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13. November 2010 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Diplomatische Aktivitäten wegen des Iran sind wieder einmal auf Hochtouren, Anlass für folgende Stellungnahme zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 12.11.2010:
„Duell unter Freunden“ von Peter Münch und

SZ-Kommentar vom 12.11.2010:
„Hase und Igel“ von pm,

SZ vom 9.11.2010:
„Teheran ist gesprächsbereit - nur das Thema ist unklar“ von Paul-Anton Krüger und

SZ-Kommentar: „Reden unter Vorbehalt“ von pkr

EU-Politik gegenüber dem Iran richtig stellen

Nicht nur ein dramatischer Autoritätsverlust Obamas und seiner Regierung, sondern auch ein peinlicher Autoritätsverlust der EU und dabei Deutschlands ist beim Nahost-Problem festzustellen, vor allem nach dem jüngsten Besuch vom deutschen Außenminister Guido Westerwelle in Israel, ein Besuch, der keinen Sinn und keine Wirkung hatte. Premier Netanjahu und seine Regierung haben ein Vertrauensbruch verursacht, der gute Beziehungen unmöglich macht. Das schwierigste ist, das Vertrauen wieder zu gewinnen für denjenigen, der es gebrochen hat. Aber Premier Netanjahu hat keine andere Wahl: Er muss sich endlich in Richtung eines gerechten Friedens bewegen. Tricks und Ablenkungsmanöver nutzen ihm nicht: Die Öffentlichkeit ist jetzt reif und wach: Sie wurde zu oft von Israels Ablenkungen manipuliert. Die EU muss sich endlich dem Problem Israel wirksam stellen, anstatt sich auf den Iran ablenken zu lassen, wie Netanjahu absichtlich versucht, um seinen Verpflichtungen zu entgehen. US-Präsident Barack Obama muss gegenüber den israelischen Extremisten Stärke zeigen. Er ist keineswegs in einer aussichtslosen Lage, denn als US-Präsident kann und muss er auf die richtige Richtung seiner Außenpolitik hinweisen. Die amerikanische Öffentlichkeit hat die Reife und die Selbstsicherheit, die Falschheit Israels anzuprangern.

Die EU-Politik gegenüber dem Iran ist richtig zu stellen. Tatsächlich haben die Regierungen der Staatengruppe 5+1 (ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland) gemeinsam eine Reihe von illegitimen Forderungen auf den Tisch gelegt und in vier Resolutionen des UN-Sicherheitsrats festgeschrieben, UN-Sicherheitsresolutionen, die illegitim und illegal in diesen Fällen inakzeptabel sind. Die Staatengruppe 5+1 sieht diese illegitimen Forderungen als „unverhandelbar“. Im Zentrum steht dabei die rechtswidrige Ansicht, Iran müsse auf wesentliche Teile seines zivilen Atomprogramms verzichten. Außerdem solle sich Iran Kontrollen unterwerfen, die weit über seine Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) hinausgehen. Zudem stellen die USA an den Iran zusätzliche Forderungen, die nicht das geringste mit dem Atomprogramm zu tun haben, sondern unter anderem die Unterstützung von Hisbollah und Hamas betreffen. Mit anderen Worten, es sind völlig inakzeptable Forderungen.

Der jüngste Besuch des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad im Libanon (Mitte Oktober 2010) hat das Gewicht des Iran im Nahen Osten gestärkt. Der Iran will ganz offen die Politik im Nahen Osten mitbestimmen, und das ist sein gutes Recht. Teheran bewegt sich seit fast 30 Jahren auf der libanesischen Bühne, hat es aber vorgezogen, hinter den Kulissen zu agieren und sich auf die politische, militärische und finanzielle Unterstützung der Hisbollah zu beschränken. Jetzt bemerkt die iranische Regierung ihren Zuwachs an Gewicht, so dass sie auch im Libanon offen agieren kann. Ahmadinedschad signalisiert allen anderen Akteuren, dass sein Land keinen syrischen Verbündeten mehr braucht, um seinen Einfluss geltend zu machen. Es ist kein Zufall, dass diese Reise in den Libanon Mitte Oktober gleich nach der jüngsten Visite in Beirut des saudischen Königs zusammen mit dem syrischen Präsidenten Baschir Al-Assad erfolgt. Nicht nur Riad und Damaskus können die Stabilität in der Levante garantieren, sondern auch der Iran ist dazu in der Lage. Das Verhalten des libanesischen Ministerpräsidenten, Saad Hariri, belegt den Einfluss des Iran. Er ist sich darüber im klaren, dass man mit einem erstrangigen Protagonisten wie dem Iran wohl einen Dialog führen und darüber hinaus auch wirtschaftlich zusammenarbeiten muß.

Ahmadinedschads Libanon-Besuch ist auch ein Signal an Israel und an die USA. Der iranische Präsident demonstriert, dass sein Land stark genug ist, um auch im Libanon ein Gegengewicht zum US-Einfluss zu bilden. Noch deutlicher ist die Botschaft an Israel: Der Iran akzeptiert nicht mehr, dass allein Tel-Aviv in dieser Region den Ton angibt. Als Gegengewicht ist der Iran im Libanon willkommen, um Israel in seine Schranken zu weisen.

Ein Bruch zwischen Syrien und dem Iran ist undenkbar, weil beide Staaten durch ihre Allianz in drei Jahrzehnten sehr viel erreicht haben. Allerdings hat Syrien im Nahen Osten an Bedeutung verloren. Der Iran hingegen ist zu einer regionalen Supermacht aufgestiegen, die ihr Gewicht in die Waagschale wirft. Damaskus wird nichts unternehmen, um zu Teheran auf Distanz zu gehen, wie es die USA wohl gerne möchten. Die finanziellen und industriellen Investitionen des Iran in Syrien sind dafür viel zu bedeutend. Hinzu kommen die Garantien, die der Iran für seine durch Syrien verlaufenden Erdöl- und Erdgaspipelines erhalten hat.

Nach dem Gesetz zum Schutz der friedlichen nuklearen Errungenschaften der Islamischen Republik Iran ist es der Regierung verboten, Kontrollmaßnahmen der IAEA zuzulassen, die über die sich aus dem Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation Treaty NPT) ergebenden, für alle Unterzeichnerstaaten geltenden Verpflichtungen hinausgehen.

Unter dem Druck von USA und EU hatte sich die IAEA geweigert, Iran beim Kauf von Brennelementen im Ausland zu helfen, obwohl sie dazu nach dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) verpflichtet ist. Ein iranischer Alternativvorschlag wird bisher durch Einwände der USA, Russlands und Frankreichs blockiert. Verhandlungen darüber sollen voraussichtlich Mitte November stattfinden.

Das jetzt in Kraft getretene iranische Gesetz gibt der Regierung neue Investitionen in das zivile Atomprogramm vor, um „volle nukleare Unabhängigkeit“ zu erreichen. Zu diesem Ziel ergibt sich die Erklärung Teherans im August, dass „zum Jahresende oder Anfang nächstes Jahres“ mit dem Bau einer weiteren Anreicherungsanlage begonnen wird. Insgesamt will Iran zehn solche Anlagen in den nächsten Jahren errichten. Die Festlegung der Standorte ist inzwischen weitgehend abgeschlossen. Der Iran stellt sich damit auf die ständigen militärischen Drohungen der USA und Israels ein. Der stellvertretende Vorsitzende des Außen- und sicherheitspolitischen Ausschusses des iranischen Parlaments bestätigte, dass Iran in den nächsten Jahren mit dem Bau von 20 Atomkraftwerken beginnen wird. Dazu sei die Regierung Irans auch durch das jetzt in Kraft getretene iranische Gesetz verpflichtet. Die negative Reaktion Großbritanniens und Frankreichs darauf ist völlig unbegründet, denn das Recht auf die zivile Nutzung der Kernenergie dürfen sie nicht verweigern. Zu Recht verweist der Iran darauf, dass sein gesamtes Atomprogramm durch den Atomwaffensperrvertrag legitimiert ist. Daher ist die grundlose US-EU-Haltung illegal, illegitim genauso wie die entsprechenden von ihnen durchgesetzten willkürlichen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats hinsichtlich des Iran.

Nicht nur illegitim gegenüber dem Iran, sondern auch völlig unglaubwürdig und nachgiebig gegenüber Israel stellt sich die US-EU-Haltung bloß. Im September 2009 hatte die Jahresvollversammlung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) erstmals Israel aufgefordert, dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) beizutreten und seine nuklearen Anlagen der Kontrolle durch die IAEA zu unterstellen. Diese Resolution wurde allerdings nur mit knapper Mehrheit angenommen. Unter den Gegenstimmen waren die USA und die EU-Länder. Um zu verhindern, dass eine ähnliche Resolution auch während der diesjährigen Vollversammlung verabschiedet wird, setzten die USA vor allem die arabischen Staaten unter Druck.

Ein Treffen der EU mit dem Iran ist für Mitte November drei Tage lang in Wien vorgesehen. Ashton habe bisher mehrere Terminvorschläge Teherans ignoriert. Für Ashton gebe es nur ein einziges Verhandlungsthema und das sei „Irans Atomwaffenfähigkeit“. Damit erklärt sich die EU als Handlanger der illegitimen, illegalen Doppel-Standard-US-Außenpolitik. Gewiss keine Grundlage für ernsthafte Gespräche. Es ist nicht Teheran, das „einen vertrauensbildenden Schritt zu machen“ hat ,wie völlig daneben der SZ-Journalist Paul-Anton Krüger (pkr) in seinem Kommentar „Reden unter Vorbehalt“ vom 9.11.2010 meint, sondern es sind gerade die Regierungen der 5+1-Gruppe, die diesen vertrauensbildenden Schritt in Bezug auf den Iran gehen müssen.

Willkürlich ignorieren die Regierungen der sogenannten 5+1-Staaten das Teheraner Abkommen, das Präsident Ahmadinedschad zusammen mit seinem brasilianischen Amtskollegen Lula da Silva und dem türkischen Regierungschef Recep Tayip Erdogan am 17.5. 2010 unterzeichnet haben. Anstatt auf das geltende abgeschlossene Teheraner Abkommen konstruktiv zu reagieren, setzten diese sechs Regierungen eine weitere Sanktionsresolution im UN-Sicherheitsrat durch (9.6.2010). Trotzdem begrüßte der iranische Außenminister Mottaki (15.10.2010) den jetzigen Terminvorschlag der EU-Chefdiplomatin während eines Besuchs in Brüssel.

Über „Verhandlungen“ zu sprechen ist unter den gegebenen Umständen vollkommen deplatziert. Viel wichtiger und ehrlicher wäre es, die EU mit ihrer eigenen Haltung öffentlich zu konfrontieren, und zwar im Licht ehrlicher Bedingungen für eine Wiederaufnahme der Gespräche mit dem Iran:

Erstens: Die sogenannte Staatengruppe 5+1 muss erklären, dass ihr Ziel Freundschaft und Zusammenarbeit mit dem Iran ist und dass sie die bisherige Feindseligkeit, nämlich andauernde Sanktionen und international diskriminierende Maßnahmen, aufgeben will.

Zweitens: Die sogenannte Staatengruppe 5+1 muss sich verpflichten, sich bei den Gesprächen an Vernunft und Regeln internationaler Diplomatie und an das Völkerrecht zu halten. Das impliziert die Bereitschaft zur verpflichtenden Rücknahme aller Sanktionen und Diskriminierungen, keine weiteren Sanktionen durchsetzen zu wollen und die massive bedrohliche Militärpräsenz vor den Grenzen des Iran zurückzunehmen.

Drittens: Die sogenannte Staatengruppe 5+1 muss ihren Standpunkt zu Israels Atomwaffen erklären.

Der iranische Chefunterhändler hatte einen großen Teil dieser Bedingungen und weitere Fragen nach dem Inhalt künftiger Diskussionen schon am 6.Juli 2010 in einem an Catherine Ashton gerichteten Brief gestellt. Die EU-Außenpolitikerin ließ den Brief unbeantwortet. Der von der 5+1-Gruppe verwendete Begriff „Verhandlungen“ ist deshalb irreführend.

Vor der UN-Vollversammlung im Oktober 2010 hat der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad eine hervorragende, stringent argumentierte Rede gehalten, in der er den Westen für seine Fehler und Verbrechen nicht schonte. Wie gewöhnlich reagierte der US-EU-Hegemonialblock mit vorprogrammierter Empörung. Die amerikanische Order zum Abmarsch aus dem Saal der UN-Generalversammlung erfolgte, als Ahmadinedschad es gewagt hatte, auf die mehreren hunderttausend Iraker und Afghanen zu verweisen, die im Verlauf des westlichen Rachefeldzugs getötet wurden und die durchaus legitime Frage stellte, ob denn ein Terroranschlag die Entfesselung von zwei, über Jahre andauernde Kriege rechtfertigen könne. Die in seiner Rede angesprochene international verbreitete und durch viele Indizien belegte These, der Anschlag auf das World Trade Center könnte von Teilen des amerikanischen Machtapparates inszeniert oder zumindest als Kriegsvorwand benutzt worden sein, wurde als „schlicht abscheulich und widerwärtig“ und von EU-Außenministerin Ashton als „untragbar“ bewertet. Das ist der Debattenstil, mit dem die sich im Besitz einer höheren Moral wähnende Kriegsallianz auf Kritik an ihrer menschenverachtenden militärischen Aggressionspolitik zu reagieren pflegt.

Mahmud Ahmadinedschad hat in New York für das Machtkartell peinliche Wahrheiten ausgesprochen. Zum Schluss hat er wie kein einziger westlicher Repräsentant, die christlichen Werte hoch gehalten. Die Botschaft von Jesus Christi hat nicht einmal die Rede des Heiligen Stuhl enthalten. Es war schön und stimmte hoffnungsvoll, sie von einem Repräsentanten einer der ältesten Zivilisationen der Welt so überzeugt und tief begriffen zu hören. (Originaltext der Rede siehe z.B.

http://www.warandpeace.ru/en/reports/vprint/51245/)

Dem Iran soll sein Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie von Ländern verwehrt werden, die über die Atombombe, die „unmenschlichste aller Waffen“, verfügen und willens sind, sie einzusetzen, wie es die USA bereits getan haben. Die infantil lächerlich ausgefallene Machtdemonstration einer winzigen Minderheit der versammelten Staatsrepräsentanten gegenüber dem iranischen Präsidenten in der UN-Vollversammlung von New York kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lage im Nahen Osten für den Westen immer prekärer wird. Auf Dauer wird der Spagat, die arabische Straße ruhig zu halten und den Aufstieg des Irans zur Regionalmacht zu verhindern, nicht durchzustehen sein.

Die EU sollte sich eindeutig für eine atomwaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten aussprechen, die keine Option für Atomwaffen lässt, weder der Regierung von Israel noch dem Iran.

Luz María De Stéfano de Lenkait