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29. November 2018 - Martin Breidert an Thomas Schalla

 

Sehr geehrter Herr Dr. Schalla,

ich habe mit  Erstaunen und Entsetzen Ihr Schreiben an Andreas Zumach zur Kenntnis genommen.

Ich bin selbst evangelischer Pfarrer der rheinischen Kirche und war Dozent für Sozialethik an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal mit dem Schwerpunkt Menschenrechte. Davor war ich Pfarrer der hessen-nassauischen Kirche.

Ich bin verwundert, dass Sie als Dekan über die Vergabe von Räumlichkeiten entscheiden können. In Hessen-Nassau und in der rheinischen Kirche fällt das in die Kompetenz des Kirchenvorstandes bzw. des Presbyteriums.

Nachdem ich  in den Ruhestand getreten war, unternahm ich zwei Studienreisen in das von Israel seit einem halben Jahrhundert völkerrechtlich illegal besetzte Palästina. Offensichtlich sind Sie dort noch nie gewesen, sonst hätten Sie vermutlich anders entschieden. Was ich in der Westbank erlebte, widersprach krass allem, was ich den Studierenden in Wuppertal zum Thema Menschenrechte versucht hatte zu vermitteln. Bei einer Studienreise mit Pax Christi sprachen uns wiederholt palästinensische Christinnen und Christen an mit den Worten: „Wir wollen als Menschen behandelt werden und nicht wie Tiere."

Dass Sie den anerkannten Journalisten Andreas vor die Tür setzen, ist skandalös. Da er zugleich dem Beirat im Bündnis zur Beendigung der israelischen Besatzung e.V. angehört, dessen stellvertretender Vorsitzender ich bin, erhielt ich die Information von Ihrer Absage.

Dass Ihre einzige Sorge darin besteht, das gute Verhältnis zur Jüdischen Gemeinde könnte gestört werden, lässt tief blicken. Damit beweisen Sie die "Rechtsvergessenheit im Protestantismus", von der mein verstorbener väterlicher Freund Helmut Simon, Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe und Kirchentagspräsident, wiederholt gesprochen hat.

Zugleich ist erschreckend, wie Sie sich blind in die Abhängigkeit von der Jüdischen Kultusgemeinde begeben. Als wir im letzten Jahr in Berlin einen Kairos-Thementag mit dem Titel  "50 Jahre israelische Besatzung – wir dürfen nicht schweigen“ veranstalten wollten, hatte auch die Israel-Lobby zu intervenieren versucht. Der zuständige Superintendent schaltete sich ein, die Pfarrerin und ihr Kirchenvorstand jedoch erklärten unisono: "Wir können selber denken und entscheiden."
Stattdessen haben Sie in Pawlow'scher Manier sofort einem unbegründeten Antisemitismusvorwurf nachgegeben, ohne zu prüfen, ob dieser inhaltlich begründet ist oder möglicherweise einer Instrumentalisierung dient.

Ich schäme mich für meine evangelische Kirche, die blind dem Ersuchen der Jüdischen Kultusgemeinde nachgibt, ohne nach Recht und Gerechtigkeit zu fragen (Amos 5,24, Jesaja 5, 1ff). Die biblischen Propheten waren nicht so blind.

Mit ingrimmigem Gruß (nach Karl Barth)

Martin Breidert
Vorstandsmitglied im Bündnis zur Beendigung der israelischen Besatzung e.V.