Menü

17. Februar 2013 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Die internationale Politik zu Syrien mit besonderem Augenmerk auf die USA gibt Anlass zu folgender Stellungnahme zu

Wechsel des US-Kabinetts und Personalien in Washington erste Woche Februar,
Meldungen und Berichte in Süddeutsche Zeitung und Junge Welt

Bewaffnung der syrischen Rebellen
von Präsident Barack Obama ausgebremst,
aber deutsche Mitwirkung an Eskalation in Syrien

Einiges von dem, was sich zur Zeit im Nahen Osten abspielt, ist nicht im Sinne der NATO-EU und wird hierzulande deshalb verschwiegen. Zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren hat ein Staatsoberhaupt den Iran besucht: Präsident Mohammed Mursi reiste im August 2012 nach Teheran.

Israel, die USA und andere haben sich gegen eine Annäherung der beiden Länder gestellt. Trotzdem hat Ende August 2012 ebenso Ägyptens Präsident Mohammed Mursi am Gipfeltreffen der blockfreien Staaten in der iranischen Hauptstadt Teheran teilgenommen. Mursi übergab dort den Vorsitz des Verbundes an den Iran. Iran führt seitdem den Vorsitz der blockfreien Staaten.

Es war der erste Besuch eines ägyptischen Staatsoberhaupts im Iran seit mehr als drei Jahrzehnten. 1979 hatten sich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten drastisch abgekühlt. Im Iran eroberten die Mullahs die Macht in der Islamischen Revolution, Ägypten schloss im gleichen Jahr Frieden mit Israel. Die neu etablierte Theokratie im Iran legte kurz darauf als Reaktion die diplomatischen Beziehungen mit Kairo auf Eis.

Es ist zu erwarten, dass die seitdem bestehende konfrontative Haltung zwischen dem schiitischen Regime in Teheran und dem sunnitisch geprägten Ägypten aufhört, um so zur Entspannung und Stabilität in dem fragilen Machtgefüge des Nahen und Mittleren Ostens beizutragen. Die letzte Botschaft des ehemaligen Staatschefs von Irak, Saddam Hussein, vor seiner Hinrichtung unter der USA-Herrschaft als Folge der Invasion des Iraks war sein dezidierter Aufruf an Schiiten und Sunniten, sich zu vereinen. Die Vereinigung von Sunniten und Schiiten wird den Interessen der islamischen Völker viel mehr Nachdruck verleihen.

Eine solche Annäherung der neuen Führung in Kairo an den Iran wird gewiss von dessen strategischen Gegenspielern nicht gut geheißen: Die USA und Israel an erster Stelle, aber auch die Golfstaaten mit Saudi-Arabien an der Spitze. Solche Mächte arbeiten an weiteren Feindseligkeiten, an Spaltung und Konfrontation.

Vor kurzem, im laufenden Februar, reiste der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi nach Kairo, um an einem Gipfeltreffen der islamischen Staaten dort teilzunehmen. Am Rand des Gipfeltreffens berichtete der Außenminister Salehi, Damaskus schließe Gespräche mit der Opposition nicht aus. Vertreter der Türkei, des Irans und Ägyptens hatten sich am Rande des Gipfels speziell mit der Lage in Syrien befasst. Alle drei Länder seien an einer Lösung der Krise interessiert, hieß es.

Mittlerweile setzen die Terror-Banden ihre destruktiven Aktivitäten in Syrien fort. "Das einzige Ziel dieser Gruppen ist die Zerstörung Syriens... Die syrische Armee ist geeint und verfügt über ein großes Waffenarsenal, niemals werden diese Gruppen gegen diese Streitkraft siegen. Aber sie zwingen sie mit ihren sinnlosen Angriffen, weiter gegen sie vorzugehen. Das Ergebnis ist nur noch mehr Blutvergießen und Zerstörung." So ein Gesprächspartner zur Journalistin Karin Leukefeld in Damaskus, wie sie in der Tageszeitung Junge Welt (jW) berichtet: "Die Krise lösen" von Karin Leukefeld, Damaskus, jW, 8.2.2013. Dort ist weiter zu lesen:

<< Ein hochrangiger EU-Politiker hat die europäische Isolationspolitik gegenüber Syrien seit 2011 als "großen Fehler" bezeichnet. Das berichteten syrische Oppositionelle der Autorin in Damaskus. Die Gesprächspartner, die anonym bleiben wollten, hatten sich Ende 2012 mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments und Politikern der EU-Kommission in Brüssel getroffen. Es sei ein Fehler gewesen, Sanktionen gegen Syrien zu verhängen und die Botschaften zu schließen, äußerte demnach der EU-Vertreter gegenüber der syrischen Delegation. Damit habe Europa jeglichen Zugang zur Regierung verloren. Grund für die Entscheidung sei Druck der Arabischen Liga gewesen, so die erstaunliche Aussage des EU-Politikers. Die Liga habe damals unter dem Vorsitz von Katar und in Übereinstimmung mit Saudi-Arabien die EU zu der Isolation Syriens gedrängt. >>

Die Münchner-Sicherheitskonferenz dieses Jahres (1. bis 3.2.2013) war mehr als jemals zuvor ein Treffen von Rüstungslobbyisten, Konzernen, Militärs und sogenannten Sicherheitspolitikern. Dabei ist das Primat des Militärs total in seinem Element gewesen und machte die Politik null und nichtig.

Am Rande der Konferenz äußerten der russische Außenminister Sergei Lawrow und der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi ihre Zufriedenheit mit der Ankündigung des Präsidenten der syrischen 'Nationalen Koalition der Oppositionskräfte' Ahmad Moaz Al-Khatib, die Opposition sei zu Gesprächen mit der syrischen Regierung bereit. Beide Außenminister bezeichneten Baschar Al-Assad als legitimen Präsidenten Syriens. Auf den Abgang Assads zu bestehen, sei das "größte Hindernis" für eine Lösung des Konflikts, erkannte zu recht der Außenminister Russlands, Sergei Lawrow. (SZ-Meldung von 4.2.2013)

Vor dem Hintergrund des Abgangs von Hillary Clinton aus dem State Department berichtete New York Times, dass sie und auch der scheidende CIA-Chef David Petraeus für die offene Bewaffnung der syrischen Rebellen gewesen seien, aber von Präsident Barack Obama ausgebremst wurden. ("Treffen der Kriegstreiber" von Knut Mellenthin, jW 4.2.2013). Daraus kann man vermuten, dass die Arabische Liga, an erster Stelle Katar, den Präsidenten der syrischen Nationalen Koalition, Al-Khatib, zu Gesprächen mit der syrischen Regierung bewogen hat. Als Zeuge vor dem US-Senat räumte der scheidende US-Verteidigungsminister Leon Panetta ein, dass er und der ranghöchste US-General Martin E. Dempsey, letztes Jahr einen CIA-Plan zur Bewaffnung syrischer Rebellen unterstützt hätten. Jedoch sei dieser Plan durch das Weiße Haus letztlich verhindert worden, obwohl sich der damalige CIA-Chef, General David Petraeus, und Außenministerin Hillary Clinton persönlich dafür eingesetzt hätten. Heute würde er, Leon Panetta, die Ablehnung des Weißen Hauses verstehen, gab der scheidende Verteidigungsminister öffentlich zu. New York Times beschäftigte sich mit der Frage, warum sich Präsident Obama der Bewaffnung widersetzte (NYT vom 8.2.2013). Einerseits sei das Weiße Haus besorgt wegen der Risiken, immer tiefer in die Syrien-Krise hineingezogen zu werden. Außerdem sei befürchtet worden, dass die Waffen "in die falschen Hände" fallen könnten.... Jedenfalls haben "alle hochrangigen Beamten, welche die Bewaffnung der syrischen Rebellen befürwortet haben, die Obama-Administration entweder bereits verlassen oder sind wie im Fall von Leon Panetta, im Begriff fortzugehen" informiert New York Times weiter. (Aus dem Artikel "Nichts ohne Obama" von Rainer Rupp, jW 11.2.2013). Nur General Dempsey sei geblieben.

Die skrupellose Bewaffnung und Förderung des Terrors muss definitiv gestoppt werden, um den Dialog zwischen Regierung und Opposition zu ermöglichen. Alles andere ist ein Verbrechen, das zu entsprechenden Anklagen gegen die verantwortlichen Politiker führen muss. Je früher desto besser.

Ein Meilenstein für den Fortschritt der Zivilisation sind die Vereinten Nationen (Oktober 1945) und die Nürnberger Prozesse (November 1945 - April 1949). Beide verurteilen explizit den Aggressionskrieg. Ein Krieg ist nur als Selbstverteidigung gerechtfertigt, wobei in jedem Fall die Anwendung von Gewalt verhältnismäßig sein muss. Krieg, der aggressive Griff zu militärischen Mitteln ist Massenmord und Zeichen eines Kulturverfalls sowie des Versagens von Politik. Das Drohen mit militärischen Maßnahmen und gewaltsame Aktionen gegen Staaten entspringen terroristischer Denkweise und sind terroristische Handlungen außerhalb einer zivilisierten Gesellschaft. Hier ist ein Bereich, mit dem sich Professoren für Völkerrecht wie für Strafrecht ernsthaft beschäftigen müssen. Wieso hört man nichts von ihnen?

Eine gelähmte deutsche Öffentlichkeit versäumt, die Lehre und Konsequenzen aus den Nürnberger Prozessen zu ziehen. So bleiben die heutigen militärischen Aggressionen, begangen durch freiheitliche westliche nominale demokratische Rechtsstaaten, unbeachtet und vollkommen folgenlos. Stattdessen werden Länder, die sich für eine politische zivilisierte Lösung setzen und militärisches Eingreifen ablehnen, wie Russland und China, kritisiert und angeprangert, vor allem deshalb, weil beide Länder ihr dazu ausgestattetes UNO-Vetorecht nutzen, um Angriffskriege zu verhindern.

Wenn militärische Angreifer, wenn Mörder unbestraft bleiben, ist dies das Ende der Zivilisation. So der amerikanische Staatsankläger Robert Jackson in seinem Plädoyer in den Nürnberger Prozessen gegen deutsche Kriegsverbrecher. Wieso erstellt der internationale Strafgerichtshof keinen Haftbefehl gegen die flagranten westlichen Aggressoren, welche die Morde, schwere Körperverletzungen und Verwüstungen im Irak, Serbien, Afghanistan, Libyen, Syrien und Gaza zu verantworten haben, überfallene Länder, die kein anderes Land angegriffen haben? Wieso schweigt eine gelähmte deutsche Öffentlichkeit vor solchen flagranten Kriegsverbrechen gegen den Frieden? Wieso nimmt die deutsche Öffentlichkeit die Blockade der USA und ihrer Vasallen gegen eine politische Lösung in Syrien nicht wahr und schont durch Verdrehung, Lug und Trug die Machthaber aus dem Westen, die in Syrien mitverantwortlich sind für Hunger, Not und unermessliches Leid? Was für eine Pressefreiheit ist das?

Die Sicherheit Syriens wird besonders bedroht durch die Einschleusung terroristischer Banden über türkisches Staatsgebiet. Diese verdeckte Kriegsführung gegen Syrien ist ein flagranter Akt völkerrechtlicher Aggression. Daran ist auch die deutsche Regierung mit ihrem feindseligen Vorgehen gegen Syrien wesentlich beteiligt. Sie begeht mit ihrer Mitwirkung an dieser Aggression einen Verstoß gegen das Völkerrecht und damit gegen das Grundgesetz. Tatsächlich ist die deutsche Politik durch die Mitwirkung an der Eskalation des Syrien-Konflikts an Irrationalität, aber auch an Gefährlichkeit und Bosheit kaum noch zu überbieten.

Die Bundeskanzlerin Angela Merkel ist besonders herausgefordert, sich gegen die weitere Bewaffnung an Terroristen in Syrien zu positionieren. Sicherlich wurde sie vom US-Vizepräsident Joe Biden unterrichtet über das Veto des Präsidenten Obama gegen die unzulässige Bewaffnung der Rebellen und umso erstaunlicher, dass sie als angebliche loyale Partnerin der USA noch keine klare Stellungnahme zu einer so gravierenden Angelegenheit verlautbaren ließ.

Die SZ-Redaktion hat niemals den neuen Präsidenten Barack Obama unterstützt, weder während seiner ersten Amtszeit noch zu seiner Wiederwahl. Die SZ-Redaktion stellte sich an die Seite der Bush-Regierung, d.h. an die Seite der Republikaner und Neokonservativen. Sie hat ihre Enttäuschung über die eklatante Niederlage des neokonservativen Kandidaten nicht verstellen können. Jetzt ist es offensichtlich, dass sie die neue Linie des Präsidenten und seines Kabinetts sabotieren will, indem sie diese unter den Teppich kehrt. Der substanzlose Leitartikel "Der linke Präsident" von Nikolas Richter verfällt noch einmal in substanzlose Schemata mit reinem propagandistischen Charakter. Der Journalist wagt es nicht, sich mit dem Inhalt einer Politik zu befassen. Wenn ein Vorhaben im Sinne der Menschlichkeit und der Vernunft nur linke Politik sein sollte, dann sind alle für die Linke, nicht nur die amerikanische und deutsche Bevölkerung sondern auch die gesamte Weltbevölkerung. Die Menschheit sehnt sich nach Gerechtigkeit und Frieden. Die Zeit für Nebensächlichkeiten ist vorbei. Es ist nur jämmerlich, dass deutsche Redaktionen in einer reaktionären rückständigen Mentalität verhaftet geblieben sind.

Europa, Deutschland und deutsche Medien wie die SZ besitzen keine Vision für eine Außenpolitik. Sie zeigen sich als bedingungsloser Vasall der kriegerischen Bush-Politik. Der Sieg von Barack Obama mit dem offenen Willen zum Umbruch, zur Veränderung führt zu der Frage, was Europa dazu beitragen kann, wenn überhaupt. Dass diese Frage bis heute noch unbeantwortet bleibt, hat keine akzeptable Erklärung. In einer Diktatur ja, aber nicht in einer Demokratie, wo angeblich Freiheit herrscht, um sich selbst zu bestimmen. Diese Paralysierung oder absolute Null zeigt, wie wenig Deutschland und deutsche Journalisten von demokratischer Freiheit verstehen. Sich hinter Bush und den Republikanern versteckt zu haben, war bequem, aber das Verstecken ist jetzt entlarvt.

Dass Obama unvoreingenommen mit dem Iran und Syrien verhandeln will, zeigt seine selbstsichere Souveränität. Aber das irritiert die SZ-Redaktion, die in den irrigen Schemata einiger europäischer Falken und Neokons befangen bleibt. Das ist allein das traurige Problem der Süddeutschen Zeitung, das sie zu überwinden hat. Ansonsten wirkt der unprofessionelle Journalismus in außenpolitischen Angelegenheiten nicht nur unerfahren, sondern schadet auch den guten Ruf der Süddeutschen Zeitung.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait