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23. Mai 2010 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Die zurückliegenden Wochen waren voller diplomatischer und politischer Aktivitäten hinsichtlich des Iran, überraschender Höhepunkt die Vertragsunterzeichnung zwischen Brasilien, Türkei und dem Iran. Was die US-Politik dazu betrifft und die Reaktion in der Süddeutschen Zeitung, hier eine Stellungnahme zu den Artikeln in der SZ:

vom 18.5.2010:
„Iran überrascht den Westen im Atomstreit“ von Paul-Anton Krüger,

vom 19.5.2010:
„Clintons Coup“ von Paul-Anton Krüger,

vom 22.5.2010:
„Im Schatten des Halbmonds“ von Tomas Avenarius

Souverän unabhängig Weltpolitik betreiben

Der harsche USA-Aktionismus gegenüber dem Iran nach dem Sieg der Diplomatie in Teheran dank der konstruktiven Vermittlung von Brasilien und der Türkei ist im UN-Sicherheitsrat eklatant gescheitert. Das Abkommen zwischen Iran, Brasilien und der Türkei, das am Montag 17.5.2010 in Teheran unterzeichnet wurde, erkennt expressis verbis für den Iran die friedliche Nutzung der nuklearen Energie gemäß des internationalen Rechts an und entzieht damit weiterer Diskussion über willkürliche Sanktionen jeden Grund. Sanktionen sind überflüssig und schädlich. Dass die USA unvernünftig darauf bestehen, ist nicht nur ein Zeichen ihrer diplomatischen Niederlage, sondern auch ein Zeichen ihrer weltweit destruktiven Außenpolitik. Sowohl der Präsident Brasiliens wie der türkische Premier haben sich dagegen und für die Herrschaft des Rechts geäußert. Deshalb sehen sie keinen Grund für eine weitere Sitzung des Sicherheitsrates in dieser Hinsicht. Während der Außenminister Brasiliens erklärte, sein Land wird sich an solchen Diskussionen nicht beteiligen, bekräftigte der Außenminister der Türkei „Sanktionen und Diskussionen über Sanktionen würden das Klima vergiften.“ Der türkische Premier Erdogan warf den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats Unglaubwürdigkeit vor und sagte: „Es ist die Zeit gekommen, darüber zu diskutieren, ob wir an die Herrschaft des Rechts oder an das Recht der Herrschenden und Überlegenen glauben. ...“ (Meldung vom 20.5.2010)

Nach dem diplomatischen Sieg in Teheran hat sich der Spielraum für die amerikanische Außenministerin im Kreis der Weltgemeinschaft verengt, d.h. im Kreis der 192 Nationen, die die Weltstaatengemeinschaft bilden. Nicht im Sicherheitsrat, sondern im US-Senat musste die amerikanische Außenministerin am Tag nach der Unterzeichnung des Teheraner Abkommens mit Brasilien und der Türkei (18.5.2010) trotzig weiter für Sanktionen plädieren. Diese bellende, trotzige „Diplomatie“ kennzeichnet das politische Vakuum in Washington, wo US-Präsident Barack Obama anscheinend in wichtigen existentiellen Problemen wie die Abrüstung und der Friedensprozess im Nahen Osten an Autorität verliert.

In einem Akt der Verzweiflung begibt sich Hillary Clinton am Dienstag 18.5.2010 zum Senat mit einer Erklärung, um die reaktionären Kreise zu besänftigen, während Tags zuvor in Brüssel, nämlich am Tag der Vertragsunterzeichnung zwischen dem Iran, Brasilien und der Türkei, die Repräsentantin der Reaktion innerhalb der Demokraten und Kriegstreiberin, die ehemalige US-Aussenministerin Madeleine Albright, die Rüstungs- und NATO-Kriegsmafia ihre Stimme für weitere Aggressionen in der Welt erhob, obwohl die NATO keinen Gegner mehr vor ihrer Tür hat. Wie die Erweiterungspolitik der NATO mit dem engen Verhältnis zu Russland zusammenpasst, bleibt ein Rätsel. Die Uneinigkeit der NATO-Staaten über die ungeheuerliche Albright-Agenda lässt auf Vernunft hoffen. Leider fehlte den opponierenden NATO-Staaten die Courage, ihre Teilnahme an einer weiteren NATO-Konferenz, angesetzt für den November in Lissabon, abzusagen. Dort ist die törichte Wiederholung derselben US-Kriegsdrohung aus den reaktionären Anti-Obama-Kreisen zu erwarten. Der deutsche Außenminister und seine Kollegen aus den Benelux-Staaten müssen ihren Konsens für den Abzug der Atomwaffen aus Europa und ihre Unterstützung für eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten auf der Agenda der NATO präsentieren. Es wäre die richtige Antwort auf die aggressive inakzeptable Diplomatie der USA, die ganz Europa wieder in Gefahr bringt. In diesem Zusammenhang ist die dreitägige Reise des deutschen Außenministers, Guido Westerwelle, nach Damaskus, Beirut, Amman und Kairo zu begrüßen (SZ-Meldung vom 21.5.2010).

Die bellende Aggressivität der USA ist das Resultat einer gescheiterten Diplomatie vor allen Augen der Welt. Amerika verliert an Boden. Die Welt entzieht sich zu Recht ihrem Diktat. Sehr wahrscheinlich, dass die unerwartete Sekundanz aus Russland und China darauf zielt, dass das Gesicht der USA angesichts dieses blamablen Scheiterns vor der Staatengemeinschaft in der Vereinten Nationen gewahrt bleibt. Ebenso ist es plausibel, dass die angebliche Zustimmung Russlands und Chinas für den Resolutionsentwurf der USA eine ganz informelle Reaktion der jeweiligen Botschaften sein kann. Jeder Diplomat und jeder politischer Beobachter weiß, mit welchem beständigen Druck die USA versuchen, ihre Ziele zu erreichen. Jeder von ihnen erinnert sich daran, wie vor dem Angriff der USA auf den Irak dieser ungeheuerliche Druck im Sicherheitsrat im Februar 2003 am extremsten zu spüren war. Er reichte von Bedrohung bis zur krassen Erpressung und Bestechung. Unter diesen Umständen ist es vorstellbar, dass ein russischer oder ein chinesischer Botschafter, um sich von einer solchen unerträglichen Last zu befreien, mündlich auf die ständige Belästigung durch das State Department endlich erklärt, das zu tun, was die amerikanische „Diplomatie“ von ihnen verlangt. Dass sich diese Zustimmung informell ergibt, sieht man an der fehlenden öffentlichen offiziellen Äußerung des zuständigen russischen oder chinesischen Diplomaten, was Sanktionen angeht. Die Öffentlichkeit reproduziert nur, was Clinton euphorisch darüber im Senat sagt, nicht aber, was aus dem Mund der Diplomaten Russlands oder Chinas selbst verlautete.

Viel wichtiger und entscheidend ist die Reaktion des russischen Außenminister, Sergei Lawrow, der in der Tat seine US-Kollegin Clinton drängte, das Abkommen von Teheran wohlwollend zu prüfen. Nach dem neuen Resolutionsentwurf der USA rief der russische Außenminister Hillary an, um seine Besorgnis darüber mitzuteilen. Der chinesische UN-Botschafter in New York lobte ebenso wie Russland die Diplomatie der Türkei und Brasiliens. Die Türkei, Brasilien und der Libanon lehnten erneute Sanktionen ab. Sergei Lawrow warnte die USA und die EU davor, die Strafen gegen den Iran einseitig weiter zu verschärfen. Bezeichnenderweise hat die Sitzung des Sicherheitsrates nicht stattgefunden. Es gibt die Meldung, sie sei auf unbestimmte Zeit vertagt.

Allerdings ist für die gesamte Welt offensichtlich, dass die USA und ihr EU-Anhängsel weiter ihren Einfluss verloren haben, wenn Länder wie Brasilien, die Türkei und viele andere ihrem Diktat nicht mehr folgen und in vollem Einklang mit dem Völkerrecht souverän unabhängig Weltpolitik betreiben und die Macht der Stärke explizit desavouieren.

Luz María DeStéfano de Lenkait

Weitere Berichte zum Abkommen:

18.05.2010: AG Friedensforschung an der Uni Kassel

17.05.2010: Welt-Online

17.05.2010: "Stimme Russlands"

17.07.2010: CASMII, Quelle: Mehr News Agency