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Charta von Paris von zentraler Tragweite für ein neues Europa

Die Welt erwartet mit Recht eine klare Stellungnahme der amerikanischen Außenministerin, gerade weil dieses Land, die USA, Georgien hochgerüstet und seine Aufnahme in die NATO vorgeschlagen hatte. Eine Sache ist die Unterstützung der USA für Georgiens Demokratie, eine ganz andere, die militärische Aufrüstung eines Landes in einer Konflikt-Zone, wo die unheilvolle Militarisierung einer nationalistischen faschistoiden Regierung im Kaukasus unabsehbaren Gefahren für ganz Europa darstellt. Deshalb war eine Erklärung der US-Außenministerin Condi Rice neben dem georgischem Präsidenten vonnöten bei ihrem Besuch in Tiflis am Freitag 15., nämlich, daß die USA keineswegs eine militärische Lösung im Kaukasus begünstigen werde.

Daß Condi Rice eine solche Klarstellung nicht abgibt, läßt viele Zweifel aufkommen: Zuerst stellt sich die Frage nach ihrer Professionalität, was sich nach einigen Überlegungen erübrigt, da sie bisher exzellent die US-Außenpolitik vertreten hat. Also stellt sich die nächste Frage: Was steht hinter diesem Verhalten, eine zentrale offizielle Klärung ihrer Regierung zu unterlassen? Das Verhalten von Condi Rice ist besonders auffällig angesichts der Klarstellung vom Verteidigungsminister Robert Gates, der gerade nach dem Ausbruch der Gewalt im Südkaukasus (7/ 8.8) sagte, es gebe schlicht und einfach "keinerlei Aussicht für den Gebrauch militärischer Gewalt durch die Vereinigten Staaten in dieser Lage". Es war ihm wichtig, daß diese Botschaft jedermann begreift: "War das klar genug?" (SZ-Artikel "Aus Partner werden Gegner", 16.8.08). Mit anderen Worten will sich Amerika nach dem Einmarsch russischer Truppen in Georgien laut Gates nicht weit vorwagen. Georgiens Regierung dürfe auf humanitäre Hilfe bauen, aber auf mehr nicht hoffen.

Hilfsgüter für die Verwundeten und Flüchtlinge, die der Angriff georgischer Truppen auf Südossetien verursacht hat, sind längst fällig. Allerdings, wenn es um humanitäre Hilfe geht, was sollen US-amerikanische Kampfflieger und Kriegsschiffe auf dem Weg nach Georgien?

Eine Partnerschaft mit Rußland bedeutet, alles untereinander offen zu besprechen, nicht an der Sache vorbeizureden, wie der russische Botschafter in Berlin in bezug auf das Treffen von Angela Merkel mit dem Präsidenten Rußlands in Sotschi zutreffend erklärte.

Es ist zu hoffen, daß dies geschah, auch wenn es nicht an die Öffentlichkeit drang. Beide europäische Staatspersönlichkeiten hatten die Gelegenheit, offen alles zu besprechen fernab der Medien, als sie beide am wunderschönen Schwarzen Meer am Freitag 15.8. spazieren gingen.

Der Kalte Krieg insgesamt war eine vergeudete Zeit, dessen Verschwendung von Ressourcen heute noch immer nicht nur Europa, sondern auch andere Regionen der Welt, besonders die USA, stark belastet. Europa muß weg von dem bekanntlich fatalen Muster, in wirtschaftlichen Krisenzeiten auf die Rüstungsindustrie zu setzen, um Arbeitsplätze zu schaffen, wobei die katastrophalen Erfahrungen mit dieser Art von Politik in der Geschichte dieses Kontinents einfach ignoriert bleiben. Eine gemeinsame Stellungnahme Berlins und Moskaus für Frieden und Abrüstung wäre wünschenswert und ein entscheidender Schritt für die EU in die richtige Richtung. In diesem Zusammenhang ist die Charta von Paris für ein neues Europa (November 1990) von zentraler Tragweite. Sie enthält die entscheidenden Grundlagen für den Umgang mit Konflikten: "Wir bekräftigen unser Bekenntnis zur friedlichen Beilegung von Streitfällen. Wir beschließen, Mechanismen zur Verhütung und Lösung von Konflikten zwischen den Teilnehmerstaaten zu entwickeln..."

Für den Frieden zu kooperieren bedeutet, konkrete Initiativen für eine Wiederbelebung der Prinzipien dieser Charta zu entwickeln und die Rolle der OSZE deutlich zu stärken. Aus dem Kanzleramt, aus dem Elysée-Palast, aus Rom, Madrid, Wien und anderen Hauptstädten Europas wäre in diesem Sinn eine europäische Erklärung erforderlich, die nochmals die Ablehnung eines Versuchs Georgiens, der NATO oder der EU beizutreten, bekräftigt.

Dieses rußlandfeindliche nationalistische Regime in Tiflis, das seine extreme Unverantwortlichkeit und kriminelles Abenteuertum gezeigt hat, ist zu beenden, wenn der Frieden zugunsten aller Menschen in Georgien, in Südossetien, in Abchasien und in der ganzen Region am wichtigsten ist.

Die politische Einheit der EU hat keine Priorität und ist auch nicht wichtig, wenn die Einheit in einer Sache des gesunden Menschenverstandes nicht zu erreichen ist. Unter diesen Umständen ist es besser und wünschenswert, die EU-Staaten blieben gespalten, aber die Unvernünftigen müssen an die Leine genommen werden. Verhängnisvoll wäre eine EU-Einheit im Sinne der irrationalen Linie Polens und des Baltikums, wo faschistoide Kräfte präsent sind und nützlich aktiv sein können für unberechenbare Pläne, die aus dem Ausland angestiftet werden. Schon das Einverständnis Warschaus für die Stationierung eines US-Raketen-Abwehrsystems auf polnischem Territorium gegen alle Ratschläge aus Berlin, Paris, Madrid und Rom disqualifiziert Warschau als seriöses zuverlässiges EU-Mitglied. Gott sei Dank konnte sich Außenminister Walter Steinmeier zusammen mit seinem französischen Kollegen innerhalb der EU gegen den Coup-Versuch eines perfiden Albions und gegen die irrationale Unruhe Polens und baltischer Staaten durchsetzen und mit Besonnenheit die EU-Sitzung in Brüssel letzten Mittwoch 13.8. retten.

Deswegen wäre eine Ablehnungsbestätigung hinsichtlich des georgischen NATO-Beitrittsgesuchs aus den EU-Staaten - zumindest aus Deutschland, Österreich, Spanien, Belgien, Luxemburg, Frankreich und Italien - auch die richtige Reaktion, um den Aktionismus der Falken in der Washingtoner Cheney-Bush-Regierung und ihres unberechenbaren Neokon-Kandidaten John Mac Caine in die Schranken zu weisen und die Eskapaden Polens und der baltischen Staaten zu bremsen, die wegen historischerRessentiments unfähig sind, zu einer vernünftigen EU-Außenpolitik beizutragen.

Luz María De Stéfano de Lenkait,

Juristin und Diplomatin a.D.