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11. März 2007 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Anmerkung zum Kommentar in

Süddeutsche Zeitung vom 10.3.2007
"Zustimmung bei Abwesenheit" (von ble)

Gemäß der Paranoia der Bush-Regierung?

Der Standpunkt des Kommentars ist nicht nur falsch, sondern beruht auf
Mangel an Urteilsvermögen, um den gewichtigen Argumenten des Nein im
Bundestag zum Tornado- Einsatz in Afghanistan Rechnung zu tragen, auch
wenn sie keine Mehrheit vortrug. Die Abwesenheit der Kanzlerin, ihr
Schweigen steht seit langem für eine chronische Lähmung der
Bundesregierung gegenüber der US-Regierung, die sich anmaßt, die NATO
zu steuern wie sie will und überall, wo sie will. Die Entourage der Kanzlerin
und die Lage ihrer Partei ist auch keine geeignete Unterstützung für eine
vernünftige realistische Außenpolitik Deutschlands, die die erforderliche
Distanz zum Wahn der US-Regierung bewahrt. All dies erklärt das
Schweigen von Angela Merkel, die sicherlich nur zu gut weiß, worum es geht
und die Begründung des Nein im Bundestag besser als jeder andere
versteht.
Die Begründung der ablehnenden Stimmen der SPD-Abgeordneten findet
man in dem hervorragenden Vortrag im Bundestag des ehemaligen SPDVorsitzenden, Oskar Lafontaine.
Zu ihrer Zeit war die NATO ein Verteidigungsbündnis, das die westliche
Hemisphäre und die westlichen Werte vor einem Angriff, insbesondere des
Warschauers Paktes, schützen sollte und entsprechend geographisch
begrenzt war. Diesem Bündnis ist die Bundesrepublik 1955 mit einem
Zustimmungsgesetz beigetreten. Von den Vorstellungen, die sich der
Gesetzgeber damals machte, hat sich die NATO nach 1990 weit entfernt.
Folgerichtig mussten die Verfassungsrichter in Karlsruhe seither zwei Mal
über die Rechtmäßigkeit deutscher Beteiligungen an NATO-Einsätzen
befinden. Zum ersten Mal 1994 in bezug auf die NATO-Blockade gegen
Jugoslawien, die durch den NATO-Vertrag nicht gedeckt war.
Dann 1999 hat sich die NATO eine neue Charta gegeben und sich neu
definiert: Weg von der Verteidigungsallianz im nordatlantischen Raum hin
zum Interventionsbündnis weltweit. Der Jugoslawien-Krieg war in dieser
Hinsicht ein verhängnisvoller Anfang. Deutsche Tornados wurden schon im
Angriffskrieg gegen Jugoslawien eingesetzt mit unmenschlichen Folgen für
die Zivilbevölkerung wie es auch Human Rights Watch bezeichnet.
Diese Erweiterung des strategischen Konzepts erfolgte in Deutschland,
anders als 1955, ohne ein ausdrückliches Zustimmungsgesetz. Gegen "den
weltweiten Terrorismus" müsse die NATO weltweit eingreifen können hieß es
gemäß der Paranoia der Bush-Regierung seit dem 11.9.2001.
Das Bundesverfassungsgericht hat bei der Entscheidung im November 2001
klargestellt, dass "die Zustimmung der Bundesregierung zur Fortentwicklung
eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nicht die durch das
Zustimmungsgesetz bestehende Ermächtigung und deren
verfassungsrechtlichen Rahmen gemäß Art. 24 Absatz 2 des Grundgesetzes
überschreiten darf". Außerdem, "dass, der Bundestag in seinem Recht auf
Teilhabe an der auswärtigen Gewalt verletzt wird, wenn die Bundesregierung
die Fortentwicklung des Systems jenseits der ihr erteilten Ermächtigung
betreibt." Das Bundesverfassungsgericht machte damit klar, dass das alte
NATO-Zustimmungsgesetz nicht grenzenlos alle Veränderungen des NATOVertrags umfasst.
Der Begriff der Verteidigung ist durch die USA längst ausgehöhlt worden. Die
Intervention im Irak wurde vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich als
völkerrechtswidriger Angriffskrieg bezeichnet. Im weiteren Verlauf hat die US-Regierung eine neue Militärstrategie verabschiedet. Es sind faktische
Änderungen des NATO-Vertrags, welche die USA der Allianz in den
vergangenen Jahren aufgezwungen hat. Als Anti-Terror-Bündnis im Sinne
der US-Kriegspolitik hat sich die NATO in eine aggressive Organisation für
einen pauschalen Krieg gegen den Terror verwandelt.
Die deutsche Bundesregierung von Angela Merkel hat sich fatalerweise nicht
von dieser abscheulichen Rhetorik des amerikanischen Präsidenten
distanziert. Unkritisch hat sie die amerikanische Definition von Terrorismus
übernommen und gedankenlos ihre Landsleute für die Interessen der US-Regierung zur Verfügung gestellt. Wenn das Kabinett und der Bundestag
keine richtige Entscheidung zu treffen wissen, um diese Exzesse zu stoppen,ist das Verfassungsgericht gefordert im Sinne der Rechtsstaatlichkeit Deutschlands, den Rahmen zu setzen. Für das Wohl Deutschlands, seiner Landsleute und für das Wohl der ganzen Welt.

Gez. Luz María De Stéfano de Lenkait,
Juristin und Diplomatin a.D.