Menü

31. Oktober 2010 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Im Vorfeld der Lissaboner NATO-Tagung sind frenetische Aktivitäten von NATO-Lobbyisten, ihrer "tranatlantischen" Organisationen und zugehörigen deutschen Vasallen zu beobachten, wie zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung, Anlass einer Stellungnahme:

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 27.10.2010, Rubrik Außenansicht:
„Die Grenzen des Westens“ von Wolfgang Ischinger,

SZ vom 30.10.2010:
Interview mit Guido Westerwelle von Daniel Brössler

Atomwaffenfreies Europa statt Atomwaffen-NATO

Der SZ-Beitrag vom 27.10.2010 des Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz und Berater der NATO, Wolfgang Ischinger, „Die Grenzen des Westens“ bietet keinen Anhaltspunkt für eine konstruktive nennenswerte Diskussion über „die Zukunft“ eines aggressiven Militärpaktes, der keine Zukunft haben darf, da er in Europa ohne Legitimität mit der grauenvollen Brandmarke blutiger und brutaler Aggressionen weiterbesteht.

War die frühere Erklärung des Außenministers Guido Westerwelle ernst und ehrlich, die nukleare Abrüstung in Europa zu fordern?

Oder war seine Erklärung rein opportunistisch angesichts des Anspruchs Deutschlands, in den UN-Sicherheitsrat zu kommen? Wenn ja, hat er es geschafft, die Welt zu täuschen. Die sogenannte „neue NATO-Strategie“ ist immer noch die alte nukleare Abschreckung. Die Atomwaffen bleiben in Europa, auch in Deutschland. Kein Wort, keine Bedenken, keine Kritik vom deutschen Diplomaten Ischinger, der dagegen seine Besorgnis über „die Zukunft“ der NATO äußert. Der Außenminister Westerwelle versteht kein Deut von Freiheit und Demokratie, wenn er die Freiheit nicht wahrnimmt, um eine souveräne Entscheidung gelten lassen zu können, nämlich sein Abrüstungskonzept mindestens auf deutschem Boden respektieren zu lassen. Stattdessen will er über rechtsstaatliche Demokratie in Russland predigen, wo sie nicht einmal in seinem eigenen Land funktioniert.Demokratie ist untrennbar von Pflichten.

Das Niveau und die Funktionsfähigkeit einer Demokratie hängen davon ab, wie gebildet die Bürger sind, wie stark sie von humanistischer politischer Kultur geprägt sind.

Von welchen Werten kann eine Bevölkerung sprechen und mit welchen Werten kann sie sich selbstbewusst identifizieren, wenn sie täglich als geistige Nahrung die Bild-Zeitung liest? Um dieses Problem der Unbildung im eigenen Land sollte sich der Politiker und Vize-Kanzler Guido Westerwelle kümmern, weil seine Regierung dafür die Verantwortung trägt, nicht aber über die russische Demokratie, worüber selbstverständlich der amtliche russische Präsident viel mehr versteht als er.

Sollte Guido Westerwelle die Rechtsstaatlichkeit als Maß der deutschen Außenpolitik einsetzen wollen, müsste er zuerst anerkennen, dass eine alte obsolete verabscheuungswürdige NATO-Haltung, die das Völkerrecht bricht, immer noch Außenpolitik Europas und Deutschland bleibt: Aggression, Drohung, sogar Androhung mit nuklearen Waffen.

Reine demaskierte Barbarei ist die NATO-Strategie. Kein kommunistisches Land war in diese ungeheuerliche Politik verfallen. Weder die Sowjetunion noch China. Nur westliche Demokratien, die vorbildlich sein wollen! Wie will der deutsche Außenminister oder der deutsche Diplomat Wolfgang Ischinger diese hartnäckige Monstrosität in Einklang mit der Universellen Erklärung der Menschenrechte bringen? Zu Recht ist die NATO der europäischen und deutschen Bevölkerung völlig fremd geworden. Der einfache Mensch spürt das verhängsnisvolle Übel. Die deutsche Bevölkerung lässt sich nicht so einfach von ihrem normalen Verstand abbringen.

Eine generelle ablehnende Reaktion gegenüber der NATO muss von allen Staaten der Welt entstehen. Nach dem Imperativ der Vernunft ist sofort zu reagieren und die NATO-Atomwaffen-Organisation vollbewusst und entschieden zur Konversion oder zur sofortigen Auflösung aufzufordern. Besonders die nicht-atomaren Länder stehen unter der ungeheuerlichen atomaren Bedrohung, denn eine reale nukleare Erstschlagskapazität ist nur dann gegeben, wenn der angegriffene Staat zu keiner nuklearen Antwort befähigt ist.

Die Politik hat mit geständigen Verbrechern und Wahnsinnigen hier mitten in Europa zu tun.

Es sind Menschen, es sind Politiker, die einen solchen Wahnsinn geschaffen haben. Gegen die elementarste menschliche Vernunft. Mit Fug und Recht kann man Europa der Unzurechnungsfähigkeit bezichtigen, wenn der alte Kontinent am atomaren Erstschlag festhält und seine nukleare Abrüstung weiterhin verweigert.

Was hält Guido Westerwelle von dem einstimmigen Beschluss des internationalen Gerichtshof in Den Haag, der die NATO-Strategie als illegal und illegitim erklärte (8.7.1996)?

Er handelt, als ob dieser rechtsstaatliche Beschluss nicht existierte. Und so maßt sich Westerwelle an, von Rechtsstaatlichkeit in Moskau zu predigen? Besser wäre es, er zöge die richtigen Schlussfolgerungen aus dem weisen Demokratieverständnis des russischen Präsidenten, Dmitri Medwedjew und würde dazu lernen: „Es ist genau die strikte Einhaltung von Regeln und Regulationen, die eine Demokratie wirksam macht. Deshalb ist Demokratie nicht nur Freiheit, sondern auch Selbstbeschränkung.“ (Rede auf dem „Global Policy Forum“, 10.9.2010, Yaroslavl)

Die fortdauernde Existenz der NATO öffnet eine weitere Etappe von Aufrüstung und liefert einen scheinbar triftigen Grund für viele Staaten, selbst Atomwaffen zu entwickeln.

Die NATO ist in der Tat ein Hindernis für die erforderliche Abrüstung. Darauf hat die Politik zu reagieren.

Es ist zu erwarten und zu hoffen, dass die meisten Länder mehr Reife und Zurechnungsfähigkeit zeigen als Europa, und sich anders verhalten, indem sie, anstatt den Kopf zu verlieren, sich an die Vernunft und Regeln des Völkerrechts halten für das Wohl der gesamten Menschheit. Gegenüber dem Zerfall des Westens entstehen neue Konstellationen. Aus anderen Ländern hören wir die Stimme der menschlichen Vernunft und des Respekts für die Würde aller Menschen.

Die sich anbahnenden neuen Weltverhältnisse bergen eine Hoffnung.

Die OSZE-Charta für Europäische Sicherheit von 1999 bietet Raum für eine regional- selbstbestimmte europäische Friedenspolitik in Einklang mit demokratischen Prinzipien und der Herrschaft des Rechts. Soll doch eine winzige Minderheit einiger reicher Industriestaaten in einem NATO-Skelett ihr monotones Gerede weiter unter sich fortsetzen. Der Kreml verfolgt konsequent gegenüber dem Westen sein Projekt eines paneuropäischen Sicherheitspaktes weiter. Die NATO, die sich als über dem Völkerrecht stehende „internationale Gemeinschaft“ versteht, will davon nichts wissen, weil sich ein paneuropäischer Sicherheitspakt der US-Hegemonialpolitik entziehen und nur das Völkerrecht gelten lassen würde. Der russische Außenminister Sergej Lawrow unterstrich die russische Ansicht in Moskau am 26.10.2010: „Die Position, welche die NATO in Bezug auf das Völkerrecht, auf die UN-Charta und insbesondere bezüglich der Anwendung von Gewalt in den modernen internationalen Beziehungen einnimmt, wird der Schlüssel für unsere Beziehungen zur NATO sein.“

Ein weiteres Indiz für Manipulation unter dem Deckmantel der Pressefreiheit ist das Verschweigen der russischen Erklärung in der Süddeutschen Zeitung. Verrannt in die NATO-Propaganda-Masche im außenpolitischen Ressort der SZ gab es nicht einmal eine Meldung darüber.

Die Manipulation, Lug und Trug aus NATO-Kreisen haben bei deutschen Medien Hochkonjunktur.

Die heutige militärische Gewalt besteht aus Massenvernichtungswaffen, die Massaker verursachen mit enormen humanitären Katastrophen. Wir stehen somit vor einer Unverhältnismäßigkeit ohne gleichen aufgrund einer internationalen Politik unter der Dominanz der Militärgewalt. Dieser Hauptpunkt wird im SZ-Aufsatz von Wolfgang Ischinger völlig vernachlässigt. Als verlogen stellt sich Ischingers Behauptung bloß: „In den USA ist in Barack Obama ein Präsident an der Macht, auf den die Europäer lange gehofft hatten.“ Das Gegenteil ist der Fall, zumindest bei deutschen Eliten und Regierungskreisen. Wie lässt sich sonst die Merkwürdigkeit rechtfertigen, dass ein John McCain zur Münchner Sicherheitskonferenz (7.2.2009) eingeladen wurde und ein Henry Kissinger erschien, beide aus dem ultrakonservativen Lager, die zum neuen Präsidenten Obama feindselig stehen. Wolfgang Ischinger war Organisator dieser Konferenz.

Der Regierungswechsel in Washington stieß in Deutschland auf eine politische Konstellation, die sich nicht mit der politischen Wende in den USA abfinden will.

Welche Initiativen hat die EU, welche Initiativen hat Berlin unternommen mit Hinsicht auf die außenpolitischen Hauptinitiativen von Obama?

Die europäische politische Kaste, besonders die deutsche, ist im alten Muster verankert geblieben und hat den neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama niemals aus Überzeugung begrüßt. Für Washington blieb deshalb die Besetzung der Berliner Botschaft eine dritte Garnitur. CDU-CSU-SPD-Führungsfiguren wie ein Wolfgang Ischinger können von Freundschaft und Partnerschaft mit den USA den Mund so voll haben, wie sie wollen. Glaubwürdig sind sie nicht.

Es ist höchste Zeit, Europa als eine atomwaffenfreie Zone zu schaffen, genauso wie sie bereits in anderen Regionen existieren: Afrika mit dem Vertrag von Pelindaba (April 1996). Zusammen mit ähnlichen Verträgen für Südostasien (1995), den Südpazifik (1985), für Lateinamerika und die Karibik (1967) sowie die Antarktis (1959) ist fast die gesamte südliche Hemisphäre frei von Atomwaffen.

Eine Außenpolitik, die sich dem Besitz und der Lagerung von Atomwaffen in Europa nicht widersetzt, riskiert grob fahrlässig den Fortbestand Europas und der Humanität. Eine solche Außenpolitik ist klipp und klar massenmörderisch kriminell und untergräbt alle Grundsätze des Völkerrechts und der Menschenrechte.

Fehler einzugestehen und zu korrigieren gehört nicht nur zur menschlichen Vernunft und zum Edelmut, sondern auch zu einem breiten Demokratieverständnis. Europa muß zurück zur Vernunft, zum Anstand oder der Preis mag die Humanität selbst sein, ein Völkermord im wahren Sinne des Wortes, ein Völkermord, der auf dem Gewissen von wissenden NATO-Außen- und Verteidigungsministern und allen Mitwissern unauslöschlich lasten wird.

Frankreich war einmal Ritter der Rechtsstaatlichkeit. Heute nicht mehr. Der aktuelle Präsident hat diese ehrenhafte Tradition verunglimpft und brüskiert. Eklatant unverfroren kontrastiert seine außenpolitische Einstellung grob mit der außerordentlichen staatsmännischen Rede des damaligen französischen Außenministers und späteren Premierminister, Dominique de Villepin vor den Vereinten Nationen in New York (2003), um den letzten Bush-Krieg gegen den Irak abzulehnen. Diese Rede bleibt unvergesslich: Sie war ein Meisterstück der Rechtsstaatlichkeit in den internationalen Beziehungen und erntete spontane Ovationen der gesamten Welt, repräsentiert in dem Saal der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Es war der letzte beispielhafte Auftritt eines europäischen Staatsmannes vor dem internationalen Forum.

Der aktuelle Präsident, Nikolas Sarkozy, ist dagegen eine triste Gestalt. Unter ihm hat Paris seine traditionelle unabhängige rechtmäßige Außenpolitik zugunsten einer Hinwendung zur NATO und zu Washington aufgegeben. Somit hat Sarkozy seinem eigenen Land stark geschadet, indem er sich dem Druck der französischen und deutschen Falken gebeugt hat. Solche Falken sind genauso gefährlich wie unter den US-Republikanern (Cheney und andere) und US-Demokraten (Madeleine Albright und andere). Deutschland muss sich von seinen eigenen Falken befreien und darf nicht weiter den aggressiven amerikanischen Paten hinterher rennen.

Die Geschichte ändert sich von Tag zu Tag. Neue Persönlichkeiten und neue Richtungen erscheinen auf der Weltbühne. Eine Hoffnung, die eine funktionierende Demokratie in sich birgt. Eine weltweit als friedensfeindliche und völkerrechtswidrig gebrandmarkte US-EU-Außenpolitik wird untergehen und aus der Aktualität verschwinden, je eher desto besser für die USA, für Europa und die ganze Welt.

Gez. Luz María De Stéfano de Lenkait