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6. September 2017 - Ha'aretz, Amira Hass:

Verurteilungen der israelischen Besatung sind nicht genug

Europäer, eure Beschuldigungen sieht Israel als Nebensache ohne Dringlichkeit an.
Ihr müsst schmerzhafte Sanktionen einführen 

Holland, Belgien und Frankreich: Es genügt nicht, nur mit Worten die israelische Zerstörungspolitik zu verurteilen, mit euren Steuergeldern finanzierte Einrichtungen und Gebäude wurden zerstört. Dass ihr darüber verärgert seid, ist gut, aber das Tempo, in dem eure Wut darüber steigt, bleibt weit zurück hinter dem rasanten und gefährlichen Tempo der Bulldozer der Zivilverwaltung in der Westbank und der Verteidigungskräfte der Siedlungen.
Die Verurteilungen werden als Nebensache ohne Dringlichkeit angesehen. Ihr müsst konkrete Maßnahmen ergreifen. Ja, offene und erklärte Sanktionen, die verschärft werden könnten. Schmerzhafte Sanktionen. Dies könnte die letzte Chance sein, den Durchschnitts-Israeli, darunter Geschäftsleute, Touristen, Richter, Wissenschaftler, Farmer und ausländische Fußballkonsumenten aus ihrer Gleichgültigkeit und verbrecherischen Selbstgefälligkeit loszulösen.Hört auf, euch vor der israelischen emotionalen Erpressung zu fürchten. Israel tauscht die Erinnerung an unsere in Europa ermordeten Familien ein, um die Vertreibung der Palästinenser aus dem größten Teil des Westbank-Gebietes in Enklaven der Palästinensischen Autorität zu beschleunigen. Das ist die Absicht hinter all den Zerstörungen und Beschlagnahmungen sowie Bauverboten und Verboten der Herdenhaltung und Feldbewässerung. Wer auch immer diese geringe sukzessive Vertreibung plant und umsetzt, denkt bereits an die große Vertreibung, und zwar nach Jordanien. Und was werdet ihr dann tun? Verurteilungen aussprechen und den Vertriebenen Wassertanks und Zelte senden?
Am 24. August veröffentlichten der belgische Außenminister, Didier Reynders, und der Vizepremierminister und Minister für Entwicklungszusammenarbeit, Alexander De Croo, eine offizielle Verurteilung der Beschlagnahmung der Trailer, die für die 1. bis 4. Klasse im palästinensischen Dorf Jubbet Adhdhib eingesetzt werden, sowie der Konfiszierung der Solarkollektoren für die Schule im Beduinencamp von Abu Nuwwar.
Die Belgier wiesen darauf hin, dass sie zu jenen gehören, die diese Einrichtungen finanziert hatten. „(Belgien) wird weiterhin mit seinen Partnern wie in der Vergangenheit gemeinsam alles unternehmen, um die israelischen Behörden aufzufordern, diese Zerstörungen einzustellen“, besagt die Stellungnahme des Außenministeriums.
Einer der Partner sind die Niederlande, deren Parlament der Diskussion über die israelische Zerstörung Zeit gewidmet hat, und zwar mehr Zeit als die Knesset. Hier ist, was holländische Kabinettminister den holländischen Parlamentsmitgliedern letzten Monat über die Konfiszierung von Solarkollektoren in Jubbet Adh-Dhib im Juni berichteten: Premierminister Benjamin Netanyahu versprach in einem Brief, die Solarkollektoren an Holland zurückzusenden. (Der Sprecher des Premierministerbüros hat den Bericht weder bestätigt, noch verneint).
Nach der Konfiszierung wurde das Dorf mit nur zwei Stunden Elektrizität pro Tag bestraft, die durch einen Generator erzeugt wurde. In den letzten 20 Jahren unterbreitete das Dorf der Zivilverwaltung mindestens vier Anträge, um an das elektrische Netz angeschlossen zu werden, alle wurden abgelehnt. Die Erfahrung lehrt, dass Israel keine Baugenehmigungen im Gebiet C (das 60 Prozent der Westbank ausmacht) erteilt oder kaum je erteilen wird. Der holländische Versuch, eine Erlaubnis von der Zivilverwaltung für ein Projekt, einen Testfall,  zu erhalten, brachte kein positives Ergebnis. Als Besatzungsmacht ist es Israel verboten, Eigentum zu zerstören und zu beschlagnahmen - außer zwangsläufig in Kriegszeiten.
Frankreich gab ebenfalls stolz bekannt, es sei Partner bei dem humanitären Aufbau im Gebiet C und in Abu Nuwwar. Auch Frankreich verurteilte die letzten Zerstörungen und forderte, dass die konfiszierten Kollektoren zurückgesandt werden. Innerhalb von sechs Monaten zerstörte Israel 259 palästinensische Strukturen in der Westbank und Ostjerusalem, konstatiert die französische Verurteilung. In derselben Zeit genehmigte die israelische Regierung den Bau von über 10.000 Wohneinheiten in den Siedlungen – dreimal mehr als im gesamten letzten Jahr.
Deshalb sind die Zerstörung in den palästinensischen Gemeinden, die Evakuierung der Shamasneh aus ihrem Haus in Jerusalem und die Pläne von Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, Sussia und Khan al-Akhmar zu zerstören, die Kehrseite der Medaille des Siedlungsbaus.
Auf diese Art und Weise führt Israel eine schrittweise Vertreibung durch. Ohne Sanktionen kann es tief durchatmen und ist sein Vertrauen in seine Fähigkeit, den Plan umzusetzen, ungebrochen. Wer weiß besser als ihr – und besonders euer Nachbar, Deutschland, wohin Pläne einer begrenzten Vertreibung führen und was für eine kriminelle Denkweise sie in der Gesellschaft erzeugen, die diese plant?

(Aus dem Englischen übersetzt von Inga Gelsdorf)

[ Englisches Original (gegen Bezahlung) ]