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19. September 2010 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

In der kommenden Woche wird sich Deutschland in der Vollversammlung der Vereinten Nationen offiziell einer Kampfabstimmung stellen, bei der es um die zeitlich begrenzte Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat geht, aber Kanada und Portugal sind Gegenkandidaten - Anlass zu folgendem Kommentar zu

Süddeutsche Zeitung vom 16.9.10 von Daniel Brössler:

„Deutsche Bewerbung für Sicherheitsrat“

Chance verpasst

Aus der Süddeutschen Zeitung (16.9.2010) ist zu entnehmen, die Bundesregierung wolle sich noch einmal vor der UN-Vollversammlung bewerben und sich einer Kampfabstimmung gegenüber Portugal und Kanada stellen, um einen Sitz im Sicherheitsrat zu bekommen. Seit vielen Jahren träumt die Bundesrepublik davon. Allerdings ist es für die ganze Menschheit besser, sie weiter davon träumen zu lassen ...

Hat die Bundesrepublik jemals humanistische Werte und die Bedeutung des Weltfriedens betont? Die Weltstaatengemeinschaft wüsste nicht wann, jedoch erinnert sie sich sehr wohl an die eindeutige wiederholte Botschaft eines anderen Deutschland, ein Deutschland, das auf internationale universelle humanistische Prinzipien gegründet war, ein Deutschland, das heute nicht mehr existiert, aber Motiv für Ehre und Stolz aller Deutschen und friedfertigen Menschen ist: Die Deutsche Demokratische Republik. Darüber zu sprechen oder zu schreiben ist im heutigen Deutschland tabu.

Die Deutsche Demokratische Republik betonte immer wieder den Weltfrieden, die Abrüstung und die humane Solidarität mit allen Unterdrückten. Diese Ansätze haben ihre Außenpolitik geprägt. Deshalb wurde die DDR mehrmals Mitglied des UN-Sicherheitsrates und sogar Präsident der UN-Vollversammlung mit größter Unterstützung der Weltstaatengemeinschaft, ohne besondere Bestrebungen, ohne großes Aufheben, ohne Brimborium. Nicht aber die Bundesrepublik, die sich seit der sogenannten Wiedervereinigung 1990 auf eine aggressive Außenpolitik eingelassen hat. In der Tat ist die Bundesrepublik Deutschland seitdem in den Kreis der aggressivsten imperialistischen Staaten zurückgekehrt und weltweit in Militär- und Kriegseinsätze verwickelt. In dieser unehrenhaften Gesellschaft fühlt sie sich wohl und möchte mit mehr Gewicht offiziell agieren, und zwar im UN-Sicherheitsrat.

Die UNO ist gegründet worden, um Kriege zu verhindern, nicht um aus irgendeinem Grund Mandate zum Krieg-Führen zu erteilen, was tatsächlich auch noch nie vorgekommen ist, wenn man sich einmal eingehender mit den relevanten UN-Resolutionen beschäftigt. Nicht einmal die UN-Resolution, die in den Medien und von interessierten westlichen Regierungen, darunter Deutschland, Anfang 1991 ebenso als Mandat zum militärischen Eingreifen, zum Krieg gegen den Irak ausgegeben wurde, enthielt eine Aufforderung zum Krieg ebenso wie die UN-Resolutionen zu Afghanistan 2001. Letztendlich stellte damals (1991 und 2001) das Vorgehen der Vereinten Nationen eine Tolerierung eines Angriffskrieges dar, dessen Völkerrechtswidrigkeit anzuerkennen oder festzustellen noch aussteht. Übrigens, aus den damaligen UN-Resolutionsentwürfen waren sogar die Wörter "militärische Gewalt" zuvor gestrichen worden, bis es zur endgültigen Formulierung kam, ohne diese unpassenden Worte. Gerade um Gewalt auszuschließen im Sinne der UN-Charta sind die UN-Resolutionen restriktiv zu interpretieren. Statt dessen daraus eine offene Tür für Bombenangriffe oder gewalttätige militärische Interventionen als Rechtfertigung zu konstruieren, war die dumm-dreiste Verdrehung der Tatsachen und der Rechtsauslegung in dieser Frage ohne gleichen. Die Krönung: Diese extremistische Haltung wird aus der reaktionären Mitte Deutschlands verkauft, nämlich von der CDU/CSU-SPD-FDP-Führung propagiert. Extrem demagogisch, ja populistisch klingt die Äußerung des FDP-Chefs, der sich anmaßt wie Kaiser Wilhelm, den Krieg zu verteidigen, denn „es geht um Deutschland“. Solche Politiker, die unverschämt einen Krieg im Sinne Deutschlands verteidigen, gehören nicht länger in den Bundestag, nicht als Minister im Kabinett einer angeblichen friedfertigen verantwortungsvollen Bundesregierung und schon gar nicht in die Öffentlichkeit.

Hätte Deutschland die weltweite Sehnsucht der Menschheit nach Frieden und Stabilität begriffen und verstanden, hätte es die Chance 1990 nicht verpasst, sich von einem aggressiven illegitimen Militärbündnis zu befreien und eine Außenpolitik auf dem Boden des Völkerrechts aufzubauen. Auf diese Weise hätte Berlin die ganze Welt hinter sich, so wie einmal der französische Außenminister Dominique de Villepin die Welt hinter sich hatte, als er in den Vereinten Nationen resolut und leidenschaftlich mit überzeugender Kraft seine Stimme für das internationale Recht und Gesetz erhob und daraufhin die Vertreter der Völkergemeinschaft in Ovationen aufsprangen. Niemand anderes hatte sich so entschieden gegen den US-Angriff auf den Irak (2003) eingesetzt. Wann hat ein deutscher Kanzler, wann hat eine deutsche Kanzlerin, ein deutscher Außenminister das Völkerrecht, das Mandat der Vereinten Nationen angesprochen? Nicht einmal die deutsche Öffentlichkeit kann auf der Basis des Völkerrechts argumentieren, weil das Völkerrecht in Journalismus-Schulen nicht unterrichtet wird. Nicht einmal ein ethisches Fundament ist bei Repräsentanten der deutschen Außenpolitik und bei Journalisten der deutschen Medien zu erkennen. Deshalb ist es leicht, deutsche Journalisten und parlamentarische Mitarbeiter in die Irre zu führen, sie für Aggression und Krieg zu benutzen.

Die Vereinten Nationen sind häufig für aggressive Zwecke missbraucht worden. Dieser Tatbestand ist Grund genug für ein mutiges und seriöses Engagement von Journalisten und politische Persönlichkeiten, die sich im Namen der Rechtsstaatlichkeit und der Zivilisation hier einsetzen müssen. Das Völkerrecht darf nicht weiter ignoriert werden. Esoterik gehört nicht zur Politik. Der Versuch, die rechtsstaatliche Verantwortung durch eine "moralische Verantwortung" zu ersetzen, ist in einem Rechtsstaat absolut unzulässig, weil dort nicht die Gesinnung seiner Repräsentanten gesetzlich geregelt ist, sondern ihre Handlungen und deren Folgen.

Als die deutsche Einheit 1990 zustande kam, dachten viele gut gläubigen Menschen in Europa und auf der ganzen Welt, es beginne jetzt eine glückliche Zeit voller Hoffnungen auf einem Kontinent des Friedens und vielleicht sogar eine Zeit der Abrüstung. Bald zeigte sich diese Hoffnung aber als eine bittere große Enttäuschung.

Der Prozess der deutschen Einheit, deren erste Auswirkung die Einbeziehung des ganzen deutschen Territoriums in die NATO war, wurde vollendet mit der Wiedergeburt einer militärischen Großmacht, von der viele glaubten, sie sei 1945 endgültig untergegangen.

Es begann kein Zeitalter der Abrüstung, kein Zeitalter des Friedens. Im Gegenteil: Ein Jahr danach entstand ein Europa, ein Deutschland, das fast völlig von einer kontrollierten US-Militärmacht beherrscht wurde. Die Bundesrepublik wurde ihr Handlager. Sie handelt bedingungslos ergeben als USA-Vasall. Die Weltgemeinschaft muss sich dem Problem stellen: Sie hat genug mit einer Supermacht, der USA, die am Rand des Völkerrechts agiert und die Welt immer weiter mit Kriegen plagt. Zumindest haben die USA jetzt einen Präsidenten, der sich für die richtige Wende erklärt hat. Nicht aber Deutschland, dessen politische Führung sich mit der Bush-Rhetorik des Krieges gegen den Terror identifizieren. Dieses Deutschland im Sicherheitsrat zu haben, wäre ein noch größeres Problem, ein enormes Risiko, das sich die Weltgemeinschaft nicht leisten kann, weil seine Konsequenzen unübersehbar unkalkulierbar sind.

Man kann Deutschlands Finanz- und Wirtschaftspotential bedenken, aber das berechtigt es nicht, das Völkerrecht zu ignorieren und die zugehörigen tragenden Pflichten und Aufgaben der Vereinten Nationen, nämlich für den Weltfrieden und Abrüstung zu sorgen und einzutreten. Obwohl der US-Präsident eine Agenda für nukleare Abrüstung vorlegte, hat Berlin dazu nichts beigetragen. Ein Land, das nicht weiß, seine Souveränität wahrzunehmen und konsequent zu handeln, ein Land, das aus Mangel an Bildung die Sprache des Humanismus und des Friedens nicht kennt, ist völlig unreif für den Kreis im Sicherheitsrat, dessen Funktion ist, den Weltfrieden zu bewahren.

Es ist höchste Zeit, die allgemeinen zivilisierten Prinzipien der Rechtstaatlichkeit gelten zu lassen, vor allem was die internationalen Beziehungen betrifft. Diese Prinzipien sind die Grundlage der Charta der Vereinten Nationen und so muss es bleiben. Andernfalls verwandeln wir unsere Welt und das friedliche Zusammenleben aller Völker in reine Willkür und das Völkerrecht in das Gesetz des Dschungels. Das wäre für Europa allerdings nichts neues, ein ungeheuerliches déjà-vue Szenarium in Deutschland und Europa. War es etwa nicht schrecklich genug? Muss in Europa erst noch viel schlimmeres passieren? Der Rest der Welt kann gut und gerne auf Europa verzichten. Ein Europa von Hochstaplern, Gaunern, Hehlern und Banditen, von Mördern und Mordkomplizen wird sicherlich nicht gebraucht.

Wie jede Hoffnung ist die Hoffnung auf ein Deutschland innerhalb völkerrechtlicher Bahnen nicht aufzugeben. Schon ein Wechsel in der deutschen Führung könnte diese erwünschte Wende bewirken. Alles andere ergäbe sich dann von selbst. Die Welt wüsste dem erforderlichen Wandel Rechnung zu tragen. Die erhoffte Wende Deutschlands wäre bereits für alle UN-Mitgliedsstaaten ein großer Gewinn.

Während,dessen sind Portugal und Kanada viel bessere vertrauenswürdigere Kandidaten für den UN-Sicherheitsrat, denn es sind Länder, die sich für die großen Aufgaben der ganzen Menschheit selbstsicher souverän und völkerrechtlich manifestieren.

Luz María De Stéfano de Lenkait