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15. Januar 2013 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Einige grundsätzliche Überlegungen zur generellen Außenpolitik und im besonderen zum Nahen Osten führten zu folgender Stellungnahme zu

"Die Welt" vom 13.1.2013:
"Was, wenn die Araber unseren Frieden nicht wollen?" von Alan Posener

In politischen Kategorien anfangen zu denken

Mit einer westlichen paternalistischen Herablassung gegenüber Arabern und Palästinensern wird man dem erbitterten Kampf ums Heilige Land nicht gerecht. Gewiss: Nirgendwo wird die Geschichte so sehr Gegenwart wie im Heiligen Land. Aber die Blindheit für diese Gegenwart versperrt den Europäern oft das Verständnis für das Vertrackte der Probleme.

Selbst der Kalte Krieg erscheint kaum noch für irgendjemand mit gesundem Menschenverstand begreiflich, da die Europäer noch vor wenigen Jahrzehnten bereit waren, wegen dieses Konflikts die ganze Welt in den atomaren Abgrund zu reißen. Bis heute noch bleibt der Kalte Krieg ohne Analyse, ohne Aufarbeitung als ein unvermeidbares Dogma zusammen mit der NATO als heilige Kuh. So gelähmt bleibt das europäische Denken.

Die Zweistaatenlösung für Palästina ist eine Erfindung des Westens, die schon bei seinem Diktat der Teilung Palästinas durch die Vereinten Nationen im November 1948 entstand. Die arabischen Bewohner widersetzen sich einem solchen willkürlichen Diktat, das mit ihnen erst gar nicht konsultiert wurde, aber sie alle in ihrer Existenz betraf.

Bisher versteht die Achse USA/EU nicht die Reaktion der Araber, welche die Teilung nicht wollten und auch keine "Lösung" im europäischen Sinne wollen. "Die Araber haben die Weltreiche der Griechen, Perser und Römer überdauert. Sie haben die Kreuzfahrer kommen und gehen sehen. Sie warfen die Türken heraus, und nach ihnen die Briten und Franzosen." Sie hoffen oder träumen es noch, die Amerikaner und ihre Enklave Israel zu überleben. So richtig Alan Posener.

Alan Posener weiter in seinem Artikel: "Was, wenn die Araber unseren Frieden nicht wollen?" ("Die Welt" vom 13.1.2013): "Ein Stopp des Siedlungsbaus, ein Abbau der Checkpoints, die den Arabern das Leben schwer machen, eine Lockerung des Grenzregimes um Gaza, schließlich die Teilung Jerusalems, die Anerkennung des palästinensischen 'Rechts auf Rückkehr' und 'Palästinas' als Staat neben Israel: Kann das so schwer sein? Ist das am Ende nicht ein kleiner Preis, den man um des Friedens Willen zahlen sollte? Die Weigerung der gegenwärtigen israelischen Regierung, auch nur eine Anzahlung auf diesen Preis zu leisten, entspricht der schon vor Jahren bemängelten jüdischen Verstocktheit oder als Ausdruck einer 'wahrhaft alttestamentarischen' Politik des Aug um Auge, Zahn um Zahn."

Übrigens war "auch der Begründer des Zionismus Theodor Herzl nicht immun gegen diese eurozentrische Sichtweise. Nach seiner Sicht im utopischen Roman "Altneuland" (1902) werden die jüdischen Siedler in Palästina unter der wohlwollenden Herrschaft des Osmanischen Reichs nicht von einem Staat, sondern von einer Art Großkonzern regiert. Die Araber sehen die jüdische Zuwanderung gern, bringt sie doch den zivilisatorischen Fortschritt: Medizin und Bildung, Verkehr und Technik, Wohlstand und Tourismus. Wozu braucht's da eine Armee?"

"Die Araber - oder besser: ihre politischen Führer hatten aber eine eigene Agenda. Das war in der utopischen Vision von Theodor Herzl nicht vorgesehen.

Zu den jüdischen Kritikern der Revisionisten gehören die Philosophin Hannah Arendt und der Physiker Albert Einstein."

"Wohlgemerkt: Die Träume der Araber zu verstehen heißt nicht, sie zu teilen. Palästina ist Heiliges Land für Juden, Christen und Muslime. Es war auch die erste Provinz des römischen Imperiums - schon zwei Jahre nach dem Tod des Propheten - die von den arabischen Heeren überrannt wurde."
(Ende des Zitats)

Die Araber sind selbstverständlich nicht ohne Weiteres bereit, mit Israel Frieden zu schließen. Aber die Preisgabe der deutschen Position, die Sicherheit des jüdischen Staats sei Teil der deutschen Staatsräson, hat gar nichts mit dem Frieden in Palästina zu tun. Die deutsche Regierung muss aber die deutsche Staatsräson da sehen, wo sie ist, nämlich in der Sicherheit Deutschlands und nicht da, wo sie nicht ist, nämlich in einer unberechenbaren unkontrollierten Politik eines fremden Staates, dessen demokratischen Merkmale fragwürdig sind. Deshalb ist die Staatsräson Deutschlands von der Staatsräson Israels zu trennen. Diese Trennung bedeutet auch eine Selbstbefreiung der deutschen Regierung, die nicht länger Geisel der israelischen Politik bleiben darf. Deutschland als Geisel eines gewollt diskriminierenden Judenstaates bringt in der Tat den Frieden nicht näher, sondern rückt ihn in weite Ferne und damit menschliche demokratische Maßstäbe nach Gleichheit unter allen Bewohner im Heiligen Land: Juden, christliche und muslimische Palästinenser.

"Die Albträume des Chauvinismus und Faschismus, des Nationalsozialismus und Kommunismus wurden durch Krieg und Erschöpfung gebannt" wiederholt bedenkenlos Alan Posener in seinem Artikel: "Was, wenn die Araber unseren Frieden nicht wollen?" ("Die Welt" vom 13.1.2013) Das hört man sonst nur von interessierten Kreisen, die auf die Gewalt und militärische Intervention setzen. Aber wozu hat der horrende militärische Sieg in Europa geführt? Zu keiner politischen Kultur, sondern zu mehr Aggressionen, Gewalt und Terror-Export als Inbegriff von deutscher, europäischer "Außenpolitik" im XXI. Jahrhundert. Die Frage ist, wie hätte Deutschland den Faschismus vermeiden können, bevor er an die Macht kam. Niemand wurde vor fast genau 80 Jahren zum Zustimmen zum Ermächtigungsgesetz gezwungen. Generalstreiks waren und sind immer möglich. Der Kommunismus wurde in Europa durch die politische Initiative eines kommunistischen Präsidenten Russlands überwunden, also weder durch Gewalt noch durch Krieg. Und der Kommunismus hat im Gegensatz zum Faschismus keine Kriege mit Millionen Opfern geführt.

„Der Mensch ist für den Frieden geschaffen“, erkennt Papst Benedikt XVI. Die Führung der Katholischen Kirche Deutschlands bestätigt die Forderung nach mehr Engagement für den Frieden, den Appell, für Frieden zu kämpfen. "Die Gabe des Friedens wird uns zur Aufgabe gegeben. Eine Gesellschaft, die sich dieser Aufgabe nicht stellt, ist eine arme Gesellschaft - auch wenn sie materiell noch so reich wäre".

"Es ist eine Illusion zu meinen, man könne mit Waffen und Gewalt die Welt sicherer machen... Wir fördern damit nicht den Frieden in dieser Welt". Eine zutreffende Mahnung des Präsidenten der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Welches Leid Waffen anrichteten, zeige sich derzeit in Syrien, Afghanistan, im Kongo, in Israel und Palästina. (SZ vom 27.12.2012: "Deutschlands Bischöfe prangern Gewalt an") "Wir, die friedliebenden Menschen der Welt, erwarten von ihren Staatsoberhäuptern zumindest eine Einhaltung der UNO-Charta und von den Journalisten eine realistische Berichterstattung!" Brigitte Queck, Diplomstaatswissenschaftlerin Außenpolitik, Potsdam, 7.1.2013.

Die regierenden Parteien und ihre SPD-Grünen Konkurrenten brauchen dringend eine politische Kultur des Friedens zu entwickeln. Weil sie eine solche nicht entwickelt haben und sich keine Gedanken darüber machen, bleiben sie bisher im Denken und Handeln in der Barbarei der Gewalt und glauben, unter dem Deckmantel der Demokratie, ihren geistigen Mangel und Irreleitung verstecken zu können, als ob eine Demokratie ein barbarisches Verhalten zulassen oder entschuldigen würde. Deutschland, Europa benötigt, eine solide politische Kultur zu fördern, damit es sich der Friedensstiftung widmen kann, das heißt dem Primat der Politik, das eine rechtsstaatliche Demokratie und eine zivilisierte Weltordnung kennzeichnet. Eine solche Weltordnung braucht funktionierende Institutionen, keine Gewalt, keinen Knüppel, um zu funktionieren. Die großen Medien sollten nach menschlichen Maßstäben unabhängig von den herrschenden Kreisen ihre kritische Funktion ausüben und dürfen nicht weiter den Primitivismus und die Unkultur der regierenden Kreise und SPD/Grünen widerspiegeln.

Bezeichnenderweise wurde in New York am 20.12.2012 eine UN-Resolution vorgelegt, in welcher der heutige Neofaschismus und Rassismus einstimmig verurteilt werden ebenso wie Nazi-Aufmärsche und die Errichtung von Denkmälern, welche die Waffen-SS glorifizieren. Die Resolution wurde aber von zwei Staaten und einem Insel-Zwergstaat abgelehnt (den USA, Kanada und Palau). Die EU enthielt sich komplett. Die Schande der US-amerikanischen Ablehnung und EU-Enthaltung zeigt, wie tief Europa in Neofaschismus und Gewalt gesunken ist, ein Alarm für die ganze Welt. Das ist der Preis eines fehlenden politischen, rein militärischen vernichtenden Sieges über den Faschismus, den Nationalsozialismus. Humanistische Überzeugung, Grundsätze und menschliche Werte der Zivilisation sind dabei auf der Strecke geblieben.

Journalisten und Politiker müssen die ehrenvolle humanistische internationale Politik des antifaschistischen Deutschland schätzen lernen, sollten sie nach dem niederträchtigen Faschismus und den unseligen Kriegen in Europa zivilisatorische Werte wirklich preisen. Stattdessen ergab sich hier eine seltsame "demokratische" Art, mit der faschistischen Vergangenheit umzugehen: Faschistische Nazi-Eliten traten in Westdeutschland ein und bestimmten die Regierungspolitik ab 1945, während die antifaschistischen DDR-Eliten im neuen Deutschland ab 1990 gekapert wurden! Eliten, die die antifaschistische deutsche Republik wegen ihrer friedlichen internationalen Politik zur weltweiten Anerkennung führten, eine internationale Politik, die Achtung, Gleichheit und Freiheit für alle Menschen bezeugte und den Dialog als Instrument für Konfliktlösung anstrebte. Gerade das fehlte und fehlt weiter bei der Entwicklung zur Demokratie und Zivilisation im neuen Deutschland, dessen Wurzeln und Neigung zum Faschismus nicht durch konstruktive verankerte humanistische Werte ersetzt worden sind.

Also der militärische Sieg über den Nationalsozialismus ist nicht weiter zu glorifizieren, denn er kostete einen 2. Weltkrieg mit 60 Millionen Toten: Kein Vorbild für niemanden! Es ist höchste Zeit, in politischen Kategorien anfangen zu denken, denn Konflikte wird es auf dieser Erde immer weiter geben. Mit einem interventionistischen militaristischen alten Denken schaffen Deutschland und Europa unkalkulierbare weitere Destruktion und Vernichtungsfelder in der ganzen Welt. Das ist keine menschliche Lösung und ist auf alle Fälle zu vermeiden, ganz einfach aus gesundem Menschenverstand zum Wohle der Menschheit.

Wenn Amerika und die westlichen Großmächte noch einen Rest ihrer einst führenden Rolle in der Welt erhalten wollen, müssen sie sich von der Bedrohungs-, Abschreckungs- und Interventionspolitik verabschieden und sich stärker um die Wurzeln der internationalen Probleme kümmern. Der ehemalige britische Außenminister Douglas Hurd trug dem Londoner Königlichen Institut für auswärtige Angelegenheiten vor einigen Jahren einige vernünftige Grundsatzlinien zur Weltpolitik vor: Gewiss existiere im Westen ein Interesse an einer friedvolleren Welt, „aber wir können nicht überall sein und können nicht alles tun.“ Alle Länder stießen da auf Grenzen, was dann auch dem Handeln der Vereinten Nationen Schranken setzte. Die Vereinten Nationen seien weit davon entfernt, eine „imperiale Rolle“ spielen zu können. „Wo wir handeln, muss unser Handeln verhältnismäßig sein.“ (Die Zeit, 5.2.1993).

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait