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23. Juli 2009 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Kommentar zum SZ-Artikel

„Israel riskiert Bruch mit den USA“ von Thorsten Schmitz – 21.7.2009 

Gerechter Frieden nur innerhalb anerkannter legitimer Grenzen

Die Berichterstattung von Thorsten Schmitz verdient um so größere Aufmerksamkeit und Wertschätzung, als sich das Bundeskanzleramt untätiger denn je hinsichtlich eines Friedensprozesses im Nahen Osten zeigt.

Die ständige Weigerung israelischer Regierungen, die besetzten Territorien zurückzugeben, so die Golan-Höhen an Syrien, verhindert nicht nur eine gerechte Lösung im Nahen-Osten, sondern sie spitzt den anhaltenden Konflikt zu. Dies darf nicht länger von der EU geduldet werden. 71% der Israelis sind damit einverstanden, den Frieden gegen Israels Rückgabe besetzter Territorien zu erlangen. Die Aneignung des historischen Palästinas steht für Zionisten seit mehr als hundert Jahren auf ihrer Agenda. Große Teile des 1967 besetzten Landes wurden von Israel völkerrechtswidrig annektiert. In diesem Zusammenhang hätte die kürzlich vorgebrachte Kritik aus dem deutschen Bundesaußenministerium (Montag 20.7.2009) viel mehr Gewicht gewinnen können, wenn der israelische Botschafter in Berlin einbestellt worden wäre, um ihm persönlich die Position der Bundesregierung bekannt zu geben. Eine starke Position, die sofort an die Öffentlichkeit hätte weitergegeben werden müssen. Das Außenministerium sollte nicht erwarten, daß US-amerikanische Stellen ihm sagen, was zu tun ist, so wie es ein halbes Jahrhundert lang unter anderen US-Regierungen geschah. Der US-Präsident Barack Obama ist ein Präsident, der sich von allen anderen unterscheidet. Er will mit der Bundesregierung umgehen in der Gewißheit, daß Deutschland kein Baby-Deutschland mehr ist, sondern ein souveränes Land, das als solches handeln soll. Ist Berlin sich dessen bewußt? Eine mit den USA gut koordinierte Außenpolitik für den Nahen Osten ist die große Herausforderung für den Außenminister Walter Steinmeier, der auch die EU dazu entscheidend bewegen kann. Es wäre auch ein weiterer gewichtiger Grund, sich von der CDU/CSU in der Regierungskoalition zu trennen, weil sich die Union als Hindernis für eine vernünftige Außenpolitik erweist, um eine Lösung des Nahost-Konflikt wirksam voranzutreiben. Niemand besser als der deutsche Außenminister weiß nach seiner letzten unfruchtbaren Reise nach Tel-Aviv, mit welchen Leuten er und seine europäischen Kollegen es dort zu tun haben.

Die israelische Regierung desavouiert jede kritische Stellungnahme gegen ihre Besatzungspolitik trotz aller wohl begründeter Gegenposition wie im Baker-Bericht (Dezember 2006), vorige Stellungnahmen von Brzyszinski und heutige Stellungnahme von US-Präsident Barack Obama seit seinem Amtsantritt in Januar 2009. Wie kann Berlin der Hamas einen gerechten mutigen Widerstand gegen eine solche ungeheure unmenschliche Ungerechtigkeit verneinen? Gespräche mit Hamas dürfen nicht länger vertagt werden. Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer weist richtig darauf hin, nicht mit Hamas denselben Fehler zu begehen wie damals mit der PLO (SZ 27.1.2009). Insofern ist die Einstellung der Bundesregierung völlig anachronistisch.

„Die Israelis werden nie im Leben den Frieden kennen, wenn sie nicht akzeptieren, sich von den besetzten Gebieten zurückzuziehen“ hat schon der ehemaliger US-Präsident Jimmy Carter in seinem Buch "Friede, keine Apartheid“ erkannt. Laute Lamentos der Macht-Eliten Israels konnten den Präsidenten Jimmy Carter nicht desavouieren. Israelische Lamentos sind zu erwarten. Sie sollten ins Leere stürzen, damit sie den Friedensprozeß nicht weiter torpedieren.

Wie kann es sich mit dem Völkerrecht vereinbaren, daß ein Staat seine Existenz ohne eigene, international akzeptierte, völkerrechtmäßige Grenzen anerkannt haben will? Jeder Staat der Welt außer Israel definiert seine Existenz durch legitime anerkannte Grenzen. Der Staat Israel hat seit seiner Gründung vor 61 Jahren seine Landesgrenzen immer wieder neu definiert. Laut internationales Recht ist ein solcher Staat nicht anzuerkennen. Nur wenn Israel sich aus den 1967 eroberten Gebieten zurückzieht, ist es diplomatisch anzuerkennen, also innerhalb legitimen Grenzen, wie der saudi-arabische Friedensplan auf dem Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Riad (28.3.2007) vorsieht.

Das deutsche Außenministerium muß begreifen und klarstellen, daß ein gerechter Frieden beider Völker nur innerhalb anerkannter legitimer Grenzen zu beachten und zu erreichen ist. Als der Papst Benedikt XVI sich vor einigen Wochen beispielhaft aus persönlicher Überzeugung darüber äußerte, hat Merkel zu einer so wichtigen Angelegenheit geschwiegen. Genauso wie Außenminister Steinmeier.

Es fällt auf, daß keine unterstützende Äußerung für einen gerechten Frieden im Nahen Osten aus Berlin zu hören ist. Auch dann nicht, als Präsident Barack Obama seinen Standpunkt gegenüber dem israelischen Premier in Washington (18.5.2009) klarstellte, ebenso ein einziges Schweigen in Berlin, als die Außenministerin Hillary Clinton in Tel-Aviv im vergangenen Mai die Position Washingtons bekräftigte. Dieses deutsche Verhalten ist merkwürdig zweideutig und gibt Anlaß zu Mißtrauen.

Nach der jüngsten Reise des deutschen Außenministers nach Tel-Aviv und seiner klaren Stellungnahme, die auf unverschämte Ablehnung und Diskreditierung in Israel stieß, hätte das Bundeskanzleramt begreifen müssen, daß die Zeit für konziliante Töne vorbei ist. Härte ist angebracht. Taten statt Worte ins Leere. Seit langem behindert die israelische Regierung den Friedensprozeß im Nahen Osten. Entdeckt das Deutschland jetzt endlich? Sollte der Friedensprozeß Berlin am Herzen liegen, verfügt Berlin über Mittel, Israel zur Vernunft zu zwingen. Die Partnerschaft der EU mit Israel ist vorerst ad acta zu legen.

Der amerikanische Präsident Barack Obama hat die richtigen Leitlinien für einen gerechten Frieden in Nahost ausgesprochen, gut angesteuert und handelt beharrlich danach. Der Präsident, sein Sonderbeauftragter und die Außenministerin haben die neue Richtung bestätigt. Die EU diskreditiert sich weiter durch fehlendes Handeln in einer der gravierendsten Angelegenheiten der Weltpolitik, die nach einer prompten Lösung verlangt. In Kairo hat Obama am 4. Juni 2009 gegen den Willen und trotz der Verweigerungshaltung Netanjahus einen Friedensplan unterbreitet. Daraufhin kein Echo aus dem Bundeskanzleramt.

Der Versuch Tel Avivs, den Spieß umzudrehen, um den Iran als Problem darzustellen, ist eklatant gescheitert. Nur deutsche Medien zeigen sich immer noch anfällig dafür. Das Weiße Haus sieht zu Recht den Nahostkonflikt, nicht den Iran, als Priorität. In dieser Hinsicht hat Washington nicht nur die Palästinenser, sondern alle arabischen Länder, zahlreiche europäische Länder und die ganze Welt hinter sich.

Hingegen verspielt die Europäische Union nicht nur ihre Glaubwürdigkeit, sondern sie übersieht die Gefahr, die eine aggressive drohende hoch bewaffnete Atommacht wie Israel darstellt. Die EU weiß, daß nicht der Iran Israel bedroht, sondern umgekehrt Israel immer wieder den Iran, sogar mit einem atomaren Schlag. Ihre Inkompetenz, ihre Untätigkeit, ihre Feigheit sich gegen die Aggressivität Israels wirksam mit zahlreichen Druckmitteln einzusetzen an der Seite Washingtons sind unbegreiflich und bekräftigen die allgemeine Enttäuschung. Zutreffend hat Washington die Kreditbürgschaft an Israel entscheidend gekürzt und die Beziehungen mit Tel-Aviv praktisch eingefroren.

Weitere und härtere Maßnahmen sind erforderlich, vor allem aus Europa. Eine EU, die sich immer weiter vor den realen Problemen der Welt nicht verantworten will, wird in der internationalen Diplomatie nicht gebraucht. Aber zahlreiche europäische Staaten sind in der Lage, sich richtig einzusetzen. Schweden, Spanien, Finnland, Italien, Österreich, Belgien, Großbritannien, Griechenland und vor allem Norwegen sind höchst qualifiziert, sich für einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten an der Seite des US-Präsidenten zu engagieren. Auch die Türkei und alle arabischen Regierungen, die noch menschliche Anständigkeit besitzen und nicht käuflich sind. Diese Länder können zusammen mit Frankreich und Rußland viel bewirken, um den Nahost-Friedensprozess in Gang zu setzen. Syrien ist durchaus als ernsthafter Vermittler einzustufen. Die Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen zwischen Washington und Damaskus ist in dieser Hinsicht von entscheidender Bedeutung. Ein Friedensabkommen im Nahen und Mittleren Osten wird nur mit Syrien zustande kommen.

Die Regierung Israels weigert sich, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden und besteht darauf, Palästina gegen den Willen seiner Bewohner weiter zu besetzen. Eine derartige Selbstgerechtigkeit führt selbstverständlich zur Selbstisolierung, schürt Angst und Spannung, gefährdet das Heilige Land und die ganze Region. Kein Land der Welt will mit einem solchen Regime etwas zu tun haben. Die Bürger Israels müssen sich von den Fundamentalisten und Radikalen in der eigenen Regierung, Gesellschaft und Politik befreien. Die gesamte Welt ist aufgerufen, an dieser Befreiung mitzuwirken. 

Luz María De Stéfano de Lenkait