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TTIP betrifft auch die Städte

Interview der Heilbronner Stimme mit attac Aktivist Thomas Eberhardt-Köster - Die Vergabe kommunaler Dienstleistungen könnte sich ändern

Kommt das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA, werden wohl auch für Kommunen neue Regeln gelten. Darüber spricht heute ab 19.30 Uhr Thomas Eberhardt-Köster vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac in den Frauenräumen des Kulturzentrums Zigarre in Heilbronn.
Heilbronner Stimme Redakteur Jan Berger hat sich mit dem Politikwissenschaftler unterhalten.

Wie kann das Freihandelsabkommen Kommunen betreffen?

Thomas Eberhardt-Köster: Es wird bei TTIP nicht nur über Industriegüter verhandelt, sondern auch über öffentliche Dienstleistungen und den Zugang zu diesen Dienstleistungen. Das ist der Bereich, wo die Kommunen unmittelbar betroffen sind. Zweiter Bereich sind die Investitionsschutzregelungen. Kommunen könnten etwa verklagt werden, wenn sie Regelungen treffen, die die Gewinnerwartungen eines Investors einschränken.

Können Kommunen nicht auch davon profitieren, dass sie Dienstleistungen globaler ausschreiben und günstigere Angebote erhalten?

Eberhardt-Köster: Es gibt Bereiche, die heute schon ausgeschrieben werden, etwa Bauleistungen. Da kann es schon dazu kommen, dass es ein breiteres Angebot gibt. Aber die Ausschreibungsregeln werden dann wohl nicht mehr national oder im EU-Rahmen festgelegt, sondern global. Und es gibt noch einen zweiten, viel wichtigeren Bereich. Das ist der Bereich, wo Kommunen zurzeit die Dienstleistungen selber erbringen oder etwa gemeinsam mit Wohlfahrtsverbänden. Zum Beispiel ist es in der Jugendpflege oft so, dass die Kommunen ihre Aufgaben auf solche Verbände übertragen. Das könnte zukünftig wohl nicht mehr mit den Verbänden ausgehandelt werden, sondern müsste auch ausgeschrieben werden.

In anderen Freihandelsabkommen ist dies ausgeklammert...

Eberhardt-Köster: Ein Problem bei TTIP ist, dass zum ersten Mal sogenannte Negativlisten behandelt werden. Im Vorfeld müssen also alle Bereiche in das Abkommen reingeschrieben werden, die nicht liberalisiert werden sollen. Bei den alten Abkommen gibt es Positivlisten. Es wird dort also genau formuliert, welche Bereiche liberalisiert werden sollen. Zum Beispiel in dem Abkommen mit Kanada, CETA, ist die Liberalisierung des Abwasserbereichs festgeschrieben, die von den Kommunen im Moment noch selbst organisiert wird.

Aber gerade dort könnte es ja einen deutlichen Spareffekt geben.

Eberhardt-Köster: Es geht aber nicht mehr, dass Kommunen einfach ausprobieren, ob es günstiger wird. Wenn es in CETA oder TTIP drinsteht, gibt es kein Zurück mehr. Wenn die Kommune nach einigen Jahren feststellt, dass die Privatisierung auch Nachteile hat und sie zurücknehmen will, geht das nicht mehr. Aktuell gibt es ja etliche Kommunen, die Privatisierungen rückgängig machen und zum Beispiel Stadtwerke rekommunalisieren. Das wäre mit diesen Verträgen nicht mehr möglich.

Sind denn Bürgermeister irgendwie an den Verhandlungen beteiligt?

Eberhardt-Köster: Die Kommunen sind in die Verhandlungen nicht eingebunden. Deshalb haben auch der Deutsche Städtetag und etliche Städte- und Gemeindebunde ihre Skepsis geäußert. Seit einem halben Jahr etwa wird das Thema auch in Kommunen verstärkt diskutiert. Und obwohl sie formal und rechtlich nicht eingebunden sind, haben etliche Kommunen in letzter Zeit Beschlüsse gefasst, dass sie gehört werden wollen und gegen Regelungen zur Privatisierung von kommunalen Dienstleistungen in den Abkommen sind.

In den USA gibt es die Regel, dass kommunale Aufträge zunächst an amerikanische Firmen vergeben werden müssen. Könnte man dies nicht durch TTIP auch in Europa und Deutschland einführen, um die heimische Wirtschaft zu stärken?

Eberhardt-Köster: Diese Abkommen werden in der Regel eher in Richtung Liberalisierung abgeschlossen und nicht in Richtung einer stärkeren Regulierung. Bei TTIP fordert etwa die EU-Kommission eine Öffnung des US-Marktes und nicht umgekehrt.

Quelle: HEILBRONNER STIMME, 12.12.2014

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Das Interview als <media 63657>PDF</media>