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13. Februar 2011 - Luz Maria de Stefano Zuloaga der Lenkait:

Die Vorgänge in Ägypten, das Verhalten der deutschen Bundeskanzlerin und des Kriegsministers dazu, besonders auf der Münchner Sicherheitskonferenz, so wie die Kommentierung in der Süddeutschen Zeitung geben Anlass zu folgender Stellungnahme zu

Münchner Sicherheitskonferenz, Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung (SZ) über den Aufstand in Ägypten von Tomas Avenarius unter anderen SZ-Journalisten;

SZ-Leitartikel vom 12.2.2011:
„Felix Arabia“ von Rudolph Chimelli

 

USA anders als Europa und Deutschland

Alle Berichterstattungen der Süddeutschen Zeitung zu Ägypten, besonders die von Tomas Avenarius, sind zu beglückwünschen. Sie bieten die bessere Orientierung für eine seriöse europäische Außenpolitik im Nahen Osten als wohl so manche früheren diplomatischen Reporte, die nur in die Irre führen, weil deutsche und europäische Diplomaten die Karte des alten despotischen Regimes spielten. Der SZ-Leitartikel von Rudolph Chimelli „Felix Arabia“ vom 12.2.2011 dient seinerseits auch zur Aufklärung für verkrustete europäische Eliten, die befangen in Clichés, Vorurteilen und einer lancierten banalen Islamophobie unbeweglich bleiben und unfähig sind, eine realistische und gerechte EU-Nahost-Politik zu entwickeln. Dadurch ist der Posten eines außenpolitischen EU-Beauftragten nicht berechtigt, sondern völlig nutzlos, wie jetzt beim Aufstand in Ägypten offensichtlich wurde.

Nicht nur 30 Jahre von Autokratie, Korruption und Menschenrechtsverletzungen unter Ausnahmezustand, sondern auch und vor allem die brutale Willkür des Mubarak-Regimes gegen die friedlichen Demonstranten, die gezielt durch inszenierte und angeordnete Plünderungen und Schlägereien von bewaffneten Polizisten diskreditiert werden sollten, sind strafrechtliche Motive, um Hosni Mubarak als Staatschef Ägyptens nicht weiter zu dulden und ihn vor Gericht zu stellen. Ein solcher korrupter skrupelloser Despot wurde für die Weltstaatengemeinschaft entblößt und unhaltbar.

Dass der türkische Premier, Recep Tayyip Erdogan, den demokratischen Aufstand in Ägypten als erster verstand und sich dafür mit Überzeugung positionierte, stellt nur den Mangel an Demokratieverständnis in Europa bloß, ein feudalistisches, tausend Jahre lang im Mittelalter verankertes Europa, dann ein Deutschland unter wilhelminischer und faschistischer Herrschaft im 20. Jahrhundert. Woher soll dieses Europa, dieses Deutschland sein Vertrauen in das Volk entwickelt haben? Das fehlende Vertrauen in das deutsche Volk führte schon einen dubiosen CDU-Kanzler dazu, West-Deutschland auf Kosten seiner selbstbestimmten demokratischen deutschen Einheit an ein fremdes Militärbündnis zu fesseln. Die späte sogenannte Wiedervereinigung am Ende des 20. Jahrhunderts wurde auch unter dem Diktat einer fremden Macht erreicht, und zwar unter der Bedingung seiner weiteren Fesselung an dasselbe fremde Militärbündnis. Dazu wurde die souveräne Selbstbestimmung oder Volksentscheidung gemäß Art.146 des Grundgesetz geopfert. Soweit mit der Etikettierung der Demokratie in Deutschland, das sich bestens an der Seite von Diktatoren und Autokraten im Sinne seiner wirtschaftlichen Interessen fühlt.

Ein solches Europa kann keine Demokratiebewegung, keinen Volksaufstand für die Freiheit verstehen und überzeugend unterstützen. Ganz anders die USA, das traditionelle Land der Freiheit par excellence trotz aller Fehler. Gott sei Dank sind die USA jetzt nicht länger das, was sie so lange unter Bush und seiner kriminellen Clique waren. Es sind jetzt die USA unter einem aufgeklärtem Präsidenten. Die Obama-Regierung hielt von Anfang an (24.1.2011) ständigen Kontakt mit Ägypten, sowohl diplomatisch wie militärisch. Es war die telefonische Kommunikation von Verteidigungsminister Robert Gates mit seinem ägyptischen Kollegen und von Admiral Mullen mit der Armee-Führung in Kairo, die den friedlichen Kurs der Ereignissen in Ägypten garantierten. US-Außenministerin Hillary Clinton - anders als Außenminister Guido Westerwelle - hatte eine eindeutige sachliche Einschätzung der unumkehrbaren Ereignisse in Kairo.

Während Berlin immer noch mit dem Despoten verankert blieb und die deutsche Botschaft in Kairo „keinen aktuellen Bericht“ über das Geschehen hatte, nicht einmal für ihre eigenen Bürger (zum Beispiel Deutsche Schule in Alexandria), hatte sich Washington längst von dem Despoten Mubarak distanziert und konnte mit dem ägyptischen Volk den späten Rücktritt des Autokraten nur begrüßen. Hat der Außenminister Guido Westerwelle den mit Mubarak befreundeten deutschen Botschafter zurückgerufen? Davon ist nichts zu hören. So verkrustet ist die deutsche Diplomatie, wie man sie kennt, dass sie keinen Schritt in diese notwendige Richtung unternahm - ein Fall für die Medien und den Bundestag. Ebenso wie das Hin und Her der deutschen Bundeskanzlerin zu Beginn der ägyptischen Umwälzung.

In der Tat spiegelt sich in diesem tristen unentschlossenem Verhalten der Bundeskanzlerin Angela Merkel gegenüber Ägypten ein Mangel an Sachverstand im Bundeskanzleramt und ein grundlegendes demokratisches Defizit wider. Während Merkel sich am Anfang des Volksaufstands in einer gemeinsamen Erklärung mit dem französischen Präsidenten Nikolas Sarkozy und dem britischen Premier David Cameron klar für den Wandel ausspricht - „Der Westen hat sich in Ägypten auf die Seite des Wandels gestellt“ - unternimmt sie Tage später eine Wende von 180 Grad in einer seltsamen Erklärung zusammen mit dem italienischen Polichinella Berlusconi und dem korrupten Sarkozy. Alle drei manifestieren überraschend ihre Unterstützung für Mubarak. Der britische Premier zeigt bemerkenswerte Distanz dazu und bleibt der Unterzeichnung einer solchen blamablen europäischen Erklärung fern, die im krassen Widerspruch zu der ersten Verlautbarung steht. Zu Recht reiste der UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon direkt nach London und nicht nach Brüssel, nicht nach Berlin, auch nicht nach Paris. Aus London hörte die Weltöffentlichkeit seriöse und eindeutige Erklärungen, sowohl vom Premier David Cameron als auch vom UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon, Erklärungen, die das gewaltsame Verhalten von Mubarak gegenüber seinem friedlichen Volk resolut als inakzeptabel hart verurteilten.

Die westliche Diplomatie war so sehr von der israelischen Propaganda-Masche gegen den Iran eingenommen, dass sie deshalb die neue Realität im Nahen-Osten aus den Augen verlor und vernachlässigte. Solche Verblendung ist vor allem in Europa zu spüren, wo die Medien zu einem wichtigen Ereignis schweigen und aus Scham oder großer Unsicherheit ignorieren wollen, nämlich die zutreffende Erklärung in Bezug auf den Aufstand in Ägypten vom iranischen Präsidenten Mahmud Achmadenidschad. Zwei Staatsoberhäupter sprechen sich für das Demokratieverständnis Ägyptens aus, zwei nicht-europäische Staatschefs: der Premier der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, und der persische Präsident Mahmud Achmadenidschad. Europa wird damit von neuen Kräfteverhältnissen überholt.

Angesichts der rasanten demographischen Entwicklung in der arabischen Welt beginnt sich die Ansicht von amerikanischen Vordenker-Zentren sowohl bei Republikanern wie bei Demokraten durchzusetzen, und zwar die US-Nahost-Politik völlig zu überdenken und neu zu orientieren, wobei Israel als Last und Ursache von politischen Fehlentscheidungen zu betrachten sei.

Die Muslim-Bruderschaft ist eine organisierte politische Kraft in Ägypten mit einem FünftelderRepräsentanten im Parlament. Sie erklärte, gemäß eines demokratischen Rahmens eine islamische Republik errichten zu wollen. Sie wollen auch den Friedensvertrag mit Israel einhalten. Weitere Schritte für den Frieden in der Region sind von Israel abhängig. Man muss darauf aufmerksam machen, dass der israelisch-ägyptische Friedensvertrag ein separater Frieden war, der schon damals (1979) die arabische Welt schwer brüskierte, wobei einige arabische Staaten diesen Separat-Frieden von Mubaraks Ägypten als Verrat verstanden, eine Wahrnehmung, die Mubarak dazu veranlasste, Reisen nach Israel zu vermeiden.

„Der politische Islam ist die einzige strukturierte Kraft der bisherigen Opposition,“ erkennt zutreffend Rudolph Chimelli in seinem Leitartikel „Felix Arabia“ (SZ, 12.2.2011). Vom politischen Leben sind die Islamisten nicht mehr auszuschließen. Chimelli: „Bisher hatte der Westen gegenüber Islamisten eine Art „Hallstein-Doktrin“ praktiziert... und behandelte den Islamismus als ein Gespenst.“ Aus dem Westen erschien die banale Propaganda- Konstruktion „Islamist gleich Terrorist“. „Mit Hisbollah reden wir nicht, mit Hamas verhandeln wir nicht, obwohl die Hamas die freiesten Wahlen der arabischen Welt gewann.“ Rudolph Chimelli bestätigt sachlich auch die blamable antidemokratische Reaktion des Westens.

Dagegen hat die Außenministerin Hillary Clinton zutreffend sinngemäß gesagt: „Die Zukunft Ägyptens ist allein Sache der Ägypter. Wir können Wunschvorstellungen haben, aber was letztendlich geschieht, wird in Kairo entschieden, und das muss respektiert werden, auch wenn es nicht unserer Wunschvorstellung entspricht.“ Nicht nur Pragmatismus, sondern demokratische Größe profiliert sich aus Amerika unter der Obama-Regierung. Die Zeiten, in denen der Westen anderen ein System unter dem Etikett der Demokratie aufzwingen kann, sind vorbei. Mit Wunschdenken kommt man nicht weiter. Der Westen ist an das Ende seiner Illusionen angelangt. „Wer Demokratie predigt, muss sich mit den Verhältnissen arrangieren, die aus freien Wahlen hervorgehen.“ Dem Leitartikler Rudolph Chimelli ist auch zu diesem Punkt vollkommen zuzustimmen.

Was von der Münchner Sicherheitskonferenz in Bezug auf Ägypten die Öffentlichkeit erreichte, war nicht nur eine Schande, sondern in der Gestalt vom interventionistischen deutschen Kriegsminister Guttenberg eine Gefahr für den Weltfrieden und die demokratische Welt. Gott sei Dank ist seine seltsame Initiative, Ägypten auf die Agenda der Münchner Sicherheitskonferenz zu setzen, eklatant gescheitert. In diesem Zusammenhang ist die Präsenz der amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton zu würdigen, und die auffällige Abwesenheit des amerikanischen Verteidigungsministers, der in Washington blieb, bedeutet mehr als alle Worte. Clinton ignorierte den dummen deutschen Kriegsminister mit seinem impertinenten Vorhaben und konzentrierte sich offensichtlich darauf, nur mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Außenminister Guido Westerwelle zu sprechen, sicherlich über den zivilisierten Kurs in Ägypten, wo ein intelligentes Volk die Richtung vorgibt, eine Richtung, die Amerika respektieren wolle. So die Außenministerin Hillary Clinton. Dank Ägypten wurde die sogenannte Münchner Sicherheitskonferenz völlig überflüssig und verlor an Aufmerksamkeit und Bedeutung. Washington hat es längst verstanden und distanzierte sich offensichtlich von dem deutschen Münchner Kriegsszenarium.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait