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20. April 2014 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Kommentar zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 19.4.2014,
Titelseite: "Unfrieden trotz Friedensplan",
Untertitel: "Trotz der Vereinbarung mit Russland droht US-Präsident Obama mit weiteren Sanktionen",
Artikel: "Papierende Worte, handfeste Taten" von Wolfgang Koydl und Julian Hans,
und Kommentar: "Ukraine - Drei kleine positive Punkte" von Julian Hans

Nach Genfer Konferenz: Zukunft der Ukraine noch offen

Die mörderische Einmischung von gezielten Unruhestiftern auf dem Maidan-Platz in Kiew wurde auf der Genfer Konferenz am 17.4.2014 vom Außenminister Russlands, Sergej Lawrow zur Sprache gebracht. Gewalttätige Elemente sind keine friedliche Demonstranten, sondern Straftäter an der Seite von Unruhestiftern und Faschisten, die gegen Wachpersonal und Polizei agieren. Das verursacht chaotische Zustände. Die EU hat versäumt, auf die Kiew-Regierung in der Ukraine einzuwirken, damit sich diese von den radikalen Elementen distanziert.

Zu verstehen ist, dass aus den östlichen Regionen der Ukraine sehr viele Petitionen direkt an den Präsidenten Russlands eingehen, um ein Eingreifen zu erbitten. Die ukrainische Bevölkerung erkennt den faschistoiden illegitimen Charakter der jetzigen Regierung, lehnt sie deshalb ab und will sich ihr nicht weiter unterordnen. Die gegenwärtige Unregierbarkeit der Ukraine oder von Teilen des Landes macht einen Anschluss der Ukraine oder Teilen davon an Russland plausibel, wohin die Region seit Katharina der Großen historisch gehört.

Wenn prorussische Kräfte in der Ostukraine das Ende des Militäreinsatzes der Kiew-Regierung verlangen, bevor sie ihre Waffen abgeben, handeln sie im vollen Einklang mit dem Genfer Ukraine-Beschluss vom 17.4.2014, der explizit fordert:

"Alle Seiten müssen jede Form der Gewalt, Einschüchterung und provozierende Handlungen unterlassen."

Alle Seiten in der Ukraine müssen also auf Gewalt verzichten. Illegale bewaffnete Gruppen sollen ihre Waffen abgeben, d.h. nicht nur die prorussischen Kräfte, sondern auch die Maidan-Aktivisten. Dass Maidan-Aktivisten zuerst mit ihrer Entwaffnung anzufangen haben, liegt auf der Hand: Sie waren die ersten, die mit Gewalt und Schießereien, den chaotischen Zustand entzündeten, der zum Umsturz des demokratischen gewählten Präsidenten im vergangenen Februar führte. Die aus solchem Putsch hervorgegangene aktuelle Kiew-Regierung hat offensichtlich keinen Einfluss auf diese sogenannten Maidan-"Demonstranten". Anstatt gegen sie vorzugehen, setzt die illegitime Regierung ihre Militäraktion gegen die prorussischen Separatisten fort. Diese Zumutung lässt erkennen, dass sie nicht imstande ist, Ordnung und Frieden im Land zu schaffen. Die Forderung nach ihrem Rücktritt ist deshalb völlig verständlich. Der SZ-Journalist Julian Hans erkennt die Lage richtig:

"Zentraler Punkt ist ohne Zweifel die Aufforderung, alle illegalen Verbände sollen ihre Waffen abgeben und besetzte Gebäude räumen... Auch der Maidan in Kiew muss geräumt werden. (Wenn die Kiew-Regierung es versäumt), verliert sie den letzten Rückhalt in den Regionen des Landes."

Die Bundeskanzlerin sollte die Telefon-Anrufe von US-Präsident Obama und des britischen Premier Cameron als Gelegenheit benutzen, um beide Staatsmänner von der Konfrontation abzubringen und zur Erkenntnis zu führen, wie kontraproduktiv Sanktionen sind, um den Konflikt zu entschärfen. Sie macht sich lächerlich, wenn sie auf Druck von Obama und Cameron Russland "auffordert, zu einer Deeskalation der Entwicklung beizutragen". Sie sollte wissen, dass nicht Russland für die Eskalation der Gewalt in der Ukraine die Verantwortung trägt, sie sollte wissen, wer die Milizen bezahlt hat. Über die Faschisten, die aus der illegalen Regierung heraus in der Ukraine weiter agitieren und die Gewalt auf dem Maidan-Platz mit zu verantworten haben, spricht Merkel kein Wort. Aber über Sanktionen gegen Russland auch nicht. Obama und Cameron mussten sich mit dem nebensächlichen Auftritt der deutschen Bundeskanzlerin zufrieden geben. Sollten beide impertinenten Politiker noch einmal die Bundeskanzlerin mit Telefonaten belästigen, dürfte Angela Merkel ihre kostbare Zeit nicht weiter verschwenden, um sich zu wiederholen zu müssen. Dafür sollte dann eine andere Stelle im Bundeskanzleramt zuständig sein. Die müsste sich dann mit solchen Figuren beschäftigen. Andernfalls wird das Ansehen der höchsten deutschen Regierungsinstitution beschädigt.

Russland kritisierte die unverschämte Drohung mit Sanktionen scharf. Selbstverständlich haben die Milizen des rechten Sektors und anderer faschistischer Gruppen, die an dem Februarumsturz in Kiew teilgenommen haben, die Abgabe von Waffen als erstes zu erfüllen. Aus dem State Department ist kein Wort darüber zu hören, was einem Schuldeingeständnis gleichkommt.

"Moskau bestreitet jede Verbindung zu den grün uniformierten Männern mit automatischen Waffen, die den Aufstand organisieren.... Dieses Problem lastet weiter allein auf Kiew ...Der Machtzerfall in der Ukraine schreitet voran". So Julian Hans in seinem Kommentar "Ukraine - Drei kleine positive Punkte"
(SZ von 19.4.2014)

Die EU dürfte keine weiteren Sanktionen beschließen. Sanktionen sind feindliche Maßnahmen, die nirgends konstruktiv gewirkt haben. Sie sind bei den Wählern zu Hause unbeliebt, ganz besonders in Deutschland. Rund 77 Prozent der Deutschen lehnen ein Eingreifen von NATO-Truppen in der Ukraine ab, selbst wenn Russland Gebiete in der Ukraine besetzen sollte. Dieses Forsa-Umfrageergebnis von Anfang April ist ein erfreuliches Zeichen von politischer Vernunft und Realismus in der deutschen Bevölkerung. Besonders angesichts der seit Monaten in den Medien und von führenden Politikern befeuerten antirussischen Stimmungsmache.

"Der Machtzerfall in der Ukraine aber schreitet voran. Der Einsatz von Waffen hat ihn beschleunigt. Er wird ihn nicht aufhalten."

Mit ihrer Verlegung nach Osteuropa und auf Konfrontationskurs gegen Russland hat sich die NATO als Brandstifter und politischer Versager erwiesen und ist zu Recht gescheitert. Daraus müsste auch ein verbitterter US-Außenminister die Konsequenzen ziehen, aber vor allem der US-Präsident Barack Obama. Die OSZE sollte die führende Rolle bei der Vermittlung in der Ukraine übernehmen.

“Statt konstruktive Vorschläge zur friedlichen Regelung des Konflikts in der Ukraine zu machen, haben sich die NATO-Außenminister auf die aggressive Zielsetzung festgelegt (Brüssel, 1./2.4.2014), und entgegen alle Vereinbarungen mit Russland die NATO-militärische Präsenz in Osteuropa und das Operationsfeld der NATO bis an die Grenzen Russlands ausgeweitet. Die USA befürworten in Osteuropa auch Bodentruppen dauerhaft zu stationieren. Gemeinsame Manöver von NATO-Einheiten werden sowohl in Polen und Rumänien wie im Schwarzen Meer und in der Ostsee, aber auch direkt in der Ukraine zusammen mit der ukrainischen Armee von Mai bis Oktober 2014 unternommen. Die Ausweitung von NATO-Manövern und anderen NATO-Einrichtungen wird aber auch in Moldawien, Armenien und Aserbaidschan angestrebt. Zu dieser von der NATO-Führung vorangetriebenen Eskalation der Spannungen gehört auch die demonstrative Unterstützung der NATO für die von nationalistischen und faschistischen Kräften dominierte Kiewer Regierung. Diese illegitime Regierung hat das Risiko einer Ausweitung des Konflikts in einen offenen Bürgerkrieg vergrößert. Berlin, Paris, London und Washington sind aufgerufen, alles zu vermeiden, was zur weiteren Zuspitzung beiträgt. Sie sind aufgefordert, ihre Parteigänger im Baltikum und in Polen, aber vor allem in Kiew zu einem Kurs des Realismus und der Vernunft zu zwingen.
(auszugsweise aus dem Artikel "Die NATO spielt mit dem Feuer" von Georg Polikeit, UZ vom 18.4.201414)

Während des Verlaufs der Genfer Ukraine-Konferenz am 17.4.2014 erklärte der russische Präsident, Wladimir Putin, in einer Pressekonferenz im Kreml, dass russische Truppen bereit seien, in der Ukraine für Recht und Ordnung zu sorgen, sollte die Gewalt nicht aufhören. Er sei dafür schon vom Rat der Russischen Föderation autorisiert worden. Er hoffe sehr, dass er nicht von diesem Recht Gebrauch machen müsse, die Armee in die Ukraine zu schicken. Er bezeichnete die östlichen Gebiete der Ukraine als "Neurussland" - den Namen trugen sie, als sie noch zum russischen Imperium gehörten... Chruschtschow habe (die Krim) aus einer Laune heraus der Ukraine geschenkt.
(Aus dem Artikel "Papierende Worte, handfeste Taten" von Wolfgang Koydl und Julian Hans, SZ vom 19.4.2014)

Der Genfer Beschluss zur Ukraine von 17.4.2014 ist ein sichtbarer Triumph der russischen Diplomatie. Die Ex-Abrupten des US-Außenministers John Kerry wurden gebremst und ausgeschlossen. Er wurde auf der Basis des Völkerrechts zur Vernunft gerufen, und die Tatsachen wurden ihm vor aller Augen der Welt ins Gesicht gesagt.

Die Gespräche zwischen dem US-amerikanischen und russischen Außenminister dauerten ungewöhnlich lang, eine Rekordzeit von fast 5 Stunden. Auf eine gemeinsame Erklärung hat niemand gewartet. Es war für alle offensichtlich, dass die starke und seriös begründete Position Russlands den US-Amerikaner völlig aus der Fassung brachte. Sergej Lawrow ließ sich nicht von der NATO-Drohkulisse beeindrucken und las seinem US-Kollegen und anwesenden US-Diplomaten nüchtern und scharf die Leviten. Russland erklärte seine Aufnahme der Krim in die Russische Föderation als einen folgerichtigen Akt des Referendums vom 16.4.2014, in dem sich die Krim-Bevölkerung für die Sezession und den Anschluss an Russland aussprach. Es geht um Entscheidungen, die nicht völkerrechtswidrig sind, weil sie nicht in das Gebiet des Völkerrechts fallen, sondern Angelegenheit des Verfassungsrechts der Ukraine sind. Das Völkerrecht hat keine Regulation über Sezession oder Anschluss.

Das juristische Gutachten darüber von dem Hamburger Professor Reinhardt Merkel ist aufschlussreich.

"Annexion" heißt im Völkerrecht die gewaltsame Aneignung von Land gegen den Willen des Staates, dem es zugehört, durch einen anderen Staat. .. Was auf der Krim stattgefunden hat, war etwas anderes: Eine Sezession, die Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit, bestätigt von einem Referendum (am 16. März), das die Abspaltung von der Ukraine billigte. Ihm folgte der Antrag auf und Beitritt zur Russischen Föderation, den Moskau annahm. Sezession, Referendum und Beitritt schließen eine Annexion aus. ... Die Feststellung reicht über das Referendum auf der Krim hinaus. Auch die Sezessionserklärung selbst verletzt keine völkerrechtliche Norm und könnte dies gar nicht. Sezessionskonflikte sind eine Angelegenheit innerstaatlichen, nicht internationalen Rechts. Diesen Status Quo des Völkerrechts hat der Internationale Gerichtshof vor vier Jahren (IGH-Resolution von 22.Juli 2010) in seinem Rechtsgutachten für die UN-Generalversammlung zur Sezession des Kosovo bestätigt. ...
(Aus dem Beitrag vom Professor Reinhardt Merkel:"Die Krim und das Völkerrecht. Kühle Ironie der Geschichte", 7.4.2014)

Die Zukunft der Ukraine ist noch offen, denn sie wird von den Ukrainern selbst bestimmt. Moskau wird keine Gas-Lieferung an die illegale Kiew-Regierung schicken, solange diese die rückständigen Zahlungen nicht leistet. Ist die EU bereit, für die Ukraine zu zahlen? Von diesen und anderen Tatsachen war auf der Genfer-Konferenz nicht die Rede. Ein Abzug russischer Truppen von der ukrainischen Ostgrenze habe man in Genf auch nicht vereinbart. Ebenso wenig gibt es russische Zugeständnisse beim Erlass ukrainischer Schulden oder beim Gaspreis. Schließlich musste Kerry öffentlich knurrend zugeben, dass der Krim-Beitritt zu Russland beschlossene Sache ist. Auch musste er akzeptieren, dass Russlands militärische Präsenz in der Nähe der Ukraine bleibt. Und der Entwaffnung aller illegalen Gruppen, nicht nur der Besetzer in der Ost-Ukraine, musste der US-Außenminister auch zustimmen. Mit schlechter Miene hat sich Kerry mit weiterer Drohung und Anmaßung getröstet, die die USA erneut als betrügerisch und schwindelnd völlig demaskiert und diskreditiert. Die SZ-Redaktion hat diesen Schwindel scharfsinnig erkannt und ihn in ihrem Untertitelseite vom 19.4.2014 an den Pranger gestellt:

"Trotz der Vereinbarung mit Russland droht US-Präsident Obama mit weiteren Sanktionen".

Russland hat politisch keineswegs wie ein "hasardierender Gangster" gehandelt, stellt der Hamburger Professor Reinhardt Merkel fest.

Russlands Regierung ist die einzige in Europa, die das Format, die solide politische Erfahrung und Entschlossenheit zeigt, sich der Zumutung und Anmaßung des Weißen Hauses wirksam und sachlich entgegenzustellen, so dass der US-Präsident Barack Obama nicht weiter als fahrlässig unvorsichtiger auf der Weltbühne auftreten sollte. Obama verliert weiter gegenüber dem seriösen standfesten verantwortungsvollen Auftritt eines europäischen Staatsmann, wie der russische Präsident, Wladimir Putin, und seines hervorragenden Außenministers Sergej Lawrow. Die US-amerikanische Bevölkerung ist dabei, den wesentlichen Unterschied zu erkennen und dem Kreml-Chef deshalb mehr Vertrauen zu schenken als ihrem eigenen Mann im Weißen Haus. New York Times stellte diesen Unterschied zugunsten des russischen Präsidenten schon im Jahr 2013 fest, als sie besonders offen darüber berichtete (11.9.2013): Die Worte von Russlands Präsident Wladimir Putin sind vollkommen wahrhaftig und nachvollziehbar. "Meinungsumfragen belegen, dass er damit die Mehrheit der US-Bürger anspricht.

“Wenn mehr Amerikaner in einer wichtigen außen- und sicherheitspolitischen Frage auf Putin als auf Obama vertrauen, kommt das einem Epochenbruch gleich“

kommentierte das die "Welt am Sonntag"
(aus dem Artikel "Umweg zum Krieg" von Arno Neuber, UZ vom 20.9.2013)
- Übersetzung: Stefan Huth, "Abgeschrieben", Junge Welt, 13.9.2013)

Die EU-Außenministerin Catherine Ashton an der Seite eines Schwindels bei ihrer hoch prekären Presseansprache ist eine Schande für sie selbst und für die EU. Sie hätte allein und getrennt vor der Öffentlichkeit würdig auftreten sollen. Keine EU-Position war durch Ashton zu erkennen, weil es keine einstimmige EU-Position gibt.

“Handfester ist die in Genf vereinbarte Verfassungsreform, die einen Total-Umbau aller politischen Strukturen des Landes vorsieht. Die Zentralregierung wird geschwächt, künftig sollen die Regionen mehr Autonomie, mehr Selbstverwaltung ... erhalten. Anregungen und Vorschläge dazu sollten aus allen Teilen der Bevölkerung eingeholt werden - fast schon Schweizer direktdemokratische Verhältnisse. Ein "breiter nationale Dialog" solle beginnen. .. So wie er sich anhörte, könnten sogar die Bayern neidisch werden angesichts des weit gefassten Föderalismus, wie er in Zukunft in der Ukraine gelten soll.

Diesbezüglich sprach zutreffend der Außenminister Russlands, Sergej Lawrow, auf seiner Pressekonferenz mehrmals pointiert von den "ukrainischen Regionen". Zu denen gehört die Halbinsel Krim nicht mehr.
(aus dem Artikel "Papierende Worte, handfeste Taten" von Wolfgang Koydl und Julian Hans, SZ vom 19.4.2014)

US-Außenminister Kerry verlor beinahe die Beherrschung. Vor der internationalen Presse blieb ihm nur ein wütendes Funkeln mit den Augen. Folgt als Revanche eine neue mediale Kampagne gegen Russland unter der Orchestrierung Washingtons? Die Nachrichten im Deutschlandfunk am Ostersonntag um 8 Uhr über angeblich verstärkte russische Spionagetätigkeit in Deutschland deuten darauf hin.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait