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3. Juli 2011 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Die Anerkennung des Staates Palästina durch eine überwältigende Mehrheit der Staaten in der UN-Vollversammlung steht bevor; die israelische Regierung versucht es zu verhindern oder zumindest herauszuzögern - Anlass für folgende Stellungnahme zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 8.6.2011, Rubrik Außenansicht:
„Wir haben vergessen, was wir einst selbst predigten“ von Avraham Burg

und vom 2.7.2011:
„Anerkennen oder nicht“ von Daniel Brössler

Der palästinensische Staat wird kommen und nichts wird ihn stoppen.

Vollkommenes Scheitern des US-Präsidenten gegenüber einem extremistischen Israeli

Anstatt der von Obama versprochenen Abrüstung sieht die Welt einen ständigen ununterbrochenen Drang zur Aufrüstung. Anstatt einer Lösung des Nahost-Konflikt das vollkommene Scheitern des US-Präsidenten gegenüber einem extremistischen Israeli, „ein naives, abwesendes Amerika, das politischer Sturheit applaudierte und blind war für die beleidigenden Gesten des Gastes ... die Vertreter der Vereinigten Staaten verbeugten sich vor der einzigen Demokratie, welche noch eine andere Nation unterdrückt – dies schon seit fast einem halben Jahrhundert ... Haben wir Zeit für weitere Jahrzehnte der Verhandlungen? ... Netanjahu wird sicherlich weiterhin über den Frieden sprechen und gleichzeitig die Kontrolle der besetzten Gebieten beibehalten. Aber jeder, der sehen kann, stellt fest, dass wirkliche Friedensverhandlungen ... unmöglich sind.“ So der ehemaliger Sprecher des israelischen Parlaments Avraham Burg in seinem wertvollen zutreffenden Beitrag für die SZ. ( „Wir haben vergessen, was wir einst selbst predigten“, 8.5.2011)

Geplanter perfider Trick, um das legitime Ausüben des Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser zu annullieren

Die Kanzlerin sollte sich nicht für eine faule Strategie hergeben, (Verhandlungen Palästina-Israel als Bedingung für die Anerkennung des Staates Palästina), die das legitime Ausüben des Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser zu annullieren versuchen wird. Der US-Präsident spielt damit ein falsches Spiel und entspricht zionistischer Einflussnahme. Sollen deutsche Medien das miese israelische Spiel mitspielen? Die deutsche Kanzlerin vertritt keine konsistente, keine realistische, keine glaubwürdige Nahost-Politik. Die Zäsur mit einer soliden Nahost-Politik brachte gerade die CDU, als Helmut Kohl an die Macht kam. Ist man in deutschen Parteien wirklich so naiv und gedankenlos zu glauben, die Regierung Netanjahu lässt sich durch Worte zu Schritten bewegen, die Besatzung zu beenden? Nicht einmal die illegalen Siedlungen hat die israelische Regierung gestoppt trotz der vielen Mahnungen des Weißen Hauses und des Bundeskanzleramtes. In diesem Zusammenhang ist auch der Vorschlag einer KSZE-ähnlichen Konferenz für den Nahen Osten an den Haaren herbeigezogen. Die Verhältnisse im Nahen Osten sind ganz andere als die Verhältnisse der Ost-West-Blockkonfrontation. Eine solche Konferenz wäre nicht nur unangebracht, sondern würde zum weiteren Ablenkungsmanöver, damit sich Israel nicht den Forderungen der Mehrheit der Weltstaatengemeinschaft stellen muss: Existenz Israels in den Grenzen von 1967, die Besatzung aufgeben und den Staat Palästina anerkennen.

Nahostpapier der Außenminister der Europäischen Gemeinschaft 1971, Grundlage für eine Nahost-Politik.

Die Position vom deutschen Außenminister Walter Scheel (1969-1974) gewinnt heute besonders an Aktualität und Aufmerksamkeit. Im Mai 1971 verabschiedete die Europäische Politische Zusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft ein Nahostpapier, in dem Israel unter anderem aufgefordert wurde, alle 1967 eroberten Gebiete zu räumen. Bei seinem Besuch in Israel rechtfertigte der deutsche Außenminister Walter Scheel das von den Außenministern der Europäischen Gemeinschaft (EG) verabschiedete Nahostpapier der EPZ (Europäische Politische Zusammenarbeit).

Am Ende des Jom-Kippur Krieges vom 23.10.1973 teilte die Bundesregierung den USA mit, sie werde "die Verschiffung amerikanischen Kriegsmaterials von deutschen Häfen nach Israel nicht mehr genehmigen".

Erster EG-Staat, der das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser in der UNO-Vollversammlung anerkennt (November 1974).

Die Bundesrepublik Deutschland sprach sich als erster EG-Staat vor der UNO-Vollversammlung im November 1974 für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser aus. Die zuverlässige und preisgünstige Öleinfuhr sowie die Sicherung von nahöstlichen, d.h. arabischen Exportmärkten wurde eines der wichtigsten außenpolitischen Ziele der Bundesregierung. Im Rahmen dieser "Ökonomisierung" der Bonner Außenpolitik kam es zwangsläufig zu weiteren Meinungsverschiedenheiten mit Israel.

Als erster amtierender israelischer Ministerpräsident besuchte Ytzak Rabin die Bundesrepublik Deutschland im Juli 1975. Ein Gegenbesuch vom Kanzler Helmut Schmidt fand aber nie statt, weil 1977 die sozialdemokratisch geführte Regierung Israels durch das rechtsextreme Likud Begins abgelöst wurde, und Helmut Schmidt einem Treffen mit Menachem Begin auswich. So wie damals Kanzler Helmut Schmidt wären heute alle deutschen Politiker gut beraten, alle Reisen nach Israel einzustellen, solange die rechtsextreme Regierung Netanjahu den Friedensprozess durch eine unzulässige illegale Besatzungs- und Siedlungspolitik torpediert. Besonders unerklärlich beschämend war der Besuch des SPD-Vizekanzlers und Außenministers Walter Steinmeier mitten im Angriffskrieg Israels auf Gaza (Januar 2009). Die Aggression wäre Grund genug gewesen, einem Treffen mit dem Rechtsextremisten Netanjahu auszuweichen. Aber die heutige SPD-Führung manifestiert keine Prinzipien. Sie weiß nicht, wofür sie steht.

Sichtbare Zäsur und Appeasement-Politik gegenüber Israel seit der Regierung Kohl.

Nach der Regierung von Helmut Schmidt kam die CDU-Regierung von Helmut Kohl. Damit wurde in Bezug auf eine seriöse solide Nahost-Politik eine Zäsur sichtbar. Es zeigte sich nun eine Appeasement-Politik gegenüber Israel. Warum ist die gut bedachte Linie von Helmut Schmidt nicht weiter geführt worden? Einer der nahe liegenden Gründe sind die alten Nazi-Größen in der früheren CDU wie in der früheren FDP und damit die Erpressbarkeit dieser Parteien. Aus der Zeit von Helmut Kohl stammt der tradierte Unfug, jedes Mal von „Staatsräson“ der Bundesrepublik Deutschland zu sprechen, wenn es um eine Angelegenheit Israels geht. Solcher Unsinn muss aufhören. Er gibt Deutschland der internationalen Lächerlichkeit preis.

Der Außenminister Guido Westerwelle sollte sich jetzt in der EU für die palästinensische Sache positionieren und somit an die Nahost-Politik von seinem vorbildlichen Vorgänger Walter Scheel anknüpfen. Zusammen mit seinen europäischen Kollegen muss der deutsche Außenminister und Vize-Kanzler Guido Westerwelle Israel unter harten Druck setzen. Das ist die einzige Sprache, die eine sture Regierung versteht.

Der Fluss der Geschichte geht voran, nicht zurück.

Faule Verhandlungen bringen nichts. Nach Jahren des israelischen Starrsinns und dem Gewähren lassen, ist es ersichtlich, dass die alten Vereinigten Staaten den neuen Nahen Osten verloren haben, wie Avraham Burg richtig und realistisch erkennt: „Hier ist der Wind des Wandels zu spüren, der durch den Nahen Osten bläst.“ (SZ 8.6.2011: „Wir haben vergessen, was wir einst selbst predigten“ von Avraham Burg). Die Palästinenser und die ganze Welt haben genug von den wiederholten leeren amerikanisch-israelischen Shows. Natürlich will Netanjahu die Öffentlichkeit Richtung „Verhandlungen“ umlenken. Natürlich wird er „Verhandlungen“ zustimmen, um die Anerkennung des palästinensischen Staates zu torpedieren. Und eine offiziöse Öffentlichkeit wird mit einem großen Applaus, den israelischen „Verhandlungswillen“ als Tür zum Frieden im Nahen Osten verkaufen. Aus allen den bedeutungslosen Gesprächsrunden mit israelischen Regierungen folgte tiefe Enttäuschung. Die Staatenmehrheit wird sich aber durch keinen perfiden Trick beirren lassen. Erst recht nicht die Palästinenser. „Was haben die Palästinenser gesehen? Was haben die jungen Menschen in unseren arabischen Nachbarstaaten gesehen? Vor allem einen Staat Israel, der weiterhin die Welt mit einem Trugbild von Verhandlungswillen narrt...“ (SZ 8.6.2011: „Wir haben vergessen, was wir einst selbst predigten“ von Avraham Burg).

Der palästinensische Staat wird kommen und nichts wird ihn stoppen. Die Angst vor der Anerkennung Palästinas wirkt wie „der Todeskampf einer politischen Konzeption, deren Zeit vorüber ist. Was ist daran einseitig, wenn ein Volk direkt an die Nationen der Welt appelliert, es anzuerkennen? Gibt es einen würdigeren Weg, politische Unabhängigkeit zu erreichen? Ja, es wird einen Palästinenserstaat geben.“ (Avraham Burg in SZ-Rubrik Außenansicht: „Wir haben vergessen, was wir einst selbst predigten“ vom 8.5.2011)

Wie kann die Kanzlerin den expansionistisch-zionistischen Kolonialismus rechtfertigen und die völkerrechtswidrige Politik Israels, die einen Palästina-Staat verhindern will?

Bekannte hohe Persönlichkeiten Israels haben in einem offenen Brief die Europäer dazu aufgerufen, bei der kommenden UNO-Vollversammlung im September für die uneingeschränkte Anerkennung Palästinas als ein unabhängiger souveräner Staat und UNO-Mitglied zu stimmen (27.5.2011). Vor dieser Realität zittert die Netanjahu-Regierung und versucht mit allen Mitteln, sie zu verhindern. Aber die Geschichte lässt sich nicht aufhalten. Der Fluss der Geschichte geht voran, nicht zurück. Kein Staat darf sich gegen den Willen der Menschheit stellen. Bei der UNO-Vollversammlung im September genügt eine Zwei-Drittel Mehrheit, um einen unabhängigen souveränen Staat Palästina in die Weltorganisation aufzunehmen und damit seine völkerrechtliche Existenz anzuerkennen. Die Machthaber Israels und ihre Unterstützer in den USA befürchten eine breite Unterstützung von arabischen, afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Staaten. Damit ist tatsächlich die erforderliche Mehrheit sicher. Auch die Zustimmung einiger europäischen Staaten kommt dazu, mit der Ausnahme von Deutschland. Somit ist ein entsprechender Beschluss mit überwältigender Mehrheit der Weltstaatengemeinschaft absolut sicher. Berlin bleibt isoliert an der Seite des Verlierers mit seinem deplatzierten Solo-Aufruf nach „Verhandlungen“. Die Zeit dazu ist vorbei. Der Kurs der Geschichte geht nicht zurück. Die Palästinenser handeln nicht einseitig, denn sie bringen die Anerkennung Palästinas als Staat voran, und zwar in voller Zustimmung mit dem Willen der ganzen Welt. Ganz im Gegenteil ist der Staat Israels einseitig entstanden, als sich die UN damals (1948) weiter mit der Sache Palästina beschäftigen wollte.

Gründung Israels gegen den Willen der Weltstaatengemeinschaft

Besorgniserregend kam Israel den USA in die Quere und setzt sich seit seiner Gründung über den Willen der Weltstaatengemeinschaft: Ende April, Anfang Mai 1948 drängen die Vereinten Nationen auf eine Verschiebung der Unabhängigkeitserklärung der Juden in Palästina. Die zionistische Führung setzt sich aber durch und Israel wurde als unabhängiger und souveräner Staat am 14. Mai 1948 ausgerufen trotz der speziellen Demarche der UN, die Unabhängigkeitserklärung zu verschieben.

Zu beachten ist, dass Israel gerade dann gegründet wird, als die Vollversammlung der Vereinten Nationen nach ausdrücklichem Wunsch der USA sich weiter mit dem Problem Palästina befassen sollte, denn Washington revidierte seine Position und erklärte sich gegen die Teilung (30.3.1948), als es offensichtlich war, dass sie einen Bürgerkrieg in Palästina hervorbringen würde, was dann auch eintraf. Amerikanische und britische Delegationen in Jerusalem erlitten sogar Terrorattentate seitens extremistischer zionistischer Banden.

Israel hat seine Zeit verspielt und muss die Konsequenzen dafür tragen. Besonders töricht wäre, wenn Deutschland sich an der verlorenen Seite der USA gegen den Willen der Staatenmehrheit positionieren würde. Europa darf nicht weiter einschwenken in die fehlgeleitete Nahost-Politik Washingtons, die sich vollkommen geirrt hat und weiter irrt, solange sie Priorität dem israelischen Verbündeten einräumt. Dieses weitere Nachgeben würde definitiv die Hoffnung für eine Beilegung des Konfliktes begraben und dabei auch die Glaubwürdigkeit der USA und ihres Präsidenten. Der US-Präsident bekräftigt, dass er die israelische Expansions- und Besatzungspolitik grundsätzlich ablehnt. Doch hat er keine politische Entschlossenheit aufgebracht, seinem Standpunkt gerecht zu werden.

Desaströser Auftritt vor dem US-Kongress in Washington

Der desaströse Auftritt des israelischen Regierungschef Netanjahu vor dem US-amerikanischen Kongress (24.5.2011) hat erreicht, die Autorität des US-Präsidenten erneut zu unterminieren. Eine Friedensregelung nach den Grenzen von 1967 komme nicht in Frage, erklärte Netanjahu unverschämt. Die besetzten Gebiete Palästinas seien für ihn kein Thema. Die gegenwärtige Führung Israels demonstriert keinen Friedenswillen, keinen Sinn für Gerechtigkeit, keine Einhaltung der internationalen Regeln und Verträge.

Solange die Abnormität der israelischen Besatzung weiter besteht, wird es keinen Friedensprozess im Nahen Osten geben. Die gleiche Situation, die gleichen Probleme verlangen heute eine entscheidende Lösung. Der neue israelische Ministerpräsident ist nicht nur ein militärischer Hardliner, sondern auch ein politischer Gegner eines jeden Friedensprozesses im Nahen Osten. Deshalb ist das Misstrauen der Palästinenser völlig begründet und ihre Entscheidung, keine Verhandlungen mit Israel aufzunehmen, absolut zu begreifen, solange ein sturer starrsinniger Kontrahenten die Regelung blockiert und auf Spaltungsmanöver setzt.

Ein berechtigtes Anliegen für die UN-Vollversammlung und die Weltöffentlichkeit

Schließlich ist mit allen Konsequenzen zu bedenken: Israel wurde als Mitglied in den Vereinten Nationen (11.5.1949) lediglich unter einer Bedingung zugelassen, die bis heute nicht erfüllt worden ist: Den vertriebenen Palästinensern haben ihre Eigentümer nicht zurückbekommen und wurden auch nicht entschädigt. Ihnen ist auch nicht erlaubt, nach Palästina zurückzukehren. Die Vereinten Nationen bestätigten in wiederholten Resolutionen den fairen Standpunkt und Rechte der Palästinenser auf ihre Eigentümer, auf Schadensersatz und auf ihre Rückkehr nach Palästina. Die Weigerung Israels führte zu einem vollständigen Impasse. Die Hälfte der Palästinenser wurde zu Flüchtlingen. Unsicherheit für alle Bewohner war die unmittelbare Folge. Bleiben die UN-Bedingungen unerfüllt, ist der Ausschluss Israels aus den Vereinten Nationen völkerrechtlich völlig begründet und ein berechtigtes Anliegen für die UN-Vollversammlung und die Weltöffentlichkeit.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait