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14. August 2017 - Ha'aretz, Amira Hass:

„Israel verzögert die Genehmigung für die Hälfte der Gazaner, die den Gazastreifen zu medizinischer Versorgung verlassen wollen“, sagt die WHO.

All jene, die sich um diese Genehmigung bemühen, sind Patienten, denen die Palästinenser die Ausreise erlaubt und zu deren Kostenübernahme sie sich verpflichtet haben. 

Die Weltgesundheitsorganisation hat aufgedeckt, dass Israel etwa die Hälfte  (der Anträge der Patienten)verzögert hat, die im Mai aufgrund von Behandlungen in israelischen Kliniken den Gazastreifen verlassen wollten; ähnlich war die Statistik der Monate zuvor.

 Die Untersuchung der WHO ergab, dass von den 2.282 der „ Coordination and Liaison Administration to the Gaza Strip“  (Koordination und Verbindungsverwaltung für den Gazastreifen) im Mai übermittelten Anträge nur 47,2 Prozent bewilligt wurden. 2,1 Prozent wurden abgelehnt, während 50,7 Prozent ohne Begründung zurückgehalten wurden, sodass die Patienten ihre Untersuchungs- und Behandlungstermine verpassten. Oft sind es Menschen, die davor  Ausreisegenehmigungen zur Behandlung erhalten hatten.

 Unter den Anträgen im Mai, bei denen die Antworten hinausgezögert wurde, waren die für 255 Kinder und Jugendliche unter 18 und 141 Über-60-Jährige; im April waren es 39 Prozent der Antworten. Laut dem Al Mazan-Zentrum für Menschenrechte in Gaza starben im ersten Halbjahr von 2017 während ihrer extrem langen Wartezeit für die Ausreisegenehmigungen: vier Frauen, drei Kinder und zwei Männer. Allen Patienten, die über das CLA-Büro die Ausreise über den Erez-Übergang beantragt haben, wurde von den Palästinensern die Ausreise aus Gaza erlaubt, die sich auch zur Übernahme der Kosten verpflichtet haben.

 Oft bitten Patienten Menschenrechtsgruppen, wie Al-Mezan, um Hilfe, wenn ihr Versuch, das palästinensische Koordinationskomitee zur Vermittlung zu bewegen, scheitert. Al-Mezan begleitete die 47jährige Etimad Rabee aus Rafiah, die letzte Woche starb, während sie auf die Genehmigung zur Behandlung in Jerusalem wartete.

 Am Sonntag sagte Ibrahim Rabee, seine Frau sei vor zwei Jahren an Darmkrebs erkrankt. Zunächst habe er sie zu ihren Behandlungen im A-Najah-Hospital in Nablus begleitet. Ihr Zustand habe sich verbessert, aber dann habe die P.A. ihre Ausreise verzögert. Als sie die Zusage der PA zur Übernahme ihrer Behandlung im April erhalten habe, habe Herr Rabee eine Ausreisegenehmigung bei der CLA erbeten. Der Antrag sei zwar bewilligt worden, jedoch nur unter der Bedingung, dass nicht ihr Ehemann, sondern jemand anderes sie begleitete, und dadurch hätte sich ihre Ausreise verzögert. Im Mai hätte man sie nochmals zu einem Austausch ihrer Begleitperson aufgefordert. Zwei im Juli gesandten Anträge wären nie beantwortet worden. Diesen Monat habe man ihr wieder gestattet auszureisen, unter der Bedingung, dass eine andere Person sie begleitete. Als ihre Begleitperson die Genehmigung der CLA erhalten habe, hätte sich Rabees Zustand so verschlechtert, dass man sie nicht im Krankenwagen transportieren konnte; und so sei sie am 8. August verstorben.

 Rabees Erfahrung ist kein Einzelfall. Nach monatelanger Wartezeit und durch die Vermittlung der Ärzte für Menschenrechte-Israel-Organisation erhielt Aziza Kanos aus Khan Yunis eine Ausreisegenehmigung. Kanos, 38, erkrankte vor 10 Jahren an Schilddrüsenkrebs. Nachdem sie ihre Schilddrüse in Gaza entfernen ließ, empfahlen die Ärzte ihr, sich einer zweijährigen Behandlung mit radioaktivem Jod zu unterziehen, einer Behandlung, die in Gaza nicht möglich ist.

 Die CLA bewilligte mehrere Male ihre Reise zu Behandlungen in Hebron und Ramallah, aber kürzlich haben palästinensische Krankenhäuser sich geweigert, Patienten aus Gaza aufzunehmen, weil die Palästinensische Autonomiebehörde nicht die Krankenhausrechnungen beglichen hat, die sie ihnen schuldete. Deshalb stimmte die PA zu, Kanos Behandlung in dem Hadassah-Universitätskrankenhaus in Ein Kerem zu übernehmen. Aber seit August letzten Jahres verblieben all ihre Anträge bei der CLA im Überprüfungsstadium. Ende Juni kontaktierte sie die Ärzte für Menschenrechte, aber dann verpasste sie erneut ihren Termin in Hadassah, weil ihr Antrag sich noch immer „in der Überprüfung“ befand. Anfang August durfte sie ausreisen. Sie soll in zwei Monaten erneut zu einer weiteren Behandlung  kommen. „Ich befürchte, dass, wenn mein Termin kommt, die Antwort wieder einmal lauten wird, dass mein Ausreiseantrag noch überprüft wird“, sagte Kanos.

 Siham al-Tatri aus Gaza, die Lymphdrüsenkrebs hat, wird im Augusta-Victoria-Krankenhaus in Jerusalem behandelt. Aber seit April und den beiden darauffolgenden Monaten konnte sie keine Ausreisegenehmigung zu einer Behandlung erhalten, bis die Ärzte für Menschenrechte sich einschalteten und Genehmigungen für Juni und Anfang August erhielten. Wie al-Tatri, N.S., 33 und Mutter von vier (Kindern) war eine der 10 Krebspatienten, die sich an die Ärzte für Menschenrechte um Hilfe gewandt haben. Seit Juni letzten Jahres, als sie ihre Schilddrüse entfernen ließ, wurden ihre Anträge zur Ausreise aus Gaza zu einer zweijährigen Behandlung – zunächst in Hebron und dann in Hadassah, abgelehnt.

 Das Büro des Koordinators der Regierungsaktivitäten in den Gebieten erklärte: „Auch, wenn wir uns bemühen, zwischen Hamas- und anderen Bewohnern zu unterscheiden, wird etwa 400 Menschen  aufgrund medizinischer - und einer Reihe anderer Gründe täglich die Einreise (nach Israel) genehmigt.“

 Ran Goldstein, Direktor der Ärzte für Menschenrechte-Israel, sagte: „Es muss einen drastischen Wandel in israelischer Politik in Bezug auf die Ausreise von Patienten und in Bezug auf Gaza im Allgemeinen geben. Die Tatsache, dass Patienten manchmal monatelang keine Antworten bekommen, ist unmenschlich, und die schwächste Bevölkerung bezahlt den Preis.“

 Im Hinblick auf Rabees Tod sagte der Koordinator für Regierungsaktivitäten in den Gebieten: „Ihre Einreise zu einer Behandlung in Israel wurde von der CLA genehmigt und diese Genehmigung wurde von Mai bis Juni mehrere Male in Anspruch genommen.

 Aufgrund eines Sicherheitsproblems, das bezüglich des Ehemanns der Patientin aufkam, bat die CLA das palästinensische Bürgerkomitee Ende Juni um nähere Angaben zu einer alternativen Begleitperson der Patientin. Das Bürgerkomitee benötigte zwei Wochen, um diese Angaben über die alternative Begleitperson (die Schwester der Patientin) zu übermitteln, und diese Einzelheiten wurden zu einem Sicherheitscheck weitergeleitet. Die Ausreise der Patientin selbst wurde zu keinem Zeitpunkt verhindert. Sie hatte die Option, ohne Begleitperson nach Israel zu reisen, aber sie wollte begleitet werden.

 In Fällen, wo die PA Anträge sendet, besonders, wenn diese als dringend deklariert werden, koordiniert die CLA den Patiententransport sofort, zu jeder Tageszeit, um Leben zu retten. Das wird täglich am Erez-Übergang, über den die Gaza-Bewohner zu medizinischer Behandlung ausreisen, praktiziert. Zum Beispiel wurden im Jahr 2017, von Januar bis Ende Juli,  490 Krankenwagen für Eiltransporte von Patienten und deren Begleitpersonen zu den Krankenhäusern in Israel, Judea und Samaria und außerhalb Israels arrangiert.

 (übersetzt von Inga Gelsdorf)