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6. August 2010 - Luz Maria de Stefano d Lenkait:

65. Gedenkjahrestag von Hiroshima:

Anlässlich des Gedenkens an die Opfer von Hiroshima und Nagasaki hier ein Kommentar zu

Süddeutsche Zeitung vom 6.8.2010:

„Ban will Kernwaffen ächten“

Hellwach sein

Die heutigen Kriege wie jeder heutige militärische Einsatz sprengen alle Verhältnismäßigkeit, denn die heutigen modernen Waffen sind klipp und klar inhuman. Der Krieg ist grausam. Der Krieg ist Grausamkeit. Diese Erkenntnis eines amerikanischen Verteidigungsministers, der mitten im Kriegsapparat der USA und zwar an erster Stelle im Pentagon tätig war, kam bei ihm spät, aber sie ist trotzdem aktuell. Die Grausamkeit des Krieges, seine unmenschliche Unverhältnismäßigkeit war schon seit dem Ersten Weltkrieg sichtbar, noch eklatant barbarischer nach dem Zweiten Weltkrieg und am extremsten in seiner Grausamkeit nach der Bombenzerstörung von Tokio, Dresden und anderen deutschen und japanischen Städten - schon vor dem Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki. Indem sie mehr als 100.000 Zivilisten in einem Moment vernichteten, handelten die amerikanischen Oberbefehlshaber, Politiker und Militärs als Kriegsverbrecher, wie Robert McNamara spät, aber vollkommen richtig erkannte. Sieg oder Niederlage ändert nichts daran. McNamara war Teil eines Apparats, der es gewissermaßen empfahl, Brandbomben auf Tokio und andere Städte abzuwerfen. Ist es richtig 100.000 Menschen zu töten? Diese Frage quälte Robert McNamara bis zu seinem Tod.

Die Verhältnismäßigkeit der Mittel, Grundsatz in jedem zivilisierten Rechtsstaat, war nicht nur in der nuklearen Auslöschung von Hiroshima und Nagasaki völlig und sichtbar demoliert, sondern auch im Golf-Krieg von 1991 und weiteren Angriffskriegen gegen Jugoslawien, Irak und Afghanistan. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel kann heute in keinem Krieg mehr gewahrt werden, weil die modernen militärischen Mittel selbst jede Verhältnismäßigkeit sprengen. Aus pragmatischen Gründen sind heute kriegerische Aktionen, militärische NATO-Interventionen generell, als offenkundige Irrationalität zu erkennen und von allen verantwortungsvollen Instanzen einer zivilisierten Gesellschaft abzulehnen.

Nach dem gesunden Menschenverstand führt die normale Erkenntnis unmissverständlich dazu, den heutigen Krieg und jeden militärischen Einsatz als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu stigmatisieren und als Mittel der Politik zu verwerfen und zu ächten. Flugzeuge, Bomben, Raketen setzen riesige Flächen in Trümmer. Kriegsinstrumente sind Mordinstrumente, und zwar Massemordinstrumente. Sie verbreiten überall Hunger und Elend. Menschen ohne Skrupel benutzen diese militärischen Massenmordinstrumente gegen andere Menschen, bringen den Tod und provozieren Massaker. Und das alles will man heute unter dem Deckmantel von Menschenrechten betreiben. Perfider und perverser ist es nicht vorstellbar. Westliche Regierungen verwechseln das Interesse des Staates, das oberste Interesse einer menschlichen Gesellschaft, mit ihren eigenen partikulären Interessen, die sie selbstverständlich geheim halten.

Die unendlichen Kombinationsmöglichkeiten von menschlicher Fehlbarkeit und Atomwaffen werden ganze Nationen zerstören. Ist es recht und billig, dass es heute immer noch mehr als 5.000 strategische Atomsprengköpfe gibt, von denen 2.500 innerhalb von 15 Minuten auf Geheiß eines Einzelnen abgefeuert werden können?

Die Frage, die zur Verantwortlichkeit aller europäischen Staaten gestellt und offiziell beantwortet werden muss, lautet: Kann eigentlich militärische Gewalt dazu beitragen, Konflikte zu lösen, sie unter Kontrolle zu bringen? Kein Industriestaat, kein Zweite- und kein Dritte-Welt-Staat ist heute mehr militärisch zu verteidigen, zumindest dann nicht, wenn man das verteidigen will, was lebensnotwendig ist oder die zivilisatorische Basis eines Landes ausmacht. Dies gilt nicht nur für einen nuklearen Krieg, sondern auch für einen konventionellen Krieg. 

Aus pragmatischen Gründen sind heute kriegerische Aktionen, militärische NATO-Interventionen generell, als offenkundige Irrationalität zu erkennen und von allen verantwortungsvollen Instanzen einer zivilisierten Gesellschaft abzulehnen. Eine unberechenbare Gefahr zeigt sich, „wenn Propheten auftreten, die das Recht beanspruchen, andere zu beglücken, selbst wenn diese die Gnade nicht wünschen, der gnädige Prophet aber zu wüten beginnt und sich in einen unerbittlichen Henker verwandelt.“ (Tschingis Aitmatov: Ein Dialog).

Die Identifikation einer Weltfriedensgefahr darf man nicht einer Staatengruppe allein überlassen. Sonst postulieren sie nach eigenen Interessen eine Friedensgefahr und stürzen nach ihrem Sinn die Welt in einen Krieg, wie es bei allen Angriffskriegen in den letzten Jahrzehnten tatsächlich geschah. Die unsägliche Eskalation zum Krieg am Golf 1991 und die nachfolgenden weiteren Angriffskriege stellen in der Tat diese Weltgefahr unter Beweis. Angriffskriege, die das Weiße Haus in abenteuerlicher Weise hervorrief und Gelüste im rückständigen Europa weckten. So die militärische Intervention im Jugoslawien-Konflikt entgegen aller warnenden Stimmen. Es gibt keinen Konflikt in der Welt, der durch einen internationalen Krieg beendet werden könnte, ohne dass am Ende dieses Krieges das politische Problem genauso besteht, wie zuvor vor Kriegsbeginn.

Die Sicherheit der Welt ist tatsächlich in Gefahr durch die Beherrschung einer Militärmacht, die durch einen engen Kreis westlicher Mächte ausgeübt wird. Dieser enge Kreis westlicher Mächte bestimmt die internationalen Beziehungen gemäß seiner Interessen und behält sich vor, UN-Sicherheitsrats-Resolutionen entsprechend auszulegen und sie gemäß dieser Auslegung am Rand der Mehrheit desselben UN-Rates durchzusetzen.

Die Vision einer Welt ohne Atomwaffen vom Präsident Barack Obama gewinnt immer weiter an politischem Gewicht als dringende und verantwortungsvolle menschliche Aufgabe für die Weltstaatengemeinschaft der 192 Staaten der Vereinten Nationen. Russlands Präsident Dmitri Medwedjew und der UN-Sicherheitsrat haben sich diesem Ziel verpflichtet. Allein das ist ein beachtlicher politischer Schritt. Eine aufgeklärte verantwortungsvolle Öffentlichkeit ist herausgefordert, Aufmerksamkeit für die Abrüstung weltweit zu schaffen. Die gegenwärtige Zahl und die militärische Bedeutung von Atomwaffen müssen endgültig auf unserer Erde und aus den Köpfen der Mächtigen verschwinden, weil sie das oberste Menschenrecht, das Recht auf Leben und alle Existenz auf dieser einen Erde bedrohen. Bedrohlich, dass in Verteidigungsministerien weiter auf die Irrationalität des letzten Jahrhunderts gesetzt wird, die überall Massenmorde verursacht hat und weiter verursacht. Hiroshima war die grausamste Spitze dieses Wahnsinns. Die Sicherheit keines einzigen Landes ist durch Atombomben zu garantieren. Im Gegenteil, die Sicherheit, die Existenz jedes Landes wird dadurch am höchstens gefährdet. Der einzige sichere Weg zum Frieden und zur Sicherheit ist die totale Abschaffung der nuklearen Waffen, wie UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zum Gedenktag von Hiroshima am 6.6.2010 auf den Punkt gesagt hat.

Längst nicht alle Republikaner wie nicht alle CDU-Leute sind von Obamas Abrüstungspolitik überzeugt. Der amerikanische Präsident braucht Unterstützung der ganzen Welt und von allen Recht achtenden Staatsmännern. Die nukleare Abschreckung, nämlich die NATO-Strategie ist illegitim, illegal. Sie ist zu ächten. Trotzdem haben die NATO-Länder in mehr als 50 Jahren sie bis zur Absurdität perfektioniert. Ein wichtiger Schritt wäre es schon, den Trend zu brechen, nämlich den verhängnisvollen Trend, Atomwaffen wieder stärker in das Zentrum von Militärdoktrinen zu rücken.

Regionale Stabilität darf nicht länger auf dem Gleichgewicht des Schreckens fußen. Ein Recht achtender Staatsmann wie der deutsche Außenminister Guido Westerwelle sollte sein vernünftiges Vorhaben, die nuklearen Waffen aus Europa wegzuschaffen, zusammen mit seinen europäischen Kollegen erneut auf die Tagesordnung bringen. Es ist an der Zeit, klare und deutliche Worte vor der amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton darüber zu sprechen und sie mit der Forderung nach Beseitigung aller Kernwaffen vor der Weltöffentlichkeit zu konfrontieren. Die legitimen Sicherheitsinteressen und Sorgen Europas sind nicht zu ignorieren, am wenigsten nicht von einem engen Partner Europas, wie die USA. Kristallklar muss Europa vor den USA seinen Willen äußern, alle Atomwaffen von europäischem Boden wegzuschaffen.

Die Blindheit der USA ist heute bemerkenswert in vielerlei Sicht der heutigen Probleme. Die amerikanische militärische Verankerung in einer alten Nuklearwaffen-Strategie aus Zeiten des Kalten Kriegs ist als unverantwortlich und leichtfertig zu bezeichnen. Um Spannungen zu lösen, sollten alle Beteiligten die Überbleibsel des Kalten Krieges über Bord werfen und neue Wege gehen. Unter dem „Mantel der Förderung von Demokratie“ oder „Menschenrechte“ ist die potentielle und aktive vernichtende amerikanische Außenpolitik nichts anderes als die zügellose Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten. Die partikulären Urteile einzelner führender Neokonservative in den USA über das, was in der Welt geschieht, sind völlig unangemessen. Zu empfehlen ist, sich einmal ganz konkret mit den eigenen Problemen der USA und Europa bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte zu beschäftigen – einschließlich der einschlägigen allgemeinen Normen des Völkerrechts, bevor sie sich in Henker anderer Völker verwandeln. Das gilt besonders für die Führung Deutschlands, die nicht die Herrschaft des Rechts anerkennen will. Bezeichnenderweise lehrt man in der bekannten Deutschen Journalistenschule in München kein Völkerrecht und auch keine Ethik. Stattdessen pflegt man dort enge Kontakte zur Bundeswehr. Ausländische Diplomaten in Deutschland sind jedenfalls hellwach.

Luz María De Stéfano de Lenkait