Menü

1. November 2011 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Kriegsverbrechen gehören untersucht und vor Gericht, erst Recht wenn sie heute von europäischen Regierungs- und Staatsoberhäuptern angeordnet und verübt werden, Anlass zu folgender Stellungnahme zum

Kommentar in Süddeutsche Zeitung vom 28.10.2011:
„Vorbild Argentinien“ von pb

Aktuelle Lehre aus dem Vorbild Argentinien für Europa

Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit setzen seit den Nürnberger Prozessen internationale Standards, wie zutreffend der Kommentator „pb“ in der Süddeutschen Zeitung vom 28.10.2011 „Vorbild Argentinien“ hervorhebt. Wie reagiert darauf ein angeblich zivilisiertes Europa? Hat Europa die an seinen Schalthebeln der Macht tätigen Verbrecher vor Gericht gebracht? Will Europa es weiterhin als normal ansehen, dass ein angebliches Verteidigungsbündnis monatelangen Terror gegen souveräne Staaten ausübt, wie erst wieder kürzlich gegen das kleine nordafrikanische Land Libyen? Das ganze Menschenrechts- und Demokratiegefasel zum „Schutz der Zivilbevölkerung“, dem bis heute mindestens 60.000 Menschen zum Opfer fielen, darf keineswegs weiter die NATO-Verbrechen verstellen und unbestraft lassen.

Es ist allgemein bekannt, wie beschämend die deutsche Justiz gegenüber Nazi-Verbrechern damals handelte. Sie wollte sie schonen und hat es deshalb bis in die siebziger Jahren verzögert, gegen sie tätig zu werden. Dieses blamable Vorgehen darf sich nicht gegenüber den aktuellen Verbrechern gegen die Menschlichkeit wiederholen, die in den vordersten Rängen der Macht Europas sitzen.

Jede Staatsanwaltschaft in Europa ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Mord an Zivilisten in Libyen untersucht und entsprechende Anklagen gegen die Verbrecher erhoben werden. Solche Verbrechen sind die direkte Folge der zahlreichen Bombardements, angeordnet von Herren Nicolas Sarkozy, David Cameron, und Barack Obama und dann von Rasmussen und anderen verantwortlichen Individuen innerhalb der NATO mit Sitz in Brüssel in flagranten Verstoß gegen deutsche und UN-Normen, die solche Angriffe untersagen. Konkret bekannt unter vielen anderen ist der Mord am Bruder von Aischa Gaddafi und seinen Kindern, was schon eine Anzeige in Belgien zur Folge hatte und das Einreichen einer Klage der 29-jährigen jungen Frau bei einem belgischen Gericht Ende Juni.

Hoch aktuell ist heute die erweiterte Anklage der Familie Gaddafi wegen des Mordes an Muammar Gaddafi und einem anderen seiner Söhne (Meldung von 28.10.2011), sowie wegen Grausamkeiten in Libyen, dortiger Ermordung und Vertreibung von 10.000 Menschen. Der absichtliche Mordanschlag ist nach den Statuten des Strafgerichtshof ein Kriegsverbrechen. All das hat die „humanitäre“ Intervention der NATO erst ermöglicht. Der Übergangsrat handelte lediglich als ihr Werkzeug, als ihr Handlanger, aber der wahre Mörder ist die NATO als Initiator, als Fabrik des Verbrechens. Sie hat den Übergangsrat angestiftet, Mord zu begehen. Der Rat hat nur gemacht, was ihm von der NATO gesagt wurde. Eine Frage der Ehre?

Der Tatbestand des vorsätzlichen und heimtückischen Mordes in mehrfachen Fällen ergibt sich umso gravierender, da die NATO und der Vorsitzende des libyschen Übergangsrates es ablehnten, eine politische Lösung durch Dialog zu akzeptieren, wie es schon von der Afrikanischen Union vorgeschlagen und von der Gaddafi-Regierung in Libyen akzeptiert worden war. Auf weitere mörderische Bombenanschläge gesetzt zu haben, bedeutete die Selbstinkrimination der NATO, weiteres Menschenleben zu opfern, wofür sich die Amtsträger innerhalb der NATO und des libyschen Übergangsrates zu verantworten haben, denn sie waren diejenigen, die sich sperrten, einen Ausweg aus der Gewalt zu ermöglichen und nahmen somit weiteres Blutvergießen und Mord in Kauf.

Der Tatbestand Mord ergibt sich aus niedrigsten Beweggründen, wie Raub darstellt. Es ging um Raub der Ressourcen von Libyen. Dazu wurde gegen UN-Vorschriften verstoßen, die UN missbraucht und die UN-Resolution zu Libyen schändlich umgedeutet, verdreht. Die UN-Resolution 1973 vom 17.3.2011 forderte auch einen Waffenstillstand. Eine Ermächtigung zum „Regime Change“ oder zur Tötung Gaddafis enthielt sie nicht. Vielfältige Angebote zum Waffenstillstand, für Verhandlungen und Vermittlungen wurden von den Rebellen und der NATO entweder ignoriert oder abgewiesen. Es ging ihnen nicht um ein Ende der Kämpfe und des Blutvergießens. Ihr Ziel lautete: „Regime Change“, Beseitigung des für sie hinderliches Gaddafi-Systems. Was aus Libyen wird, dem einst fortschrittlichsten afrikanischen Staat, in dem etwa 150 Stämme nach der Vorherrschaft streben, ist für solche Verbrecher-Bande völlig gleichgültig. Hauptsache: Die Ölvorkommen sind den westlichen Räuber-Aggressoren sicher.

Einem solchen kaltblütigen Raub stand der Oberst Muammar Gaddafi immer im Wege. Deshalb waren die Aggressoren motiviert, ihn zu töten.

Das Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen ist der Grundsatz der UN-Charta, um den Weltfrieden zu schützen. Die territoriale Integrität und Souveränität von allen Ländern - auch die Souveränität und Integrität der afrikanischen Länder - sind zu wahren. Das Völkerrecht zu missachten und die Gründungsidee der Vereinten Nationen, den Krieg zu verhindern, durch neue Kriege in das Gegenteil zu verkehren, sind gravierende Attentate gegen den Frieden und die Stabilität der Welt.

Der NATO-Krieg gegen Libyen ist ein neuer flagranter Bruch des Völkerrechts und des deutschen Grundgesetzes. Dieser Kriminalität zweier oder dreier Industriestaaten muss sich die deutsche und die europäische Justiz stellen und alle Mechanismen in Gang setzen, um sie zu stoppen und die Aggressoren nach der strafrechtlichen Ordnung zu bestrafen, damit sich ein solches kriminelle Vorgehen nie mehr wiederholt.

Vom Dritten Reich haben die heutigen Aggressoren eine verhängnisvolle pervertierte rechtswidrige Praxis gelernt. Da es sich an kein Recht hielt, schaffte das Dritte Reich alle Gesetze, die ihm nicht passten, ab und gab sich neue Gesetze, die eklatant rechtswidrig waren. In den letzten Jahrzehnten hat sich der freie Fall der NATO-Staaten ins Unrecht verschärft: Infolgedessen die Versuche hierzulande, zuerst das Grundgesetz zu demontieren, um Angriffskriege durchführen zu können. So der Angriffskrieg gegen Belgrad (1999), die Beihilfe für die Angriffe gegen den Irak, die militärische Intervention in Afghanistan 2001 und letztendlich die seit dem 19.3.2011 andauernde Bombardierung Libyens bis zum 20.10.2011 mit dem unglaublichen Vorwand, Menschenleben zu schützen, indem man sie mit Bomben vernichtet!

Die Demontage des Rechts erfolgt heute auch auf internationaler Ebene und zwar durch Mitglieder im UN-Sicherheitsgremium. Damit ist die Gefahr des offenen hässlichen Faschismus wieder zu erkennen mit allen seinen verhängnisvollen Konsequenzen wie Krieg, Massenmord und Aggressionen weltweit. Die verheerenden Symptome sind zahlreich, bedrohlich und eindeutig genug. Die Justiz muss dieser enormen Gefahr entgegentreten, selbst wenn die Politik und die Öffentlichkeit dazu versagen.

Gegen das Dritte Reich gab es Widerstand in allen europäischen Ländern, sogar in Deutschland. Gegen den gegenwärtigen Faschismus, nämlich der offenkundigen Rechts- und Gesetzlosigkeit auf höchster Ebene, und zwar im UN-Sicherheitsrat und in der NATO, muss jetzt die Weltstaatengemeinschaft allgemeinen wirksamen Widerstand leisten. Die gerichtlichen Institutionen sind auch dazu da, um unsere Rechtsordnung mit aller Kraft des Gesetzes gelten zu lassen. Eine Öffentlichkeit und Parlamentarier, die sich an das Recht und Gesetz halten, sollten den Anstoß geben, damit dieser legalen gerichtlichen Pflicht nachgekommen und die Justiz tätig wird, wie es sich in einem funktionierenden demokratischen Rechtsstaat gehört. Gemäß Art. 25 des deutschen Grundgesetzes sind alle internationalen Regeln Teil des föderalen Rechts.

Die Urteile der Nürnberger und der Tokioer Tribunale erbrachten neue Prinzipien über die persönliche Verantwortung wegen Kriegsverbrechen. Daraus entstanden neue strafrechtliche Tatbestände im Strafgesetzbuch, also neue Delikte. Darauf müssen eine rechtsstaatliche Öffentlichkeit, Richter und offizielle strafrechtliche Institutionen achten, vor allem deshalb, weil manche Politiker und ihre Berater peinlich gegenüber Recht und Gesetz entgleisen.

Eine gefährliche Ära ist in Europa angebrochen, die ungesetzliches Tun und Rechtlosigkeit alltäglich werden lässt. Das erscheint ohne öffentlichen Widerstand möglich. Grund sind der herrschende Materialismus und die Gottlosigkeit in den westlichen Industriestaaten. Für eine Bevölkerung und eine Elite, die nicht an Gott glaubt, sondern nur an den eigenen materiellen Vorteil, ist alles erlaubt, sogar ein Verbrechen. Es ist nicht nötig, die gottlose Zeit des Dritten Reichs in Erinnerung zu bringen. Es genügt, die aktuellen frischen Verbrechen Europas zur Kenntnis zu nehmen. Sie verlangen, bestraft zu werden. Verbrecher müssen vor Gericht. Ohne Strafe gibt es keine Umkehr, keinen Wandel, keine Korrektur des kriminellen Verhaltens und ohne dem gibt es keinen Neuanfang, den Europa bitter nötig hat.

Die Mörder-Bande gegen Libyen unter Führung Frankreichs, Großbritanniens und der USA führt einen Aggressions- und Interventionskrieg gegen das afrikanische Land seit dem 19. März 2011. Diese Aggression verhinderte ein Ende des libyschen Bürgerkriegs, denn alle Vorschläge für einen Waffenstillstand wurden von den Kriegsherren boykottiert. Hinter den Rebellen, die sie bewaffnet hatten, setzen die zwei europäischen Kriegsherren auf die militärische Lösung, um einen Regimewechsel in Tripolis zu ihren Gunsten willkürlich zu erzwingen. Ohne Rücksicht auf das Völkerrecht, denn die UN-Charta erlaubt kein Regimewechsel durch fremde Gewalt.

Die Demokratiebewegung in Libyen, wenn es sie je gab, wurde durch die brutale Gewalt und Intervention des Westens niedergeschlagen und völlig diskreditiert. Anfangs hatten sich die Aufständischen aufrichtig gegen die ausländische Einmischung gestellt. Aber durch den ständigen Druck der westlichen Angreifer und Kriegsherren haben sie ihre ablehnende Haltung aufgegeben und sich den Machthabern des Westens gebeugt.

Die Absurdität eines Eingreifens aus humanitären Gründen führt zur größten Diskrepanz zwischen diesem Unsinn und der Realität. Durch den Eingriff der NATO wurde der Bürgerkrieg künstlich verlängert und das Leid des libyschen Volkes somit vergrößert.

Die deutsche Öffentlichkeit beschäftigte sich nicht mit den eigennützigen Interessen der Hauptinterventionsmächte: Es geht um den direkten Zugriff ihrer großen Konzerne auf libysches Öl, Erdgas und andere Ressourcen. Eine neue, von den Interventionsmächten abhängige Staatsmacht würde eine ungehemmte Ausbeutung der libyschen Bodenschätze durch ausländische Investoren zulassen. Darüber hinaus sind seit langem existierende geopolitische Strategieziele ein maßgebliches Motiv hinter der gewaltsamen Intervention.

Die Proteste entstanden gerade im Osten Libyens, genau dort, wo das Öl ist. Nicht in Tripolis. Die Rebellion hatte keine Unterstützung in der Hauptstadt. Auch heute. Deswegen sitzen die Rebellen in Bengasi, nicht in Tripolis. Von Anfang an waren diese Proteste bewaffnet, nicht friedlich. Das nährt die Vermutung von einem gezielten Plan, Kontrolle über das Land zu bekommen. Aber dazu sind die Vereinten Nationen nicht geschaffen. Grotesk wäre Mord um Raub, Krieg um Raub durch die Vereinten Nationen zu legitimieren. Mord um Raub ist in jeder strafrechtlichen Ordnung als tückischer Mord mit der höchsten Strafe belegt, auch in den USA, dort mit der Todesstrafe.

Die Erfahrung im Irak zeigt, dass der Umsturz eines Regimes unter solchen Umständen keineswegs das Ende des Krieges bedeutet. Die Hunderttausende Libyer, die Gaddafi unterstützten, werden sicherlich die Autorität einer dubiosen neuen Regierung, die unter mörderischen gewaltsamen Umständen von außen aufgezwungen wurde, nicht akzeptieren. Die bestialische NATO-Intervention und eine solche „Regierung“, die sich auf diese Intervention stützt, schafft tiefe Gräben innerhalb der libyschen Gesellschaft. Die libysche Bevölkerung muss zuerst politische Verhältnisse schaffen, in denen die direkten Diener westlicher Interessen völlig verschwinden.

Der Beifall führender Vertreter der UNO und der NATO für die Ermordung Gaddafis ist ein weiteres Indiz ihres verdorbenen Zustandes. Entsprechend der Römischen Statuten des Internationalen Strafgerichtshofes hat es sich bei der Ermordung Gaddafis um ein Kriegsverbrechen gehandelt. Die Verantwortlichen dafür müssen angeklagt werden. Das ist die aktuelle Lehre aus dem Vorbild Argentinien für Europa!

Ein weiteres umfassendes Vorbild für eine funktionierende Justiz bekommt Europa mit dem Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (CIDH) vom vergangenen März, demgemäß lateinamerikanische Länder aufgefordert worden sind, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die dafür Verantwortlichen zu verurteilen. Ein ähnliches Urteil vom Europäischen Gerichtshof ist dringend erforderlich, damit die Straflosigkeit gegenüber Kriegsverbrechern und Verbrechern gegen die Menschlichkeit nicht noch einmal im Westen bestehen kann: Keiner der Staatsverbrecher sollte davon ausgehen, dass er mit Massenmord, Kriegsverbrechen und gezielten Mordanschlägen davonkommen kann.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait