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Verständigung mit Russland im Interesse gemeinsamer Sicherheit

Zur Beilegung eines europäischen Konfliktes ist die NATO vollkommen ungeeignet. In der Tat, sie hat nichts weiter anzubieten als militärische Gewalt bis zum Extrem: Vernichtung und Auslöschung. Dagegen hat Europa seine eigenen Institutionen und Grundlagen entwickelt, die inkompatibel mit der NATO sind. Deshalb ist es jetzt höchste Zeit, sich für die eigenständigen europäischen Institutionen und Grundlagen einzusetzen, anstatt sich von einer fremden Militärorganisation dirigieren zu lassen, die durch einen hiesigen Konflikt, Europa völlig aus der Bahn werfen und hier maßlose Zerstörung verursachen könnte.

Mit Recht setzen Frankreich und Deutschland auf Dialog zusammen mit der Mehrheit europäischer Staaten. Gerade weil die EU und die OSZE bereits im Kaukasus tätig sind, ist die NATO dort völlig deplaziert. Sogar eine Sondersitzung der NATO-Außenminister, (Dienstag 19.8.08) beantragt von der US-Regierung, war unbegründet und zwecklos. Eher diente sie dem Versuch eines US-Eindringlings, die Annäherung und gute Beziehung zwischen Europa und Russland zu unterminieren. Wie kann man so blind oder extrem naiv sein, um dieses abgekartete Spiel zu übersehen? Ein abgekartetes Spiel, das auf Konto von US-Vizepräsident Dick Cheney und seinen langen Arm, John Mc Caine, geht und der Neokons auch in europäischen Machtzentren, wie der Schwede Carl Bildt schamlos bezeugt. In der Tat geben Dick Cheney und John Mc Caine den aggressiven Ton im Kaukasus-Konflikt vor. Condi Rice hat sich letztendlich anstecken lassen und so wurde sie Hauptakteurin dieses miesen Spiels. Allerdings ist der amerikanische Vorstoß, den NATO-Rußland-Rat aufzulösen, bei der Sondersitzung der NATO-Außenminister in Brüssel (Dienstag 19.8.08) von der Mehrheit der europäischen Staaten abgelehnt worden. Keiner der europäischen Außenminister will wirklich die Gespräche mit Rußland kappen. Die Europäer setzen auf Kooperation, nicht auf Konfrontation, sie setzen auf Einbeziehung Rußlands, nicht auf seinen Ausschluß. Im Widerspruch zu dieser vernünftigen Position ließen sich die europäischen Verbündeten in eine leere aggressive verurteilende Rhetorik gegen Moskau hineinmanövrieren, indem sie die Augen davor verschließen wollten, wer wen überfiel. So kam es zu einem parteiischen NATO-Beschluß, der in Wirklichkeit den Verhältnissen in Europa nicht entspricht. Dieser parteiische Beschluß nährt die Rußland-Feindbild-Propaganda in den Medien, die einkalkuliert und unredlich weiter angeheizt wird.

Die Bundeskanzlerin selbst weigert sich festzustellen, von wem die Aggression im Kaukasus ausging. Welches Georgien will die Kanzlerin in die NATO aufnehmen? Ebenso wie Condolezza Rice beschwört Angela Merkel die "territoriale Integrität" Georgiens, obwohl der von der EU vermittelte Friedensplan sie mit keinem Wort erwähnt. Mit Recht. Auf welche territoriale Integrität wollen Merkel und Rice anspielen? Wie soll diese hergestellt werden nach dem brutalen Angriff Georgien auf seine Volksbrüder? Will man Abchasien oder Südossetien etwa mit Waffengewalt zwingen, unter georgischer Herrschaft zu leben?. Entscheidend ist der Wille der Völker in Südossetien und Abchasien, die keinerlei Vertrauen mehr zu Georgien haben, nachdem sie von Tiflis überfallen wurden. Beide Provinzen haben Moskau gebeten, ihre selbsterklärte Unabhängigkeit anzuerkennen. Die Mehrheit der russischen Abgeordneten sind bereit dazu. Darüber hinaus wollten die Menschen dort die Präsenz der russischen Truppen, die sie geschützt und geholfen haben, keineswegs ihren Abzug. Will die CDU-Kanzlerin die losgetrennten eigenstaatlichen Autonomiegebiete mit NATO-Gewalt an Georgien angliedern und dabei einen Krieg mit Rußland riskieren? Merkel tritt somit für ultimative Provokationen ein und dafür nähert sie sich dem unberechenbaren Provokateur von Tiflis als ihren besten Verbündeten.

Sobald der amerikanische Vorstoß in Brüssel scheiterte, den NATO-Russland-Rat aufzulösen, (19.8.), begann am Tag danach (20.8.08) die rußlandfeindliche Propaganda in den Medien noch höhere Wellen zu schlagen als zuvor, durch wiederholte Desinformation, Unterschlagung von Information über Georgien als Aggressor, Unterschlagung der Meldung über die hohen zivilen Opfer in Südossetien durch den georgischen Angriff, kein Bild, kein Wort über das Flüchtlingselend der Südosseten, die vor den brutalen georgischen Angriffen nach Nordossetien in Rußland fliehen, kein Bild von den durch georgischen Beschuß vernichteten südossetischen Dörfer, statt dessen Verdrehung bei vielen deutschen Medien mit Georgien in der Opferrolle und die wiederholte Propaganda-Formel von der "Provokation durch Russland". Deutsche Medien also, die sich vollkommen US-hörig zeigen. Erstaunlich auch das ARD-Mittagsmagazin am 20.8. um 13 Uhr, das sonst generell seriös und sachlich berichtet. Diesmal nicht. Die blonde Kommentaristin Hannelore Fischer wagte groben Widerspruch zu der Klarstellung des Russland-Experten aus der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Alexander Rahr, der vielmals versuchte, sie zu korrigieren. Es war offensichtlich: Die Blondine hatte Instruktionen, sich derart desinformativ zu verhalten und die vorgegeben propagandistischen "Buzz-Words" immer wieder zu lancieren. Condi Rice beeilte sich, die Oberhand bei deutschen Medien zu gewinnen und verbreitet partout die einseitige amerikanische Einstellung, der Rußland-Rat funktioniere nicht mehr, die Gespräche mit Rußland seien beendet worden. Obwohl bei der EU bekannt ist, daß russische Truppen gemäß Telefongespräch vom Präsident Dmitri Medwedjev mit dem EU-Ratspräsident erst am Freitag 22 aus Georgien den Abzug beginnen, wollen deutsche Medien die Russen so präsentieren, als ob sie sich an die EU-Abmachung nicht halten würden. Russische Truppen versuchen, Arsenale von Munitionen und Waffen in Georgien zu zerstören, die dieses kriminelle Regime von Tiflis - vom Westen bis zur Zähne hochgerüstet - aufgehäuft hat. Bisher stammt die dortige humanitäre Hilfe praktisch ausschließlich aus Rußland, das auch die Flüchtlinge versorgt ("Hilfe für Opfer des Kaukasuskrieges rollt an"- 21.8.). In allen deutschen Sendungen war Condolezza Rice zu hören, nicht aber der deutsche Außenminister, was natürlich die wahre Position Deutschlands und der EU schwächt.

Endlich in ARD-Tagesschau am 22.8. um 20 Uhr kam die Nachricht über die Position Berlins, Verständigung mit Russland anstreben zu wollen, im Interesse der gemeinsamen Sicherheit, wie sich Verteidigungsminister Jung in dieser Sendung deutlich äußerte. Was Washington sagt, durch die amerikanische Außenministerin Condi Rice, steht auf einem anderen Blatt. Nun ist es zu hoffen, daß nach so viel zerschlagenen Porzellan doch noch ein Neubeginn in Europa mit Rußland möglich werden kann. Allerdings mit Wachsamkeit gegenüber dem bekannten fremden Störfaktor, der zum Wohle der Sicherheit von uns allen von Europa ferngehalten werden muß.

Luz María De Stéfano de Lenkait,

Juristin und Diplomatin a.D.