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3. Februar 2015 - Ralf Michalowsky:

Offener Brief:

Sehr geehrter Herr Heide, lieber Ex-Kollege,

ich war bis vor 18 Monaten Fachbereichsleiter an der VHS Gladbeck und dort auch Leiter des Kommunalen Kinos. Seit acht Monaten bin ich Landesvorsitzender der LINKEN.NRW.

Mir wurde berichtet, dass unser Parteimitglied Roland Sperling gegen eine Veranstaltungsreihe zum Thema Israel/Palästina interveniert hat und Ihre Entlassung forderte. Für dieses Verhalten eines Parteimitgliedes der LINKEN.NRW möchte ich mich bei Ihnen ganz persönlich entschuldigen.

In unserer Partei gibt es, wie in jeder anderen Partei auch, Menschen mit ganz unterschiedlichen politischen Prägungen und Vorstellungen davon, was gerecht und richtig ist. Von den Einstellungen des Herrn Sperling dazu, worüber eine VHS informieren darf, distanziere ich mich.

Vor mehr als 20 Jahren, ist mir schon etwas Ähnliches widerfahren, wie Ihnen jetzt. Ich hatte einen Dokumentarfilm im Programm, der die Zustände im Gaza-Streifen thematisierte. Mein Vorgesetzter (eine einfache Seele) wollte, dass ich den Film nicht zeige. Ich weigerte mich. Daraufhin hat sich der zuständige Dezernent eingeschaltet. Ich mußte dazu eine Stellungnahme abgeben. Ich konnte nachweisen, dass ich in den drei Jahren zuvor etwa 25 Filme gezeigt hatte, die den Holocaust zum Thema hatten, die Judenverfolgung in anderen Teilen Europas, die Machenschaften des Naziregimes und auch über den Staat Israel informierten. Nun hatte ich, als jemand, der immer wieder mit Filmangeboten auf den Holocaust hinwies, erstmals einen Film im Programm, der die Lebensbedingungen von Menschen zeigte, die unter der Herrschaft der Israelis litten. Der Dezernent zeigte sich damals, angesichts der "Ausgewogenheit" meines Programms (25 : 1) "großzügig“.

Ich beobachte seit fast 50 Jahren, was in Israel und den besetzten Gebieten vor sich geht. Außerdem sehe ich seit langem, welche Strukturen zur Durchsetzung der deutschen Staatsräson in Bezug auf Israel existieren.

Nach meiner Ansicht sind diejenigen die größten Antisemiten, die verhindern wollen, dass die Öffentlichkeit lückenlos darüber informiert wird, was dort in Israel und im Gazastreifen passiert. Dadurch, dass Antideutsche (ich hoffe, dass Sie wissen, welche Denkweise sich hinter dem Begriff verbirgt) jede Diskussion über die Verbrechen der reaktionären israelischen Regierung verhindern, erweisen sie der jüdischen Bevölkerung einen Bärendienst. Wenn alles gerechtfertigt wird, was die Regierungen Israels in den letzten 60 Jahren verbrochen haben, dann kann kein ernsthafter Dialog entstehen, der zu einer Lösung in der Region und damit zu einem dringend benötigten Frieden für alle dort lebenden Menschen führt.

Das Schüren dieses Konfliktes oder dessen Verharmlosung ist kontraproduktiv. Wer das tut, ist nicht an Lösungen interessiert, sondern setzt auf die Verhärtung der Fronten. Das hilft den Juden in Israel ebenso wenig, wie hier in Deutschland. Und ich wiederhole es noch einmal: Antisemiten sind diejenigen, die gegen den Friedensprozeß in Israel arbeiten.

Lieber Herr Heide, ich hoffe, dass Sie wieder eine vernünftige Basis in Ihrer Arbeit finden und vielleicht sogar zusammen mit Ihrem Bürgermeister zu einer Aufklärungsarbeit kommen, die allen Menschen in der gestreßten Region hilft.

Mit freundlichen Grüßen

Ralf Michalowsky
Landessprecher DIE LINKE. NRW
Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Kreistag von Recklinghausen