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25. Februar 2010 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Afghanistan und das Massaker von Kundus muss die deutsche Öffentlichkeit weiter beschäftigen. Deshalb ein Kommentar zu einem 

Leitartikel in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 22.2.2010:

„Der Mord von Dubai“ von Peter Münch und

SZ-Kommentar vom 23.2.2010: 
„Verstörende Hilflosigkeit“ von „wtr“

Staatsanwälte müssen Massenmord verfolgen und ahnden

Mord bleibt Mord. Ein Tatbestand, der in allen zivilisierten Ländern strafbar ist, das heißt ein Straftatbestand. Diese Erkenntnis hat Priorität für alle Überlegungen, die im Rahmen einer verstandenen, bewusst erkannten Rechtsstaatlichkeit entstehen sollten, ohne sich vor mörderischen Praktiken eines Staates beeindruckt oder gar verwirrt zu zeigen, denn solche Praktiken sind in jedem zivilisierten Rechtsstaat auf das schärfste und entschieden zu verurteilen. Es gibt keine „Regeln“, die irgendwelchen Institutionen oder Gruppierungen erlauben, zu töten. Weder im Inland noch im Ausland. Deshalb verurteilen die EU-Außenminister zu Recht den Mord in Dubai. Der Adressat dieser Verurteilung hat das sicherlich begriffen. 

Das Gesetz, das Strafgesetz eingeschlossen, gilt für alle gleich: für alle Personen und für alle Institutionen in einem Rechtsstaat. Dass mörderische Banden den Arm des Gesetzes umgehen können, um zu morden, ist die verheerende Praxis faschistischer Diktaturen, wie z.B. der Mord am ehemaligen Außenminister und ehemaligen Botschafter Chiles in Washington, Hernán Letelier. Ein Verbrechen des faschistischen chilenischen Regimes von Augusto Pinochet, und zwar ein Mord, geplant vom kriminellen chilenischen Geheimdienst zusammen mit seiner Komplizenorganisation CIA. Alle diese verbrecherischen Praktiken sind rechts- und gesetzwidrig und als solche von allen zivilisierten Menschen, Regierungen und Institutionen der Welt strikt zu verurteilen. Der Staat, der ein Mord zu verantworten hat, muss an den Pranger gestellt werden. Von allen anständigen Journalisten und Politikern. Nichts kann Mord rechtfertigen. Die Straftäter sind zu verhaften und vor Gericht zu stellen.

Dass das blutige 20. Jahrhundert mit solchen Praktiken nicht fertig wurde, ist heute ein ernster Grund, sich mit der Frage nach dem Rechtsbewusstsein zu befassen und der Entschlossenheit, das Recht durchzusetzen - nicht nur im EU-Rat der europäischen Außenminister, sondern auch in anderen internationalen Gremien, wo Außenminister der ganzen Welt sich im Klaren sein sollten, solche verbrecherischen Praktiken endlich zu verbannen, und sich Recht und Gesetz unterzuordnen. Kein Staat, keine staatliche Institution darf sich dem Recht und Gesetz entziehen. Deshalb unterstehen Geheimdienste in jedem Rechtsstaat parlamentarischer und exekutiver Kontrolle. Ansonsten wird der Staat höchst beschädigt und diskreditiert. Die „verstörende“ Haltung der europäischen Außenminister, wie zutreffend und plakativ im SZ-Kommentar von „wtr“ dargestellt, zeigt wie schwach Europa geworden ist. Es ist keine Hilflosigkeit, sondern Feigheit und verlorener Kompass einer Außenpolitik, die sich immer häufiger in der Gesetzlosigkeit befindet, weil Politiker es so wollen oder mindestens dulden. Alle zivilisierten Außenminister müssen reagieren, die EU-Außenminister eingeschlossen, wenn Europa in Korruption versinkt und wenn es aus dem rechtlosen, ja rechtswidrigen Sumpf noch zu retten sein soll. Sonst hört Europa auf, als berechtigte politische Institution zu existieren. Ein Europa, dessen Außenpolitik sich nicht rechtmäßig profiliert, hat keinen berechtigten Grund zu existieren. Welchen Respekt verdient ein solches Europa? 

Deutsche Staatsanwälte müssen Massenmord verfolgen und ahnden, der von Bundeswehroffizieren verursacht wird, erst recht wenn es dabei vielleicht um geheimdienstliche Operationen geht oder um geheime Kommandounternehmen der wie die bereits im Zusammenhang mit dem Kundus-Massaker am 4.9.2009 ins Gespräch gekommenen sog. Krisenreaktionskräfte oder das Kommando Spezialkräfte KSK (1996 aufgestellte Elitetruppe der Bundeswehr, als Teil der Krisenreaktionskräfte der Division Spezielle Operationen (DSO) des Heeres unterstellt).

In den siebziger Jahren, 25 Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs, liefen immer noch Dutzende von Nazi-Kriegsverbrecher in Deutschland und anderswo frei herum und führten ein angenehmes Leben. Einige waren sogar in das öffentliche Leben der Bundesrepublik Deutschland voll integriert. Offenbar schienen sich damals alle mit dieser Situation abgefunden zu haben. Und heute? Die westdeutsche Justiz hat sich bei der Verschleppung von strafrechtlichen Verfahren gegen deutsche Kriegsverbrecher schließlich 65 Jahre lang diskreditiert. Die heutige deutsche Justiz darf keineswegs ihr unwürdiges Verhalten von damals wiederholen. Sie ist jetzt aufgerufen, sich entschlossen einzuschalten, um jede Straftat zu klären und zu bestrafen, auch wenn die Straftat in den offiziellen Etagen der Regierung geplant, gebilligt oder geduldet worden wäre. Eine im Sinne von Recht und Gesetz aufgeklärte Öffentlichkeit muss sich selbstsicher und nachhaltig dafür einschalten. Wie ist das im Fall des Kundus-Massaker bisher gelaufen? Was ist dazu den Medien zu entnehmen? Wo steht die deutsche Justiz in dieser Strafsache? Ermittelt die Staatsanwaltschaft? Wenn ja, welche Folgen hat das Ergebnis ihrer Ermittlungen?

Keine Verlautbarung aus der Regierung darf Massaker rechtfertigen oder begünstigen. Die Autoritäten, also Kanzlerin, Präsident und alle Minister sind die ersten, die sich an das Recht und Gesetz halten müssen. 

Luz María De Stéfano de Lenkait