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13. September 2009 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Der zurückliegende 11. September ist ein Datum, das uns an Chile denken lässt, denn am 11.9.1973 ereignete sich der Militär-Putsch in Chile. Dieses Ereignis etwas im deutschen Kontext zu sehen, versucht folgende Stellungnahme.

Der 11.9. in Chile und Kontext in Deutschland

Entfaltung von Rechtskultur dringend nötig

Reste von faschistischem Geist sind nicht nur in bestimmten Redaktionen zu Hause, sondern ganz oben in der Politik selbst zu finden. Unvorstellbar aber wahr: Am 4.9.2000 gedachte Chile nach 30 Jahren feierlich der demokratischen Wahl von Salvador Allende zum Präsidenten. Aus diesem Grund versammelten sich an diesem Tag am Monument Salvador Allende vor dem Regierungspalast La Moneda Tausende von Menschen zu einer offiziellen Feier. Ein Gesetz, das im Parlament von allen politischen Parteien einstimmig angenommen wurde, hatte die Errichtung des Allende-Denkmals herbeigeführt.

Weder ZDF noch die Süddeutsche Zeitung (SZ) widmeten dieser offiziellen Feier in Santiago auch nur ein Wort. Auch nicht den schon bekannten CIA-Dokumenten, die die geheime amerikanische Intervention in Chile in den letzten vier Jahrzehnten belegen. Zu dieser ungeheuerlichen Einmischung mit mörderischen Folgen und unsäglichem Leid für das Land gehört auch die Disposition von mehr als 1,5 Millionen US-Dollar für wichtige Presse-Organe des Westens, um die Regierung von Präsidenten Salvador Allende damals weltweit zu diskreditieren und so eine psychologische Basis für den geplanten militärischen Sturz vorzubereiten. Die hemmungslose militaristische Tendenz deutscher Medien im Einklang mit der verbrecherischen Nixon-US-Außenpolitik und ihr häufiges Auftreten als Sprachrohr des Pentagons lässt den bösen Gedanken aufkommen, sie hätten sich damals von dieser gesteuerten Kampagne gegen den ersten sozialistischen demokratischen Präsidenten Chiles (1970-1973) nicht ausgeschlossen.

Da selbst die USA ihre ungeheure Einmischung in Chile anerkennen, ist es allerdings unverständlich, dass die SZ und das ZDF die offizielle Feier am Denkmal von Präsident Allende völlig verschwiegen (4.9.2000). Stattdessen entschieden sie sich an jenem Tag für Augusto Pinochet und zeigten sich anscheinend solidarisch mit ihm und mit einer Handvoll fanatischer Pinochetisten, indem sie den General als Zentralgestalt für die Aussöhnung Chiles heraushoben. Dieser Vorfall war um so schwerwiegender, wenn man weiß, welche unrühmliche Rolle Deutschland während der Pinochet-Diktatur spielte. Es drängt sich der Eindruck auf, dass ZDF und SZ mit Diktatoren und Putschisten wie General Pinochet und jetzt mit dem honduranischen Putchisten Micheletti sympathisieren.

Für ein Land ohne rechtsstaatliche demokratische Tradition ist eine solche Sympathie quasi normal. Aber selbstverständlich nicht für Chile. Durch die Anwendung von Recht und Gesetz und durch das Wirken der Justiz gegen die Straflosigkeit ist Chile allmählich zur Normalität zurückgekehrt. Das Land ist lange ausgesöhnt durch das Wirken der Justiz und durch die Aufklärung der Verbrechen der Diktatur. Justiz ist nicht mit Rache oder Genugtuung zu verwechseln. Dies fällt einigen deutschen Ohren auch schwer zu verstehen.

Deutschland muss sich mehr dem Verständnis von Rechtsgrundlagen widmen. Nicht nur in Mittelamerika, sondern zuerst hierzulande ist die Entfaltung von Rechtskultur dringend nötig, vor allem wenn man den Anspruch hat, ein zivilisiertes Europa auf Menschenrechten aufzubauen. Im November 1975 starb der spanische Diktator Francisco Franco, der niemals vor ein Gericht gestellt wurde. Bis heute noch geht es in Spanien und Europa ganz ohne besondere Distanzierung von seiner damaligen faschistischen Diktatur. Es waren Hitlers Brigaden, die den Faschismus durch Franco in Spanien zu etablieren verhalfen, genauso wie weniger als vier Jahrzehnte später die postnazistische Bundesrepublik die chilenische Diktatur ebenso ermöglichte und weiter unterstützte (Konrad-Adenauer-Stiftung und Hans-Seidel-Stiftung). Wie lange hat der Münchner CSU-Professor für Rechtswissenschaft, Dieter Blumenwitz, an einem Institut in München „Verfassungsrecht“ lehren können? „Professor“ Blumenwitz war einer der wichtigsten Mitarbeiter an der diktatorischen Verfassung Pinochets von 1980, die immer noch ein Problem für Chile darstellt.

Die damalige Bonner Prominenz hofierte beide Diktatoren: Francisco Franco und Augusto Pinochet. Von Aufklärung seit langem kein Wort in deutschen Eliten. Nicht verwunderlich, dass sich Berlin mit dem Putschisten in Honduras am Rand des Rechts und aller Institutionen arrangieren möchte.

Ein aufgeklärter US-Präsident, der sich für den Respekt des Völkerrechts einsetzt und sich für den demokratisch gewählten honduranischen Präsidenten ausgesprochen hat, ist in Berlin nicht zu begreifen. Unter dem Reflex, dem Kommando und Befehl eines Führers zu folgen, dann alles mit den Besatzern zu konsultieren, fühlt sich die Bundesregierung jetzt hilflos, ohne zu wissen, was zu tun oder zu sagen ist, denn der Präsident Obama geht mit Deutschland nicht als Baby-Deutschland um, sondern als erwachsenes souveränes Land. Die USA brauchen keinen Baby-Partner.

Ein blinder Antikommunismus führt die BRD zu politischer Verblendung, so sehr bis zur Unterstützung von rechtsextremen Diktaturen. Das schließt die alten Bundesregierungen ein. Ihre Hilfeleistungen an Terror-Regime wie die Pinochet-Diktatur (1973-1990) sollten im kritischen Mittelpunkt der Medien stehen. Hoffentlich ist das nicht zu viel verlangt.

Luz María De Stéfano de Lenkait 

[ Fortsetzung vom 16.9.2009 ]