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27. April 2008 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Kommentar in Süddeutsche Zeitung vom 26.4.2008:
"Tibetisches Rätsel" von hbo

Die "Tibet-Frage", eine westliche Konstruktion

Die westlichen Industrieländer verwickeln sich immer wieder in eine verhängnisvolle Außenpolitik, die neue Aggressionen, Desintegration und Krieg mit sich bringt. Nach der medialen Inszenierung gegen Serbien 1999, erfolgt jetzt eine mediale Inszenierung gegen China. Dazu benutzen Washington und Berlin einen tibetischen Mönch, der plötzlich von den Mainstream-Medien unverhältnismäßig stark bis zur Hysterie hofiert erscheint, insbesondere nach seiner Blitzreise von Washington nach Berlin zum Kanzleramt von Angela Merkel. Die Sprache der Propaganda beherrscht staatliche Fernsehkanäle und fast alle "bürgerlichen Zeitungen", die, wie schon häufiger geschehen, gleichgeschaltet erscheinen, "Süddeutsche Zeitung" eingeschlossen. Ein Déjà-Vue Szenarium, als der Westen seinen Angriffskrieg (1999) gegen Belgrad vorbereitete und die Abspaltung einer serbischen Provinz willkürlich durchsetzte. Eine solche Politik kann nur dazu führen, daß sich demokratie-bewußte Staaten vom Westen distanzieren müssen, da er sich von seinen ursprünglichen liberalen und demokratischen Werten entfernt hat. Um so gravierender, daß in Europa die Institutionen nicht mehr funktionieren, vor der Demontage von Recht und Gesetz nicht mehr reagieren. Alles was Europa unternahm, nachdem es die Drohung gegen Belgrad wahr gemacht hatte, bleibt bis heute nicht nur ein Riesenfehler, sondern weiteres Unheil für den Frieden und die regionale Stabilität. Seitdem erscheint Europa zunehmend gewissenlos und ohne Respekt für das Völkerrecht.

Die geltende Charta der Vereinten Nationen unterzeichnet in San Francisco am 26. Juni 1945 und am 24.Oktober 1945 in Kraft getreten, verbietet die Anwendung von Gewalt zwischen Staaten. Nach den neuen Angriffskriegen des Westens in den letzten Jahrzehnten fehlt bei diesem Völkerrechtsbruch durch die USA und ihre EU-Vasallenstaaten die entsprechende internationale Reaktion: Verurteilende UN-Resolutionen, Sanktionen, Initiieren eines internationalen Gerichtsverfahrens wie die Nürnberger Prozesse. Hier wäre das kritische Engagement der Medien und Akademiker angebracht. Recht und Ethik verpflichten dazu, anstatt weitere Verdrehung und Manipulation zu dulden, die die Demontage der Rechtszivilisation gezielt suchen, weil sie sie für einen maßlosen Alleinherrscher, ohne Grenzen benötigen.

Zu viele Bürger haben noch nicht begriffen, was in den Medien passiert. Die sogenannte freie Presse ist ihnen ein wichtiges Wahrzeichen der Demokratie. Was aber hier aufgeführt wurde und wird, gleicht der Selbstzertörung dieses Ideals durch öffentlich verbreitete Lüge, Manipulation und Desinformation. Die westlichen Werte existieren schon lange nicht mehr. Europa erlebt ein verhängnisvolles Vakuum, Moral und Recht werden geopfert. Infolgedessen ist der Demokratieabbau in der EU leicht voranzutreiben. (Siehe John Laughland "The Tainted Source. The undemocratic Origins of the European Idea", 1997, oder "La Fuente impura. Los orígenes antidemocráticos de la idea europeísta", 2001, Editorial Andrés Bello, Barcelona, Buenos Aires, México D.F., Santiago de Chile. Merke: Erschienen auch in Tschechisch und Polnisch, aber nicht in Deutsch!)

Die deutsche Bundeskanzlerin folgt partout bedenkenlos dem amerikanischen Präsidenten, George W. Bush, der sich, überall als Alleinherrscher darstellt. Bush benutzt den tibetischen Mönch in Deutschland, nicht nur, um ein Keil des Separatismus in China zu treiben, sondern auch, um das gute Verhältnis Deutschlands zu China zu zerstören. Die Kurzsichtigkeit deutscher Politiker gegen das Interesse ihres eigenen Landes ist in dieser Hinsicht tief zu bedauern. Die gute Arbeit von Außenminister Walter Steinmeier, vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber Peking einmal geschafft zu haben, bleibt auf der Strecke.

Das Spiel gegen China mit gezinkten Karten ist zum Scheitern verurteilt. China braucht den Westen nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Die Vorfälle in Tibet sind ein Vorwand. Ein Vorwand, geschaffen für ein Publikum, das gewöhnt ist, die ständige Wiederholung von Bildern als Beweis zu nehmen, anstatt selber nachzudenken. In welchem Land der Welt wird gegen solche Ausschreitungen nichts unternommen? Irgendein Gespräch mit religiösen Minderheiten muß auf der territorialen Integrität des Landes, ein einziges China, beruhen. Alles anderes ist inakzeptabel. Die Welt durchschaut das falsche Spiel von Bush, und Merkel. Sie steht an der Seite Chinas während Berlin an der Seite Washington völkerrechtswidrig beschämenderweise allein steht.

Das Prinzip der Souveränität in Frage zu stellen und dazu die Menschenrechte zu mißbrauchen, gehören zu diesem falschen Spiel. Sogar die "Tibet-Frage" ist eine westliche Konstruktion, die heute bekannte inszenierte Kampagne von Washington mit Paris und Berlin zusammen zur Destabilisierung Chinas, ein millenarisch zivilisiertes Land, das keine Demokratie in westlichem Sinne, aber anerkanntes Mitglied der Vereinten Nationen ist. Ein Land, das sich an das Völkerrecht hält und keine Angriffskriege geführt hat, wie es westliche Demokratien in den letzten Jahrzehnten getan haben. Darüber hinaus, welches zivilisierte Land würde gegenüber gewalttätigen Ausschreitungen in einer seiner Provinzen tatenlos bleiben?

Mißachtung und Verdrehung von grundlegenden Themen wie Souveränität, territoriale Integrität und Menschenrechte, d.h. Verdrehung und Mißachtung von geltendem anerkannten Völkerrecht ist genau das, was interessierte Kreise in der US-Administration, aber auch hierzulande anstreben, um ihre partikulären Interessen mit beliebigen, wenn es sein muß, auch völkerrechtswidrigen Mitteln, zu verfolgen. Es reicht, ein Blick auf die verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundesregierung zu werfen.

Wenn der Kommentarist sich klar darüber wäre, würde sich die banale Frage wie er schreibt "warum sollte Bush oder Merkel mit dem Tibeter nicht reden dürfen..." nicht stellen. Natürlich dürfen und können Greti und Pleti mit jedem Mönch reden, auch mit einem Tibeter. Allerdings wenn sich ein Regierungsoberhaupt mit ihm trifft, muß das konfliktive politische Umfeld klar sein. Deshalb dürfte ein solches Treffen nicht offiziell sein, wenn es schon stattfinden sollte. Für jede Regierung, die eine heikle interne regionale Auseinandersetzung zu regeln hat, wie China in der Tibet-Region, ist es ganz selbstverständlich, daß sie sich eine Einmischung in ihre eigenen internen Angelegenheiten verbietet, ganz im Sinne der UN-Charta (Artikel 2 Absatz 7).

Luz María De Stéfano de Lenkait