Menü

25. April 2010 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Der deutsche Kriegsminister muss wohl endlich Wind davon bekommen haben (gut möglich auch von britischer, US-amerikanischer und anderer ausländischer Seite), was es juristisch in einem funktionierenden Rechtsstaat bedeutet, in seiner Armee den Befehl zu einem Massaker zuzulassen. Jetzt plötzlich rudert er zurück. Hierzu eine Stellungnahme, auch in Bezug auf die generelle Problematik einer gesetzlosen Aussenpolitik, wie es die Süddeutsche Zeitung versäumt oder sie schlichtweg nicht in der Lage ist auszuführen - wie gewohnt zur Anregung, Verwendung und Weiterverbreitung.

Leitartikel in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 23.4.10: „Merkels Krieg“ von Stefan Braun und SZ-Kommentar vom 24.4.10: „Nur ein knapper Punktsieg für Guttenberg“ von Peter Blechschmidt

Krieg bleibt Krieg und Mord bleibt Mord

Die Annahme, „die Politik hätte aus den von deutschen verursachten Verheerungen in der Geschichte die Lehre gezogen“ (SZ-Leitartikel vom 23.4.2010: „Merkels Krieg“ von Stefan Braun), ist eine falsche Wahrnehmung oder eher ein Wunschdenken des Leitartiklers, das sich angesichts der schockierenden Tatsache selbst widerspricht, nämlich der, dass Deutschland seit dem Ende des 20.Jahrhundert wieder Kriege führt, und zwar mörderische Angriffskriege als Konsequenz einer Politik, die keine Lehre aus der deutschen Geschichte gezogen hat, weil sie eine solche Lehre nicht ziehen will. Eine Politik, die skrupellos in der wilhelminischen Großmannssucht verankert geblieben ist. Im Gegensatz zu den Machteliten hat jedoch die deutsche Bevölkerung aus der verhängnisvollen Geschichte gelernt und lehnt deshalb die Kriegsmaschinerie Deutschlands im Ausland ab. Für die herrschende Politik ist deshalb das Weiterführen von Krieg ein gesellschaftliches Akzeptanzproblem geworden.

Krieg bleibt Krieg und Mord bleibt Mord. Ein Tatbestand, der in allen zivilisierten Ländern strafbar ist, das heißt ein Straftatbestand. Diese Erkenntnis hat Priorität für alle Überlegungen, die im Rahmen einer verstandenen, bewusst erkannten Rechtsstaatlichkeit entstehen sollten, ohne sich von falschen Entscheidungen verwirrt zu zeigen, denn Mord ist in jedem zivilisierten Rechtsstaat auf das schärfste und entschieden zu verurteilen, und Angriffskrieg ist verboten, wie es das Grundgesetz in vollem Einklang mit der UN-Charta auch vorschreibt. Es gibt kein Völkerrecht, das erlaubt, Zivilisten gezielt zu töten. Weder im Inland noch im Ausland.

Das Gesetz, das Strafgesetz eingeschlossen, gilt für alle gleich: für alle Personen und für alle Institutionen in einem Rechtsstaat. Im Unrecht straflos morden zu können, ist die verheerende Praxis faschistischer Diktaturen. Krieg und Mord gehen Hand in Hand zusammen. Diese verbrecherischen Handlungen sind rechts- und gesetzwidrig und als solche von allen zivilisierten Menschen, Regierungen und Institutionen der Welt strikt zu verurteilen. Der Staat, der ein Angriffskrieg, ein Mord zu verantworten hat, muss an den Pranger gestellt werden. Von allen anständigen Journalisten und Politikern. Nichts kann Mord rechtfertigen. Die Straftäter sind zu verhaften und vor Gericht zu stellen. Keine Regierungserklärung darf diese Realität vertuschen. Auch die Bundeskanzlerin kommt an dieser Realität nicht vorbei. Eine aufklärerische Debatte darüber ist überfällig.

Die Nürnberger Prozesse wollten dafür sorgen, dass Angriffskriege und Mord nie wieder vorkommen, schon gar nicht von Deutschland ausgehend. Ein ernster Grund heute, sich mit der Frage nach dem Rechtsbewusstsein zu befassen und der Entschlossenheit, das Recht durchzusetzen. Außen- und Verteidigungsminister der ganzen Welt sollten sich im Klaren sein, solche verbrecherischen Handlungen endlich zu verbannen und sich Recht und Gesetz unterzuordnen. Kein Staat, keine staatliche Institution darf sich dem Recht und Gesetz entziehen. Wirksam funktionierende parlamentarische, exekutive und judikative Gewalt sind wichtiger denn je. Ansonsten wird der Staat höchst beschädigt und diskreditiert.

Die deutsche Öffentlichkeit steht vor einer Außenpolitik, die sich feige zeigt und ihren Kompass verloren zu haben scheint. Eine Außenpolitik, die immer häufiger in die Gesetzlosigkeit verfällt, weil Politiker es so wollen oder mindestens dulden. Infolgedessen bleibt einer solchen rechtlosen Außenpolitik nichts anderes übrig, als die eigene Bevölkerung, die Bundeswehr und die Öffentlichkeit eingeschlossen, schamlos zu betrügen. Dazu werden Propaganda-Lügen fabriziert und verbreitet.

Deutsche Staatsanwälte müssen Massenmord verfolgen und ahnden, der von Bundeswehroffizieren verursacht wird, wie das Kundus-Massaker am 4.9.2009 mit fast 150 toten Zivilisten. Die Einstellung der Ermittlungen ist ein Skandal der aktuellen deutschen Justiz. Das vereinte Deutschland verliert dadurch seine Legitimation als glaubwürdiger Rechtsstaat.

In den siebziger Jahren, 25 Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs, liefen immer noch Dutzende von Nazi-Kriegsverbrecher in Deutschland und anderswo frei herum und führten ein angenehmes Leben. Einige waren sogar in das öffentliche Leben der Bundesrepublik Deutschland voll integriert. Offenbar schienen sich damals alle mit dieser Situation abgefunden zu haben. Und heute?

Die westdeutsche Justiz hat sich bei der Verschleppung von strafrechtlichen Verfahren gegen deutsche Kriegsverbrechen schließlich 65 Jahre lang diskreditiert. Die heutige deutsche Justiz verfällt in dieselbe Diskreditierung, indem sie sich davor drückt, den Prozess gegen Oberst Klein zu machen. Jämmerlich und beschämend, dass sich im 21. Jahrhundert das unwürdige Verhalten von damals in Deutschland wiederholt. Die Justiz, die Bundesstaatsanwaltschaft ist mehr denn je aufgerufen, sich unmittelbar wieder einzuschalten, um die Straftat zu klären und zu bestrafen, auch wenn die Straftat in den offiziellen Etagen der Regierung geplant, gebilligt oder geduldet worden wäre. Dann erst recht.

Eine im Sinne von Recht und Gesetz aufgeklärte Öffentlichkeit muss sich selbstsicher und nachhaltig dafür einschalten. Wie ist das im Fall des Kundus-Massaker bisher gelaufen? Was steht hinter der Einstellung der Ermittlungen von der deutschen Justiz in dieser Strafsache? Die Staatsanwaltschaft muss weiter ermitteln, ohne Rücksicht auf den unzulässigen Druck der Bundesregierung.

Keine Verlautbarung aus der Regierung darf Massaker rechtfertigen oder begünstigen. In diesem Zusammenhang hat sich spät, aber immerhin richtig, der Verteidigungsminister, Karl zu Guttenberg, erneut korrigiert und erklärt, zu dem Bombardement hätte es nie kommen dürfen (SZ-Kommentar von Peter Blechschmidt vom 24.4.10). Ein Grund mehr für die Bundesstaatsanwaltschaft sämtliche Rechtsmittel anzuwenden und die Verantwortlichen für das Massaker an Zivilisten vor Gericht zu stellen. Die Autoritäten, also Kanzlerin, Präsident, alle Minister und Abgeordneten sind die ersten, die sich an das Recht und Gesetz halten müssen.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait