisieren. Doch die Militäroperation erreicht das Gegenteil: Tausende Zivilisten wurden getötet, 13 Millionen Menschen hungern".

 

Quelle: Spiegel


US-Päsident B. Obama in Kairo, Juni 2009

"As-salaam alaikum. Wir kommen zusammen in einer Zeit großer Spannung zwischen den Vereinigten Staaten und Muslimen auf der ganzen Welt - einer Spannung mit Wurzeln in historischen Kräften (...). In jüngerer Zeit wurde die Spannung von einem Kolonialismus genährt, der vielen Muslimen Rechte und Chancen verwehrte, und von einem Kalten Krieg, in dem zu oft überwiegend muslimische Staaten ohne Rücksicht auf ihre eigenen Ziele wie Stellvertreter behandelt wurden.
Der Heilige Koran lehrt, dass wer einen Unschuldigen tötet, die ganze Menschheit tötet, und dass wer einen Menschen rettet, die ganze Menschheit rettet. Der anhaltende Glaube von mehr als einer Milliarde Menschen ist so viel größer als der engstirnige Hass einer kleinen Gruppe. Der Islam ist nicht Teil des Problems bei der Bekämpfung des gewaltsamen Extremismus, sondern ein wichtiger Teil zur Förderung des Friedens...
Ich habe unmissverständlich jede Anwendung von Folter durch dieVereinigten Staaten verboten und ich habe angeordnet, das Gefängnis in Guantánamo Bay bis zum nächsten Frühjahr zu schließen. (...)
Es gibt keinen Zweifel: Die Lage des palästinensischen Volks ist untragbar. Amerika wird dem legitimen Streben der Palästinenser nach Würde, Chancen und einem eigenen Staat nicht den Rücken kehren."

 

Quelle: FAZ


F.A.Z., 26.9.2014: Muslimische Gelehrte protestieren gegen IS

Gegen das Vorgehen des IS protestierten 120 muslimische Gelehrte, darunter hochrangige sunnitische Geistliche. In einem offenen Brief warfen sie dem IS vor, dessen Glaubensinterpretation sei ein großer Fehler und ein Angriff auf Muslime in der ganzen Welt.

"Ihr habt den Islam fehlinterpretiert in eine Religion der maßlosen Härte, der Brutalität, der Folter und des Mordes."

 

Quelle: FAZ