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18. April 2013 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Die Schreckensnachricht über die Boston-Bomben und ihre Kommentierung in der Süddeutschen Zeitung geben Anlass zu folgender Stellungnahme zu

Leitartikel in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 17.4.2013:
"Die Bomben von Boston" von Stefan Kornelius

Weltweite Dimension der schrecklichen Boston-Bomben

Stefan Kornelius versäumt völlig, sich in seinem Leitartikel vom 17.4.2013 "Die Bomben von Boston" mit den Ursachen der sinnlosen Tötung zu beschäftigen. Alles was geschieht, hat eine Veranlassung. Der Terror kommt nicht allein vom Himmel. Warum übersieht der Chef-Redakteur des außenpolitischen Ressorts eines so wichtigen deutschen Presseorgans wie die Süddeutsche Zeitung die bewiesenen Tatsachen von Tausenden umgekommenen, hungernden oder auf der Flucht befindlichen unschuldigen Menschen, die eine US-amerikanische Gewalt-Außenpolitik verursacht? Hat Kornelius darüber nachgedacht, mit welchem Recht der Präsident Obama eine friedliche Lösung in arabischen Ländern kaltblütig blockiert, einfach deshalb, weil deren Regierungen ihm nicht passen? Dabei sterben täglich weitere Kinder und Erwachsene. Zudem sind daraus die größten humanitären Katastrophen entstanden.

Die Entwicklung eines selbstsicheren Landes wie Amerika ist wohl eher Ausdruck einer wachsenden Normalität aller Amerikaner. In Amerika wächst die Kritik an seiner Regierung auch wegen einer polarisierenden Außenpolitik. Von vielen Amerikanern kann man selbst viel lernen, und zwar nüchtern zu bleiben, wie der damalige Kardinal von New York, der nach dem Attentat am 9/11 in seiner Stadt fragte: "Was haben wir falsch gemacht?" Diese Ehrlichkeit und noble Bereitschaft zur Selbstkritik lässt bei deutschen Journalisten und Eliten sehr zu wünschen übrig. Sie begreifen nicht und wollen es nicht begreifen, welche Wende da in den USA stattfinden soll. Es ist also angebracht, nicht allein mit Bangen, sondern auch mit Hoffnungen nach Amerika zu blicken, wo man noch nicht in den hier gängig gewordenen provinziellen Zynismus verfallen ist. Gerechtigkeit ist die Antwort auf die Gewalt. Mit Rachsucht hat man keine Vision und keine Zukunft vor sich. Das sind Botschaften, die wir aus Amerika hören, und wir sollten sie hier einbürgern. Jedes Mal, wenn unschuldiges Leben durch Gewalt umkomme, handle es sich um einen Terror-Akt, sagt Präsident Obama absolut zutreffend. Folglich muss er selbst eingestehen, dass Bomben-Attentate in Syrien durch bewaffnete Banden, die fast täglich unschuldiges Leben zerfetzen, reine Terror-Akte sind, zu der die US-amerikanische Außenpolitik ermutigt hat durch die zugelassene verantwortungslose Bewaffnung von Extremisten. Die Besessenheit zur gewalttätigen Intervention, um ein "regime change" in Syrien herbeizuführen, hat Amerika zu diesem Extrem geführt.

Ein weiteres Beispiel verfehlter Außenpolitik ist Nord-Korea. Indem Stefan Kornelius dieses Land als unmöglich plakatiert, lässt er die irregeleitete US-Außenpolitik völlig außer Acht, die nicht imstande ist, normale Beziehungen unter allen Staaten auf gleicher Ebene zu pflegen, sondern mit Gewalt und Terror gegenüber jedem Staat reagiert, dessen Regierung ihrer Vorstellung nicht entspricht oder nicht so handelt, wie die USA es wollen. Im Namen der Demokratie und Menschenrechte verdammt das Weiße Haus einen solchen Staat zur Isolation durch unmenschliche feindliche Sanktionen, welche die Menschen weiter verarmen lassen wie im Fall Nordkorea und bestrafen ihn sogar mit verdeckten Aggressionen und Krieg wie bei Syrien. Eine solche US-Außenpolitik, die den Menschen so viel Böses antut, ist nicht nur als untragbar, sondern auch als abscheulich zu bezeichnen. Sie entlarvt die amerikanische Demokratie als bloße Abnormität und Verirrung.

Die USA sind die Supermacht, die ihre Vormacht rund um den Globus mit grausamsten Mitteln sichert. Wechselwirkungen sind deshalb zwangsläufig. Es ist ganz natürlich, dass sich die staatliche US-Anmaßung gelegentlich auch intern gegen Amerikaner selbst wendet. US-Militäroperationen und Macht-Demonstrationen überall gefährden den Weltfrieden und wirken als unnötige Provokationen, wie auch der Fall Nord-Korea zeigt. Auf alle Aktionen folgen Reaktionen. Deutsche Medien, Stefan Kornelius an erster Stelle, sollten auf diese weltweite Dimension der schrecklichen Boston-Bomben hinweisen, um die Wirkungen einer Terror-Außenpolitik und ihr Ausmaß ausgeglichen unter breitem menschlichen Kriterium zu berücksichtigen. Die Amerikaner wollen zu Recht die Terror-Dekade hinter sich lassen. Aber solange sich ihre Regierung nach außen durch Terror-Aktionen im Ausland kennzeichnet, wird der Terror auch innen nicht weichen.

Die Politik des erklärten „regime change" der Regierung von George W. Bush hat Tür und Tor zu Terror-Intervention in anderen Ländern geöffnet. Und was machen US-amerikanische rechtsextreme Gruppen, die in ihrem eigenen Land jetzt ein „regime-change“ erreichen wollen?

Mit dieser Willkür und Sinnlosigkeit der verbrecherischen Regime-Change-Politik hat die Obama-Regierung bisher nicht brechen können. Ihr neuer Außenminister John Kerry setzt sich unermüdlich für Deeskalation ein und versucht zu retten, was zu retten ist. Nur Dialog und direkte Beziehungen helfen dabei. Direkte Gespräche und diplomatische Beziehungen mit Nordkorea, Syrien und dem Iran sind unentbehrlich als besonnene Haltungen und konstruktive Schritte, die in der Tat zur Deeskalation und zu vertrauensbildenden Maßnahmen führen werden, um sinnlosen Terror und Drohung beiseite zu lassen. Deshalb ist Barack Obamas besonnene Reaktion sowie des gesamten Landes zu begrüßen. Keine Hysterie ist darin zu erkennen.

Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass sich Washington noch nicht von dem Wahnsinn der nuklearen Abschreckung befreit hat. Derselbe Wahnsinn beherrscht die Denkweise in Nordkorea und die nuklearen EU-Staaten. Statt sich gegenüber Nordkorea diktatorisch überlegen und anmaßend zu verhalten, hätte Washington eine Politik betreiben sollen, die dessen Sicherheitsinteressen respektiert. Eine Haltung von Hass und Verdammung ist keine Politik, sondern eine irrsinnige Attitüde, die zum Extrem treibt. Abrüstung auf allen Seiten ist das Gebot der Stunde. Nicht nur Nordkorea, sondern vor allem und an erster Stelle müssen die USA auf Atomwaffen und militärische Manöver verzichten. Alljährlich stattfindende Frühjahrsmanöver der US-amerikanischen und südkoreanischen Streitkräfte so wie die steigende US-Militärpräsenz am Persischen Golf nehmen die betroffenen Länder wie Nordkorea und der Iran als eine Übung für eine Invasion wahr. Auf solche Militär-Operationen ist zugunsten einer konstruktiven und entspannenden Außenpolitik zu verzichten.

John Kerrys Besuch in Peking am 13.4.2013 erlaubte, viele Schwerpunkte der Weltpolitik, darunter die Haltung von Nordkorea, ausführlich zu klären. Die Angelegenheit müsse "friedlich durch Dialog und Beratung behandelt und gelöst werden", so der chinesische Außenminister Yang Jiechi. Peking wolle "mit allen relevanten Parteien, einschließlich die USA, zusammenarbeiten, um eine konstruktive Rolle zu spielen." Gerade hier gehen beide Seiten auseinander. Die Chinesen hoben ihr Interesse an einer Wiederaufnahme der seit 2009 unterbrochenen Sechser-Gespräche hervor. Dagegen sperrt sich Washington mit irrealen Vorbedingungen. In diesem wesentlichen Punkt besteht also ein klarer Dissens. Deshalb gab es keine gemeinsame Erklärung zur Lage auf der koreanischen Halbinsel. (Aus dem Artikel "Kerry spielt Schulterschluss" von Knut Mellenthin, Junge Welt vom 15.4.2013). Zum Ziel, die koreanische Halbinsel von Atomwaffen freimachen zu wollen, hat China schon am 19.9.2005 mit der Gemeinsamen Erklärung der Beteiligten am Sechsergespräch-- USA, China, Japan, Russland und beide koreanische Staaten - eindeutig und verbindlich zugestimmt. Es liegt an den USA, sich wirklich fair ihren Gegnern anzunähern.

Die Suche nach Erklärungen einer tradierten Gewalt-Politik, einer tradierten Einstellung zum Gewalt-Einsatz, zur militärischen Gewalt, die auch Europa, vor allem Deutschland, kennzeichnet, führt sinnvoll dazu, einen kurzen Blick auf die Geschichte zu werfen. Tausend Jahre von Feudalismus, die wilhelminische Epoche, dann die Nazi-Herrschaft, wobei nackte Gewalt und Terror und eine extreme Verachtung des Menschen von höchsten Regierungs- und regierenden Parteistellen propagiert wurde, hinterlassen verheerende Spuren.

Wenn militärische Angreifer, wenn Mörder unbestraft bleiben, ist dies das Ende der Zivilisation. So der amerikanische Staatsankläger Robert Jackson in seinem Plädoyer in den Nürnberger Prozessen gegen deutsche Kriegsverbrecher. Jetzt im 21. Jahrhundert hat der Internationale Strafgerichtshof bisher keinen Haftbefehl gegen die flagranten westlichen Aggressoren erstellt, die Morde, schwere Körperverletzungen und Verwüstungen im Irak, Serbien, Afghanistan, Libyen, Syrien und Gaza zu verantworten haben, überfallene Länder, die kein anderes Land angegriffen haben. Eine gelähmte deutsche Öffentlichkeit schweigt vor solchen flagranten Kriegsverbrechen gegen den Frieden. Die deutsche Öffentlichkeit muss endlich die Blockade der USA und ihrer Vasallen gegen eine politische Lösung in Syrien wahrnehmen, anstatt diese westlichen Machthaber durch Verdrehung, Lug und Trug zu schonen, die in Syrien für Hunger, Not und unermessliches Leid mitverantwortlich sind. Die Medien müssen darüber aufklären. Nicht nur die Boston-Bomben veranlassen Angst und Schrecken, sondern auch die Bombenexplosionen, welche die USA in den islamischen Ländern zu verantworten haben.

Die Sicherheit Syriens wird seit Monaten besonders durch die Einschleusung terroristischer Banden über türkisches Staatsgebiet bedroht. Diese verdeckte Kriegsführung gegen Syrien ist ein flagranter Akt völkerrechtlicher Aggression. Daran ist auch die deutsche Regierung mit ihrem feindseligen Vorgehen gegen Syrien wesentlich beteiligt. Sie begeht mit ihrer Mitwirkung an dieser Aggression einen Verstoß gegen das Völkerrecht und damit gegen das Grundgesetz. Tatsächlich ist die deutsche Politik durch die Mitwirkung an der Eskalation des Syrien-Konflikts an Irrationalität, aber auch an Gefährlichkeit und Bosheit kaum noch zu überbieten.

Schon das Debakel in Libyen wirkt als "die Lehre unserer Zeit", welche die USA 2011 den kleineren Völkern und Nationen der Welt erteilte. "Nach vielen Jahren des Drucks und Versprechungen hatte Washington Oberst Muammar Al-Ghadafi im Dezember 2003 dazu gebracht, Libyens Atomwaffenprogramm aufzugeben. Im Gegenzug hatte das nordafrikanische Land neben der Aufhebung der Sanktionen eine Sicherheitsgarantie vor US-Angriffen erhalten. "Heute aber zu einer Zeit, in der täglich US- und NATO-Bomben auf Libyen fielen - könne jeder erkennen, dass Garantien imperialistischen Staaten gegenüber Entwicklungsländern wertlos sind." So ein Vertreter des Außenministeriums von Nordkorea Anfang April 2011. (Aus der Kolumne "Hintergrund - Lehren aus der Libyen-Lektion", Junge Welt vom 11.4.2013)

Rechtsextreme Tendenzen wie Forderungen zum militärischen Gewalt-Einsatz und zugehörige Verhaltensweisen artikulieren sich nicht nur in rechtsextremistischen Gruppierungen, sondern auch in deutschen Regierungsparteien, die, anstatt sich der Friedensstiftung zu widmen, nämlich dem Primat der Politik, Kennzeichen einer rechtsstaatliche Demokratie, die Botschaft vermitteln, dass der Stärkere sich mit Gewalt durchsetzen soll und darf. Daher die in den herrschenden Kreisen immer wieder gestellte Frage nach militärischer Intervention, eine Frage, die große Medien, darunter die SZ, bedenkenlos wiederholen. Das ist reiner Primitivismus und Unkultur auf höchster Ebene. In Deutschland ist nie eine solide politische Kultur entstanden. Weder in der wilhelminischen Zeit, noch danach, bis heute nicht. Deutsche Journalisten verfallen deshalb bewusst oder unbewusst in einen blanken Unfug und vergessen die prioritäre zivile Pflicht der Politik.

Die militaristische Pandora-Büchse wurde nach der deutschen Einheit in dem allgemeinen Glauben geöffnet, Deutschland werde erlaubt, seine militärische Stärke wieder zu behaupten und diesmal könne es "gewinnen". Die ersten Einsätze im Ausland in den 90iger Jahren waren das große Thema für deutsche Medien. Deutschland fühlte sich dadurch bestätigt, revidiert, es war wieder da unter den Großen beim neuen Aufmarsch! Die Last, weiter als Verlierer da zu stehen, war für solche eitlen Spezies unerträglich. Ihr angeschlagenes Selbstbewusstsein benötigte es, in die Lage zu geraten, wo sich Deutschland mit nackter Macht und militärischer Kraft beweisen konnte, entgegen aller Rechtsstaatlichkeit, entgegen aller Rechtsprinzipien, so wie es dieses Land geschichtlich ständig getan hatte. Der jüngste Aufschrei der Studenten aus der Humboldt Universität "nie wieder Deutschland" ist auf diese Art zu verstehen. "Die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung lehnt indessen Kriegseinsätze der Bundeswehr ab. Diese Haltung findet in Deutschlands repräsentativer Demokratie nicht die geringste Entsprechung". (Aus dem Leitartikel "Nie wieder?" von Werner Pirker, Junge Welt vom 12.4.2013)

Der Nahe Osten ist vor der Haustür Europas. Trotzdem scheinen die Bundesregierung und andere europäische Regierungen uneinsichtig, unverantwortlich gegenüber dieser nachbarlichen Region zu sein, indem sie anstatt eine friedliche Politik durch Friedensmaßnahmen zu fördern, mehr Öl ins Feuer gießen und unberechenbare Banden bewaffnen helfen und zu einem schmutzigen Krieg in Syrien skrupellos anstiften, der zahlreiche menschliche Opfer und die größte humanitäre Katastrophe verursacht. Auf diese Weise zeigen sich deutsche, europäische Eliten streitsüchtig und bösartig. Sie sind zu weit gegangen und bekommen jetzt die Gefahr vor der Haustür Deutschlands und Europas nicht in den Griff.

Es ist wichtig, ja unabdingbar im Interesse der Menschen in Syrien und im Interesse der eigenen Sicherheit Europas, eine Friedenspolitik in Syrien nicht länger zu blockieren. Es ist unbegreiflich, Terroristen und extremistische Islamisten zu bevorzugen. Gemessen an einem menschlich-politischen Maßstab ist die politische Klasse hierzulande nicht nur dramatisch unterentwickelt, sondern gefährlich unzurechnungsfähig geworden. Das Denkvermögen bleibt in Rüstungsfragen stecken. Etwas ist offensichtlich oberfaul in Deutschland. Stefan Kornelius schickte diesen Kontinent in seinem Leitartikel "Europa auf die Couch" bereits zum Psychiater. Er hat recht, aber an erster Stelle, vor allen anderen, muss die regierende deutsche politische Klasse zusammen mit den unverbesserlichen SPD/Grünen auf die Couch und sich von Verwirrung, Traumata, und Unzurechnungsfähigkeit befreien. Und zwar dringend!

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait