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Demokratie-Defizite im Lissabon-Vertrag

Unter dem Stichwort "Demokratie-Defizit" finden sich eine Reihe von Argumenten, mit denen an der demokratischen Legitimation der EU, insbesondere im Vertrag von Lissabon, heftige Kritik geübt wird.

Vier wichtige Aspekte werden hier dargestellt:
 
1. Die demokratische Legitimation des EU-Parlaments durch Wahlen wird angezweifelt, denn hinter einem EU-Abgeordneten steht eine sehr unterschiedliche Zahl von wählenden Bürgern; so wählen in Malta 76 000 EU-Bürger, in Deutschland 826 000 Bürger je einen Abgeordneten ins Parlament. Denn die Zahl der Abgeordneten ist je einem Land zugeteilt. Dieser Disproportionalitätsfaktor begünstigt kleine, bevölkerungsarme Länder.
Hier lautet die Kritik: Bruch des Gleichheitsprinzips.
 
2.Die Gewaltenteilung in der derzeitigen EU ist nicht gegeben. Dem EU-Parlament stehen auch im Lissabon-Vertrag nicht die vollen Gesetzgebungsrechte eines demokratischen Parlaments zu. Viemehr ist  die Trennung von Exekutive und Legislative aufgehoben: der Ministerrat, der maßgeblich am Gesetzgebungsverfahren beteiligt ist, ist Teil der nationalen Regierungen, also der Exekutiven. Das ist Aufhebung der Gewaltenteilung.
Dieser Tatbestand führt zu einem weiteren Kritikpunkt,nämlich

3. Das sog. "Spiel über die Bande". Damit ist gemeint, dass nationale Regierungen auf dem Umweg über die  EU Gesetze erlassen können, die aufgrund des demokratischen Gesetzgebungsprozesses in ihren Ländern so nicht möglich wären.
Beispiel: Die Einführung von biometrischen Reisepässen  (mit Fingerabdruck) wurde von der deutschen Bundesregierung  angestrebt, war hier nicht zu realisieren, aber als EU-Gesetz verwirklicht.
Beispiel: Der Fachminister (hier Innenminister) im Ministerrat ist identisch mit dem Fachminister im Bundeskabinett.
 
4. Ein besonderes Anliegen der BVG-Klage von Peter Gauweiler ist die Möglichkeit der Aushebelung der Grundrechte des Grundgesetzes.
Im Grundgesetz sind die Grundrechte laut Artikel 1 unmittelbar geltendes Recht und damit verbindlich. Außerdem können Art. 1 und  Art. 20 durch keinerlei Mehrheitsentscheidung verändert werden, d.h. der Satz: "Die Würde des Menschen ist unantastbar" hat Ewigkeitscharakter und kann nicht relativiert werden - solange das Bundesverfassungsgericht über die Einhaltung des Grundgesetzes wacht.  Dieses bedeutende Fundament unserer Verfassung wird in dem Moment ausgehebelt, wenn statt des Bundesverfassungsgerichts der  Europäische Gerichtshof die Letztentscheidung hat; denn dieser vertritt die  Auffassung, dass die Menschenwürde mit anderen Gütern oder Werten abgewogen werden muss.
Beispiel: Verstößt verbrauchende Embryonenforschung  gegen die Menschenwürde - oder lässt sie sich mit der Würde des Kranken rechtfertigen, die mit daraus zu gewinnenden Medikamenten gerettet  werden sollen?
 
Fragen an die Kandidaten:
 
1.Wie können Sie dazu beitragen, dass der Gleichheitsgrundsatz bei den Wahlgrundsätzen zum EU-Parlament realisiert wird?
 
2. Was werden Sie unternehmen, um dem EU-Parlament die vollständige legislative Gewalt zu übertragen, damit es dem  Anspruch eines demokratischen Systems gerecht wird.

3.Wie gehen Sie mit der Gefahr um, dass im Rahmen des "Spiels über die Bande" die von den Fachministern ausgeübten Parteiinteressen nicht dem nationalen Konsens widersprechen und ihn aushebeln?

4. Wie kann eine Aufhebung der absoluten Verbindlichkeit der Grundrechte vermieden werden?

 


 

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