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Lügen mit Zahlen - Prof. Gerd Bosbach

 

Statistiken erwecken den Eindruck von Objektivität und Exaktheit, dabei lässt sich mit ihnen alles und zugleich das Gegenteil beweisen.

In seinen Vorträgen  und Büchern ist es Prof. Bosbach ein Anliegen, diese Annahme als Mythos zu entlarven und zu zeigen, wie Statistiken zur Meinungsmache instrumentalisiert werden. Seine Themenschwerpunkte sind der demografische Wandel, die Arbeitsmarktstatistik, der Fachkräftemangel, die Prognosen zur Armutsentwicklung, weil da besonders gern mit Zahlen getrickst wird, was schon  mit der Erhebung der Zahlen beginnt.

Zum Beispiel ist es inzwischen ein offenes Geheimnis, dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen künstlich heruntergerechnet werden: Wer als Arbeitsloser krank gemeldet ist, fällt aus der Statistik raus, ebenso alle, die sich in Fortbildungs- oder Qualifikationsmaßnahmen befinden, alle 1-Euro-Jobber usw., d.h. alle, die temporär nicht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen, die aber de facto arbeitslos sind.

Besonders ärgert ihn das "Lügen mit Zahlen" im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel, der für viele Entwicklungen und Entscheidungen als Begründung herhalten muss, vor allem in Bezug auf die Rentenpolitik. Dazu Prof. Bosbach: "... wenn eine gute Altersversorgung von der Zahl der Kinder und jungen Menschen abhängt, dann wäre Deutschland vor 120 Jahren das Traumland für die Alten gewesen. ... Im 20. Jahrhundert ist die Lebenserwartung in Deutschland um 30 Jahre gestiegen, der Anteil der unter 20-Jährigen hat sich von 44 % auf 21 % halbiert, der Anteil der Rentner mehr als verdreifacht. In derselben Zeit stieg der Wohlstand, der Sozialstaat wurde ausgebaut und die Arbeitszeit sank von 60 auf 40 Stunden. Die Erklärung ist einfach und gilt bis heute: Produktivität schlägt Demografie." Aber sie muss  an die Arbeitnehmer weitergegeben werden.

Zahlen sind das Eine, die Schlussfolgerungen daraus das Andere und die Ratschläge der sogenannten Experten meist interessengeleitet.

Der Vortrag  von Prof. Bosbach an der KKS war mit ca. 300 Gästen, darunter viele Schüler und Schülerinnen, sehr gut besucht.

Er zeigte sehr schnell, dass wir in der Ankündigung nicht zu viel versprochen hatten, denn durch seine jahrelange Arbeit als Statistiker kennt er sich in der Tat bestens mit dem manipulativen Potenzial von Zahlen aus, wobei die Zahlen selbst meist stimmen. Aber Prof. Bosbach wies in einer Reihe von Beispielen nach, dass es auf den Kontext ankommt, in den sie gestellt werden, der erst die ökonomische oder politische Aussage bestimmt.

Er führte 3 Beispiele aus dem Bereich Politik an: 2004 habe Per Steinbrück als Hamburger Bildungsminister verkündet, er werde die Lehrerversorgung mit 2000 zusätzlichen Stellen verbessern. Auf Nachfrage erfuhr Prof. Bosbach, dass im gleichen Zeitraum 2200 Lehrkräfte in Pension gingen, d.h. es gab keine "zusätzlichen" Stellen. Ähnliches wiederholte sich 2 Jahre später mit Armin Laschet in NRW, der versprach, er wolle 1000 neue Lehrkräfte einstellen. Da es in NRW rund 7000 Schulen gibt, relativiert  sich dieses Versprechen erheblich, da nur jede 7. Schule mit einer neuen Lehrkraft rechnen kann. Bosbach: "Absolute Zahlen sind irreführend, auf das Verhältnis kommt es an." Im 3. Beispiel ließ Frau Merkel in einer Presseerklärung mitteilen, dass ihre Regierung 18 Milliarden mehr für die Bildung ausgeben werde. Es wurde jedoch nicht dazugesagt, dass die Summe über 9 Jahre ausgezahlt wird und dass sie die Ausgaben für Forschung mit enthält. Pro Jahr bleiben für die Bildung also nur 1.5 Mrd.

Neben den genannten Manipulationen durch absolute Zahlen ohne Kontext, ohne Nennung von Zeitraum, ohne Berücksichtigung von Kosten- und Preisentwicklung gibt es noch grafische Tricks wie z.B. an der Darstellung der Kostenexplosion im Gesundheitswesen ersichtlich: Von 1992 bis 2016 sind die Kosten von 160 auf 340 Millionen Euro gestiegen. Der Trick: die Längsachse begann nicht bei 0 sondern bei 100, so dass die Kurve dramatischer aussah. Das suggerierte zunächst, dass die Menschen mehr Leistungen in Anspruch genommen haben. Prof. Bosbach hat nachgerechnet und die Kosten inflationsbereinigt und herausgefunden,  dass es nur einen minimalen Kostenanstieg gab. Er stellte provokativ die Gegenfrage: "Wie sieht die Entwicklung der Abgeordnetendiäten im gleichen Zeitraum aus?"

Auch wenn seine Statistiken zu unserem Bedauern nicht aktuell waren, so konnte er doch schlüssig und in rheinisch lockerer Art, die die Besucher mitnahm, die Methoden der Manipulation durch Zahlen darstellen und vor zu viel Vertrauen in Statistiken warnen. Sein Tipp: "Immer fragen, woher die Zahlen stammen und wer was damit erreichen will."