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14. Juli 2013 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Der von Edward Snowden enthüllte Spionage-Skandal, seine politischen Implikationen und der Auftritt des deutschen Innenministers in dieser Sache in Washington geben Anlass zu folgender Stellungnahme zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 11.7.2013, Kommentar:
"Spionage - Die Dankbaren und die Scheinheiligen" von Susanne Höll und

Junge Welt vom 10.7.2013, Leitartikel
"Uneingeschränkt" von Arnold Schölzel,

ARD/ZDF-Fernsehsendung "Mittagsmagazin" vom 10.7.2013,

ZDF-Fernsehsendung "Maybrit Illner" vom 11.7.2013
"US-Allmächtig - Kalter Krieg um unsere Daten?",

ZDF-Fernsehsendung "heute" und ARD-Fernsehsendung "Tagesschau" vom 13.7.2013

SZ-Leitartikel "Mein lieber Freund" von Nico Fried, 13.7.2013

Enthüllungen von Edward Snowden
eine große Herausforderung für deutsche Medien

Der SZ-Kommentar von Susanne Höll "Spionage - Die Dankbaren und die Scheinheiligen" (11.7.2013) deckt ganz nüchtern die Null-Reaktion des Bundeskanzleramts auf gegenüber den inakzeptablen Moloch-Spionage-Aktivitäten der USA in Deutschland und Europa. "Was folgt daraus?" fragt zutreffend die Journalistin und schreibt weiter: "Die Bundesregierung weigert sich zu sagen, dass sie die Vereinigten Staaten nicht zu einem Kurswechsel zwingen kann... Friedrich (der CSU-Innenminister) wird bei seiner US-Reise nichts anderes als ein einsamer Bittsteller sein.... Aber warum muss Friedrich dann eigentlich noch in die USA reisen? Weil die Regierung den Eindruck vermitteln möchte, sie setze sich für Freiheitsrechte ein. Das Ende der Scheinheiligkeit ist nicht in Sicht."

Inzwischen hat sich die Reise des CSU-Innenministers nach Washington in der Tat als vollkommen erfolglos erwiesen. Wie der Erste Parlamentarische SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann zutreffend erklärte, war Friedrichs Auftritt eine Null, ohne konkrete Ergebnisse, einfach ein Desaster. Die USA haben ihn in Washington abblitzen lassen. (ZDF-Heute vom 13.7.2013, 19 Uhr). Lediglich ein erbärmlicher CSU-Bundesinnenminister applaudiert sich selbst. Er will sein Scheitern vor den USA nicht einsehen und bleibt völlig realitätsfremd bei der Illusion eines inexistenten Erfolgs getäuscht: Ein Handschlag und ein Guten Tag mit dem US-Vizepräsidenten vor der Kamera genügen selbstverständlich nicht, um den größten Spionage-Skandal aller Zeiten aufzuklären. Das ZDF-Heute-Journal vom 13.7 - im Gegensatz zur "Tagesschau" - versäumte, die Kritik der anderen oppositionellen Parteien bekannt zu geben: Bündnis90/Die Grünen und Die Linke, die sich genauso kritisch wie die SPD gegenüber der Union äußerten, eine betrügerische CDU/CSU, die abzuwählen ist.

In der ARD/ZDF-Fernsehsendung "Mittagsmagazin" vom 10.7.2013 wurde klar und offen bekundet (später entfiel diese Nachricht), dass alles legal sei, denn es bestünden Vereinbarungen mit den USA, die die Spionage erlauben würden. Diese Realität ist der wahre Skandal. Aber offiziell duckt man sich weg: Keine Reaktion. Schweigen. Bundesregierung, Regierungsparteien und Opposition scheinen sich gut damit abzufinden. Und die deutsche Öffentlichkeit verhält sich servil und untertänig wie immer, anstatt auf einer rechtsstaatlichen Basis in die Offensive zu gehen, um die Rechte Deutschlands gelten zu lassen oder wiederzugewinnen, da die deutsche Einheit nicht rechtsstaatlich vollendet wurde. In Sendungen wie "Presseclub", "Hart aber Fair", "Anne Will", "Maybrit Illner" und "Münchner Runde" sollte der Journalist Heribert Prantl auftreten und andere Persönlichkeiten, wie die alten FDP-Politiker und Juristen Gerhart Baum und Burkhardt Hirsch, um die Sache beim Kern anzupacken, nämlich die massiven Verstöße gegen Menschenrechte durch den US-Partner, was natürlich Auswirkungen auf die Partnerschaft haben muss.

Bei der ZDF-Sendung Maybrit Illner am 11.7, 22.15 Uhr: "US-Allmächtig - Kalter Krieg um unsere Daten?" hat der junge Amerikaner Jacob Appelbaum den Kern der Sache genau richtig angepackt, indem er ausdrücklich auf die Rechtsstaatlichkeit Deutschlands und seine Institutionen, Gerichte eingeschlossen, hinwies, die sich einschalten sollten, wenn es massive Verstöße und Angriffe gegen Verfassungsrechte gibt, wie jetzt bekannt ist. Asyl für Edward Snowden zu genehmigen, wäre eine richtige würdige Antwort, sollte es die deutsche politische Klasse mit ihren Stellungnahmen ernst meinen. Jacob Appelbaums Ansichten verdienten den Applaus des Publikums. Inzwischen hat sich die hochkarätige US-Politikerin Nancy Pilosi, Mitglied im Repräsentantenhaus und Fraktionsvorsitzende der Demokraten, für die Menschenrechte von Edward Snowden geäußert. (Meldung vom 13.7.2013) Es ist höchst wünschenswert, dass die Duma auf dem Grundsatz der geltenden Menschenrechte eine einstimmige Resolution verabschiedet, um dem verfolgten jungen Amerikaner Edward Snowden den erforderliche Schutz sicherzustellen. Eine solche parlamentarische Resolution würde dem Präsidenten Wladimir Putin den Weg zu einer Entscheidung ebnen und ihn angesichts der zu erwartenden medialen Angriffe aus den gelenkten Demokratien Europas in seiner Position stärken.

Deutschland hat immer noch ein Provisorium als Verfassung, das Grundgesetz von 1949, aber keine endgültige Verfassung. Das war im Prozess der deutschen Einheit auch mit den Amerikanern abgemacht. Es gab keine primäre deutsch-deutsche Vereinbarung an einem Runden Tisch zwischen beiden deutschen Staaten, um die Zukunft Deutschlands selbst bestimmen zu können. Aber eines ist klar: Die Umstände haben sich grundsätzlich geändert. Gerade die grundsätzliche Änderung der Umstände (clausula rebus sic stantibus = Bestimmung der gleichbleibenden Umstände) erlaubt rechtlich das Beenden eines jeden Vertrages, die Loslösung von jeder Verpflichtung eines Abkommens, das nicht den heutigen Umständen entspricht, in diesem speziellen Fall Deutschlands nicht einmal den damaligen Zweck erfüllte. Neue Aggressionskriege, die ausgerechnet einer der Partner Deutschlands in den letzten Jahrzehnten einfädelte und führte, beweisen den Verfall dieses Partners in rechtswidrigen Verhältnisse, ja in Rechtsbrüche, die das gegenseitige Vertrauen zerstören. Das war allerdings unvorhersehbar, als bestimmte Verträge mit diesem Partner, mit dieser Supermacht von Deutschland unterschrieben wurden. Diese neue gravierende Lage autorisiert jede selbstbewusste Regierung, sich von jeder Verpflichtung gegenüber den USA zu entbinden.

Dieses Anliegen muss jetzt die aktuelle Agenda der internationalen Politik bestimmen und sollte außenpolitisch thematisiert werden. Nicht die Haltung der USA, nicht die Haltung eines amerikanischen Präsidenten. Es ist die Haltung hierzulande, was interessiert, die Reaktion der Bundesregierung und Volksvertreter Deutschlands. Der Leitartikel von Nicolas Richter "Obamas Schweigen" lenkt die Aufmerksamkeit von der eigenen Verantwortlichkeit gegenüber dem eigenen Land ab. Was Obama tut oder unterlässt, ist eine andere Sache, auf die wir keinen oder sehr wenig Einfluss haben. Wichtig ist, was die Politik hierzulande tut, wie sie reagiert und reagieren muss auf den massiven unverhältnismäßigen US-Angriff auf das Grundgesetz. Da muss die deutsche Öffentlichkeit den Hebel ansetzen.

Welche Ziele hatten die Urheber der deutschen Einheit, der CDU-Kanzler Helmut Kohl und der FDP-Außenminister Hans-Dietrich Genscher? Waren sie sich 1989/1990 darüber im Klaren, dass die Souveränität des Landes auf dem Spiel stand? Wurde Helmut Kohl in Camp David von US-Präsident George Bush Sr. und seinem Außenminister James Baker erpresst? Wenn ja, womit? All diese Fragen sind zu beantworten, wollte Deutschland volle Klarheit über seine gegenwärtige Lage erlangen, um richtige Entscheidungen für seine Zukunft zu treffen. Befreiung ist angesagt. Sie beginnt in den Köpfen eines jeden Bürgers, aber allen voran in den Redaktionen der Medien, um dabei zu helfen, das Land auf rechtmäßige Bahnen zu lenken, ohne fremde unzulässige Einmischung. Die Medien haben über die Aktivitäten der Stasi in der DDR immer einen großen Wirbel gemacht. Bei der gegenwärtigen Moloch-US-Spionage in Deutschland handelt es sich um ein höchst gravierendes Ereignis, angesichts der hoch entwickelten Technik von heute, die damals bei der Stasi noch gar nicht existierte.

Ein konstruktiver Beitrag der Süddeutschen Zeitung zur Aufklärung über US-Verhältnisse in diesem Spionage-Skandal ist der Artikel "Die Vereinigte Stasi von Amerika" von Daniel Ellsberg, veröffentlicht im SZ-Feuilleton am 11.7.2013. Die SZ-Redaktion stellt uns den Autor vor:

<Daniel Ellsberg gilt als der bisher wichtigste Whistleblower in der amerikanischen Geschichte. Er wurde 1971 als Spion angeklagt, weil er die Pentagon Papers kopiert und an Zeitungen weitergeleitet hatte... Dieser Bericht dokumentierte die Beziehungen zwischen den USA und Vietnam von 1945 bis 1967... Vor allem aber zeigten diese Unterlagen, wie die amerikanische Öffentlichkeit getäuscht und in den Krieg getrieben worden war.... Die Pentagon Papers trugen maßgeblich dazu bei, dass sich die amerikanische Öffentlichkeit gegen den Vietnamkrieg stellte.> Daniel Ellsberg in seinem SZ-Artikel vom 11.7.2013 auszugsweise zufolge:... <Snowden glaubt, dass er nichts Falsches gemacht hat... dem kann ich nur voll und ganz zustimmen. Mehr als 40 Jahre nach meiner unautorisierten Herausgabe der Pentagon Papers bleiben solche Leaks das Lebenselixier einer freien Presse unserer Republik. Eine Lektion der Pentagon Papers und von Snowdens Leaks ist ganz einfach: Geheimhaltung korrumpiert ebenso wie Macht. ... Als Pentagon Papers (durch meine Enthüllung) bekannt wurden, begriff ich sehr rasch, dass der Kongress und das amerikanische Volk von nachfolgenden Präsidenten belogen und in einen hoffnungslos verfahrenen Krieg hineingezogen worden waren, der von Beginn an illegitim war....Snowden hatte diese bestürzende Erkenntnis, als er Zugang zu Dokumenten der National Security Agency bekam... Da fand er heraus, dass er für eine Überwachungsorganisation arbeitete, deren Allmachtanspruch es war, "über jedes Gespräch und jede Form des Verhaltens in der Welt Bescheid zu wissen", wie er dem Guardian-Journalisten Glenn Greenwald erklärte. Das war in der Tat so etwas wie eine globale Erweiterung der Stasi, des Ministeriums für Staatssicherheit in der stalinistischen Deutschen Demokratischen Republik, dessen Ziel es war, <alles zu wissen>. Wie Snowden dem Guardian berichtete, "ist es dieses Land wert, dass man sein Leben dafür lässt". Und, wenn nötig, ins Gefängnis geht - lebenslang. ...

Ich hoffe, er findet einen Zufluchtsort, an dem er vor der Entführung oder Ermordung durch US-Spezialeinsatzkräfte so sicher wie nur möglich ist, nach Möglichkeit ein Ort, an dem er frei sprechen kann. Wenn wir seinen Enthüllungen, und den daraus folgenden Herausforderungen gerecht werden, hat er uns die größte Chance gegeben, dass wir uns vor einer vollkommen außer Kontrolle geratenen Überwachung retten, die alle effektive Macht an die Exekutive und ihre Geheimdienste verschiebt: An eine Vereinigte Stasi von Amerika.> ( "Die Vereinigte Stasi von Amerika" von Daniel Ellsberg, im SZ-Feuilleton am 11.7.2013)

Gewiss ergibt sich aus den Enthüllungen von Edward Snowden eine große Herausforderung, die größte Chance für die deutschen Medien, vor allem für couragierte Journalisten ihr Land, Deutschland, auf die richtigen Bahnen zu lenken.

Staatsmacht muss endlich eingeschränkt werden, und zwar innerhalb von Recht und Gesetz, wie es zu einem Rechtsstaat gehört. Sollte die Moloch-US-Spionage legal sein, ist sie gewiss nicht rechtmäßig, nicht legitim und auch nicht akzeptabel. Verbündete Staaten spionieren sich gegenseitig nicht aus, sondern kooperieren auf einer Vertrauensbasis. Das Vertrauen Deutschlands ist durch die Zumutung der NSA in einem unvorstellbaren Ausmaß missbraucht worden. Welches Recht und welches Gesetz könnten gemeint sein? Diese Frage stellt der Journalist Arnold Schölzel in seinem Leitartikel "Uneingeschränkt", Junge Welt vom 10.7.2013 "Bis heute sind Geheimverträge gültig, die es den früheren Besatzungsmächte gestatten, nach Belieben ... (Grundrechte) zu missachten. Das wurde und wird in der veröffentlichten Meinung der Bundesrepublik selten thematisiert. .. Die Suche danach (nach Recht und Gesetz) führt zurück in jene Zeit, als Gerhard Schröder nach dem 11.September 2001 die <uneingeschränkte Solidarität> der Bundesrepublik mit den USA verkündete und Otto Schily das Supergrundrecht auf Sicherheit proklamierte.... In Washington lautete... die Tageslosung Krieg, und unter Führung der Regierung aus SPD und Grünen zog die Bundesrepublik mit nach Afghanistan.... An die Stelle von Grundrechte, Verfassung und Schutzrechten für Bürger insgesamt (wurde) nicht das Kriegsrecht zu setzen, sondern gar kein Recht.... Die <uneingeschränkte Solidarität> bestand in der uneingeschränkten Auflösung des Rechts, d.h. um einen Krieg auch gegen die eigene Bevölkerung." (Aus dem Leitartikel "Uneingeschränkt" von Arnold Schölzel, Junge Welt, 10.7.2013)

Die Maßlosigkeit und das Ausmaß der US-Überwachung Deutschlands und Europas ist gewiss viel schockierender, empörender und bestürzender, als es damals bei der Stasi innerhalb der DDR je sein konnte. Bis heute noch versuchen Figuren der alten Bush-Regierung mit dem Konstrukt „Krieg gegen den Terror“ weiter Angst in Deutschland zu verbreiten, es zu terrorisieren, wie es äußerst abstoßend bei der Sendung Münchner Runde am 9.7.2013 zu bemerken war, wo sich der neokonservative amerikanische Journalist Don Jordan in diesem Sinne in Szene setzte. Er hatte im anwesenden Spiegel-Journalisten sogar einen Gefolgsmann, beides dubiose Gestalten, die einer verheerenden zu überwindenden Vergangenheit der Bush-Ära angehören.

Es ist an der Zeit, niemanden zu öffentlichen Sendungen einzuladen, der sich gegen den US-Präsidenten Obama wendet, sondern Journalisten, die sich zur angekündigten Wende der neuen US-Regierung bekennen. Auf diese Weise trägt die Öffentlichkeit dazu bei, Transparenz und Aufklärung in der Sache zu schaffen. Alte Ungeister, wie der Journalist Don Jordan und andere versuchen ständig, sich einzumischen, um eine sachliche professionelle Debatte zu präjudizieren mit der Absicht, den Terror weiter als Vorwand zu benutzen, um eine unverhältnismäßige totale Überwachung zu rechtfertigen. Solche Personen werden niemals für die Interessen Deutschlands, für die Interesse einer Aufklärung eintreten. Nicht einmal für die wahren Interessen ihres eigenen Landes, die der Vereinigten Staaten von Amerika, die sich in höchster rechtlicher Not befinden. Solche Figuren verachten menschliche Grundrechte. Das zeigte Don Jordan in seinen Äußerungen zu seinem Landmann Edward Snowden.

Allerdings hat der prekäre Zustand Deutschlands lange, sehr lange Schatten, die auf die Zeit von Konrad Adenauer zurückgehen. Der erste CDU-Kanzler opferte schon von Anfang an die Einheit Deutschlands und damit die Souveränität des Landes an eine fremde Bindung zu einer US-Supermacht-Organisation. Der Beitritt der Alt-Bundesrepublik zur NATO war ein törichter entfremdender Schritte dieser westdeutschen Republik, der die deutsche Spaltung nach dem Gusto von Konrad Adenauer und seiner CDU zementierte. Dadurch verwarf die CDU unter Konrad Adenauer die deutsche Einheit und die Souveränität Deutschlands. Beide wurden einer westdeutschen Unterwerfung unter die USA geopfert. Der spätere CDU-Kanzler Helmut Kohl konnte im Einheitsprozess nicht die volle Souveränität Deutschlands wiedererlangen. Kohl wurde von US-Präsident George Bush Sr. nach Camp David gerufen und dort unter Druck gesetzt, so dass Helmut Kohl nach seiner Rückkehr sofort erklärte, die Bundesregierung bleibe innerhalb der NATO. Aus dieser Entscheidung wurde eine defizitäre deutsche Einheit, deren kontraproduktiven, ja verheerenden Folgen jetzt für jeden klar erkennbar sind. Das ist die Geschichte, an deren Ende der jetzt publik gewordene Spionage-Skandal steht, eine ganz legale Spionage aufgrund geheimer Nachkriegsabkommen von Briten, Franzosen und US-Amerikanern mit Deutschland, die aufgrund unaufgeklärter diplomatischer Manöver, vielleicht sogar Erpressung, im Zuge der Einheit unangetastet blieben. Das muss jetzt öffentlich debattiert werden, damit es zu wirksamen Konsequenzen kommt.

Also hat sich nicht nur die SPD-Grüne-Regierung Deutschland unter das Joch der USA begeben, sondern dies ist schon viel früher geschehen und dabei geblieben, nämlich entlang aller früheren CDU-dominierten Regierungen, ohne dass jemals irgendein Schritt dagegen unternommen wurde.

Die aktuelle Regierung von Angela Merkel führt diese Willfährigkeit fort, weil sie wohl meint, gut damit zu fahren. Die Union CDU-CSU ist der verlängerte Arm der Ultras bei den Republikanern. Das erklärt auch, warum die Union versucht, die enthüllte totale Überwachung zu relativieren und sie aus der breiten öffentlichen Debatte herauszuhalten, eine vollkommen unverhältnismäßige Überwachung, die nicht unter Obama, sondern unter der Bush-Regierung in Gang gesetzt wurde. Umso schockierender die Gleichgültigkeit des Bundeskanzleramtes im Vorfeld der Reise des Bundesinnenminister nach Washington. Damit war sein schwacher Auftritt in den USA (10/11.7.2013) schon vorprogrammiert. Er bekam kein Rückhalt aus dem Bundeskanzleramt, keine Erklärung, keine stützende starke Stellungnahme der Bundeskanzlerin.

Der US-Präsident Obama schweigt, wohl um die hetzende republikanische Meute nicht weiter zu agitieren. Diese politischen Barbaren muss Obama mit den Waffen des Rechts bekämpfen, um sie hinter Gittern zu bringen. Aber er hat keine Partner in Europa außer Russland. Der Rest Europas ist in den Krallen der rückständigen Republikaner geblieben. Deshalb wäre es besser gewesen, nicht den blassen CSU-Innenminister Friedrich nach Washington geschickt zu haben, sondern die FDP-Justiz-Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die diese inakzeptabel Sache in die richtige Bahnen zu lenken weiß und eine sachlich fundierte rechtsstaatliche Erklärung in der deutschen Botschaft in Washington vor der amerikanischen Presse abgegeben hätte.

Jetzt ist die Stunde der FDP gekommen, wenn sie wieder an die alte vorbildliche Tradition von Thomas Dehler und Theodor Heuss anzuknüpfen wüsste. Dann würde sie es verdienen, als Phönix aus der Asche wieder aufzusteigen als die eigentliche politische Kraft von Bürgerrecht und Freiheit, von Souveränität und Selbstbestimmung. Eine solche Partei, die sich eindeutig für die Rechtsstaatlichkeit engagiert, wäre ein Gewinn für den Deutschen Bundestag. Sonst nicht. Das unverständliche Schweigen des deutschen FDP-Außenministers Guido Westerwelle in Sachen Menschenrechte für Edward Snowden, lässt leider keine Hoffnung zu, dass diese verirrte Partei einen völkerrechtlichen Kurs einschlägt.

Abgesehen davon sollten rechtsstaatliche Prinzipien als Fundament jeder zivilisierten Gesellschaft, auf Verständnis und Unterstützung generell bei allen Parteien stoßen. Auf jeden Fall sind alle drei oppositionellen Parteien aufgerufen, die Angelegenheit der Geheimverträge und daraus abgeleiteter Überwachungspraktiken US-amerikanischer, britischer und französischer Dienste auf eine rechtsstaatliche Basis zu bringen und diesbezüglich grundsätzliche Korrekturen von den großen Parteien zu verlangen. Voraussetzung dafür ist allerdings auch, dass es eine ausreichende rechtsstaatliche Bildung in den Schulen gibt. Verfassung, Souveränität, Selbstbestimmungsrecht sind von den Gymnasiasten gründlich zu begreifen. Sonst wächst eine ungebildete Generation heran, die gar nichts von politischer Kultur weiß. Gerade Deutschland ist der Beleg dafür, dass politische Kultur, politische Entwicklung gar nichts zu tun hat mit wirtschaftlicher Stärke.

Länder, die wirtschaftlich nicht so entwickelt sind wie Deutschland, zeigen sich fortschrittlich und politisch weiter vorangeschritten, zum Beispiel die Staaten Lateinamerikas und der Karibik: Die USA zusammen mit Kanada mussten sich die größte Schlappe ihrer Geschichte in den Beziehungen zu allen anderen amerikanischen Staaten einstecken, und zwar auf dem Sondergipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington am 9.7.2013. Dort kam es zu einer die USA verurteilenden Resolution mit 32 von 34 Stimmen. Nur die USA und Kanada stimmten nicht dafür. Weitere Resolutionen zur US-Verurteilung verabschiedeten Tage zuvor die lateinamerikanischen Staatenorganisationen UNASUR (Union Südamerikanischer Nationen) und CELAC (Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten), die sich wegen der Flugverbote der bolivianischen Präsidentenmaschine auch gegen europäische Länder richtete. Diese Resolutionen der drei wichtigsten regionalen Organisationen Lateinamerikas, darunter auch eine - die OAS -, die traditionell immer nach US-Direktiven handelte, sind aktuelle Beweise für den Verfall der USA und der gelenkten Demokratien Europas, die sich einer Supermacht unterordnen.

Journalisten und Politiker teilen die Tugenden und Fehler ihrer Völker und ihrer sozialen Umgebung. Oft ist es für sie schwerer, gegen den Strom zu schwimmen, als für jeden anderen. Es mag ihnen schwerer fallen, die Unpopularität zu riskieren, als sich für eine gerechte Sache zu engagieren. Umso bewundernswerter sind die Ausnahmen, die Kulturmenschen, die der Wahrheit und Gerechtigkeit Treue halten, sich nicht um den materiellen Schaden kümmern und sich, wenn nötig, gegen die Verhältnisse in ihrem Land, ihr eigenes Milieu, ihre eigene Partei wenden.

Der ganze Überwachungsskandal hierzulande, der von den USA, Großbritannien und anderen sogenannten befreundeten Staaten ausgeht, läuft auf eines hinaus: Deutschland muss sich jetzt endlich normalisieren, zum Schutz seiner Bewohner, seines Know-Hows, seines Wohlergehens. Aus dem fremdgesteuerten Überwachungsstaat muss eine selbstbestimmte, selbstständige Republik freier Menschen werden, die in voller Ausübung ihrer souveränen Rechte, ohne jede Einschränkung, auf ihrer Rechtsordnung beruht, auf einer selbstbestimmten Verfassung. Alle Volksvertreter sind dazu verpflichtet und aufgerufen, sich dafür einzusetzen. Hier ergibt sich ein berechtigtes Wahlkampfthema. Werden es die Parteien angemessen aufgreifen?

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait