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1. Juni 2010 . Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Auch wenn von vielen Seiten in allen Ländern der Welt schon die richtigen Worte zu den unfassbaren perfiden verbrecherischen Mord- und Terrorangriffen der israelischen Armee auf den Schiffskonvoi mit Hilfsgütern für Gaza gefunden wurden, hier eine weitere Stellungnahme zum

Artikel in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 1. Juni 2010:

"Weltweite Empörung über Israel" von Peter Münch

Harte Konsequenzen für Terrorstaat Israel

Professor Dr. Norman Paech, von 2005 bis 2009 Bundestagsabgeordneter und außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, räumte als einer der ersten Defizite der Linkspartei hinsichtlich ihrer Nahostpolitik ein und hat in einem offenen Brief am 15.4.2010 an die Politiker der Partei Die Linke eine solidarische Politik als Voraussetzung für die Durchsetzung einer friedlichen Lösung des Israel-Palästina-Konfliktes angemahnt. Nach dem menschenverachtenden Angriff der israelischen Armee auf einen unbewaffneten Hilfskonvoi von Schiffen auf internationalem Gewässer am 31.5.2010 wird sein Hauptgedanke aktueller denn je. Norman Paech verweist zu Recht auf die fehlende realistische Nahost-Politik der deutschen Bundesregierung und der EU, ein Mangel, der überhaupt erst das Umfeld für ein derart kriminelles Regierungshandeln Israels  erlaubt, wie jetzt wieder mit anzusehen ist. Übrigens befand sich unter den Passagieren der angegriffenen Hilfsschiffe auch dieser engagierte Professor, dessen Gedanken zum europäischen Mangel an einer wirksamen Nahost-Politik zu paraphrasieren sind.

Angesichts der dramatischen Verschärfung des israelisch-palästinensischen Konflikts sind die Lehren aus der deutschen Geschichte und die besondere Verantwortung für den Konflikt neu zu überdenken. Die Sorge der Palästinenser und der arabischen Welt um eine europäische Politik, die gerade in dem Palästina-Konflikt maßgeblich von der deutschen Regierung beeinflusst und geprägt wird, ist begründet. Diese Politik rechtfertigt faktisch die israelische Besatzungspolitik und unterstützt sie aktiv. Die Stellungnahmen der israelischen Regierung und vor allem ihre politischen Aktivitäten sind bisher immer mit wohlwollendem Wegschauen seitens deutscher Politik bedacht worden, was geradezu als Unterstützung der offen völkerrechtswidrigen israelischen Politik verstanden werden kann. Wird das so bleiben?

Im Koalitionspapier der beiden Regierungsparteien CDU/CSU und FDP steht ein Passus, in dem sie sich zur Garantie eines „jüdischen Staates“ Israels verpflichten, wie es auch Netanjahu seit seiner Koalition mit Liebermann fordert. Diese fatale Komplizenschaft hat die Linke nie mitgemacht. Von einem „jüdischen Staat“ auszugehen, stellt eine zusätzliche massive Bedrohung für die nicht-jüdische Bevölkerung dar, die eine solche restriktive Definition ausschließt, wie die palästinensische, die christliche und muslimische Bevölkerung, die die Mehrheit in Israel darstellt. Sollte die Existenz des Staates Israels garantiert werden, sollte auch die Existenz eines palästinensischen Staates garantiert werden, begleitet von der Einhaltung aller völkerrechtlichen Verpflichtungen.

Die Opposition, die Linke eingeschlossen, gibt kein einheitliches und überzeugendes Bild der Kritik an der Regierungspolitik ab. Vor allem hat die Opposition keine Perspektiven für Alternativen zur Lösung des Konfliktes entwickelt. Sporadische Presseerklärungen definieren keine ausreichende Politik angesichts eines der längsten und schwersten Konflikte in der Welt, der weit über die enge Region und die Nachbarländer hinaus den ganzen Mittleren Osten seit Jahrzehnten destabilisiert. Er hat nicht nur äußerst brutale Kriege verursacht, sondern droht gerade jetzt einen Krieg gegen Iran mit weitaus katastrophalen Auswirkungen auszulösen. Der jüngste begangene Angriff am 31.5.2010 ist ein weiterer Angriff gegen die Menschlichkeit. Es ist nicht das erste Mal, dass Israel keinen Funken von Menschlichkeit zeigt. Schon der Gaza-Angriff 2008/2009 sprengte jede Verhältnismäßigkeit und alle menschlichen Normen.

Die deutsche und europäische Nahost-Politik der vergangenen Jahre hat den Friedensprozess in keiner Weise gefördert. Im Gegenteil: Sie hat zur Aufrechterhaltung der Besatzung und zur umfassenden Repression der palästinensischen Bevölkerung beigetragen. Sie hat in der Tat die Militarisierungsprozesse, Erziehung zum Rassismus und zur Intoleranz in der israelischen Gesellschaft verstärkt. Druck auf Israel hätte längst ausgeübt werden müssen: Nicht nur muss Israel den Siedlungsbau stoppen, wie es jetzt zwar allgemein, aber ohne jeden Nachdruck gefordert wird, sondern Israel muss sich auch aus den seit 1967 besetzten Gebieten zurückziehen, es muss die Annexion Ost-Jerusalems aufgeben und die Blockade des Gazastreifens beenden. Es sind alles altbekannte, vom Völkerrecht getragene und von der UNO zig-mal wiederholte Forderungen. Warum sind die europäischen Staaten und die USA nicht willens, diese Forderungen gegenüber Israel durchzusetzen, obwohl sie politisch sehr wohl dazu in der Lage wären, und zwar durchaus zum Nutzen Israels? Warum hat die gesamte Opposition, die Linke eingeschlossen, entweder nicht die Einsicht oder nicht den Mut in aller Konsequenz und mit allem Nachdruck gegenüber der eigenen und der israelischen Regierung auf die Durchsetzung dieser Forderungen zu dringen? Regierung und Opposition müssten sich uneingeschränkt für die Durchsetzung des Völkerrechts einsetzen, was auch bedeutet, dass die Verbrechen des Gaza-Krieges gerichtlich geklärt werden und der Goldstone-Bericht juristisch und politisch umgesetzt wird.

Eine neue Debatte über die Bedeutung deutscher Verantwortung für das Geschehen im Nahen Osten ist dringend erforderlich. Daran müssen alle Bundestagsabgeordnete teilnehmen. Niemand wird sich davon ausschließen dürfen.

Die Unverhältnismäßigkeit des Überfalls der israelischen Armee auf den unbewaffneten Hilfskonvoi mit Gütern für die eingesperrte Bevölkerung im Gazastreifen ist so offensichtlich, dass sich jede, auch jede rethorische Frage danach erübrigt. Jede Person im Besitz ihrer Sinne kann einsehen, wie verbrecherisch, wie verrückt und inakzeptabel es ist, unbewaffnete Zivilisten anzugreifen, die Hilfsgüter an seit Jahren isoliert lebende Menschen verteilen wollten. Der Angriff, der auf internationalem Gewässer begangen wurde, bedeutet ein Angriff gegen die gesamte internationale Staatengemeinschaft, die gesamte Menschheit. Darüber hinaus ist Gaza kein israelisches Territorium, sondern illegal besetztes Land nach zahlreichen UN-Resolutionen, die Israel ständig missachtet. Humanitäre Hilfe kennt keine Grenze, wie der deutsche Außenminister Guido Westerwelle zutreffend sofort klarstellte. Umso deplazierter und aus der Luft gegriffen die Frage der Kanzlerin nach der Verhältnismäßigkeit des mörderischen israelischen Überfalls. Viel wichtiger ist die Frage, wer einen solchen verrückten menschenverachtenden Befehl gab und wer ihn außerhalb Israels stillschweigend deckt. Diese Fragen stellen sich jetzt alle nachdenklichen Menschen in Israel und im Rest der Welt, die sich mit einer verbrecherischen Politik nicht identifizieren wollen. Aus der EU- und NATO-Sondersitzungen müssen sich klare Verurteilungen ergeben mit harten Konsequenzen für einen Terror-Staat wie Israel, der aus dem Konzert der zivilisierten Nationen selbst ausschert.

Luz María De Stéfano de Lenkait