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24. November 2012 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Kommentar zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 21.1.12012:
„Hamas verkündet Feuerpause" von Tomas Avenarius und Christian Wernicke
und „In der Nebenrolle" von Daniel Brössler,

Deutschlandfunk-Nachrichten vom 21.11.2012 - 6 Uhr,
Rheinische Post vom 21.11.2012,

Junge Welt (jW) vom 20.11.2012:
"Nur Druck von außen verändert die Lage"
Ein Gespräch mit Norman Paech und "Krieg gegen Kinder"
und vom 21.11.2012: "Mäht Gaza nieder", beide von Karin Leukefeld, 

ARD-Fernsehen vom 22.11.2012: Mittagsmagazin, jW vom 22.11.2012:
"Proteste unter Beschuss" von Simon Kleinert
und "Waffenruhe verweigert" von Karin Leukefeld,

SZ vom 22.11.2012:
„Waffenruhe im Nahen Osten" von Tomas Avenarius und Peter Münch,
„Triumph für Ägypten" von Sonja Zekri
und „Ohnmächtige Weltmacht" von Reymer Klüver,

SZ vom 23.11.2012:
"Neuer Hass in den Ruinen" von Tomas Avenarius

Dezidierte Intervention der Weltmacht USA gegenüber ihrer Enklave im Nahen Osten: Ein großer diplomatischer Erfolg 
Westerwelle nur Postbote der israelischen Regierung im Krieg gegen die Bewohner Gazas

Der US-Präsident Obama weiß, dass ungezügelte Leute gestoppt werden müssen. Daher hat er alle wilden Rufe nach einer militärischen Intervention in Syrien „an sich abprallen lassen". Nicht als „ratlos", wie Reymer Klüver irrtümlicherweise interpretiert, sondern als ein realistischer verantwortungsvoller Staatsmann, der fehlerhafte Handlungen einsieht und korrigieren will. Sein Fehler war die Kapitulation vor diesem Unheil. Weder Europa noch die USA haben klare Zeichen gesetzt. Das Ziel des US-Präsidenten war absolut richtig. Vor dem israelischen Unheil darf niemand geistig oder politisch kapitulieren. Aus reiner Feigheit oder Selbstunsicherheit aufgrund einer nicht ehrlichen Aufarbeitung der historischen Vergangenheit bleiben die Mächtigen in Berlin, auch bestimmte Journalisten, sichtbar ohnmächtig, paralysiert. Nicht aber die Weltmacht USA, Gründer der Vereinten Nationen und Architekten der Nürnberger Prozesse.

Tel Avivs irregeleitete Politik der illegalen Besatzung ist zu weit gegangen. Europa hat versäumt, immer wieder das Problem richtig anzupacken. Die Bundesregierung zeigt eine unverantwortliche unberechenbare Politik gegenüber einem Land, das ständig andere Länder und Menschen bedroht und angreift mit extrem unmenschlichen Folgen.

Israel entfaltet destabilisierende, destruktive Wirkungen im gesamten Nahen Osten, indem es sich weigert, eine illegale Besatzung zu beenden und damit den Konflikt zu entschärfen. Die Regierung Obamas hat das Problem sehr gut erkannt. Deshalb die Priorität des Nahost-Konflikts in der Weltpolitik der USA. Dass der US-Präsident sein selbst gesetztes Ziel bisher nicht erreichen konnte, ändert an der Sache überhaupt nichts. Der Weg dorthin muss nun anders sein. Die erfolgreiche Mission von Hillary Clinton in Tel Aviv (21.11.2012) hat den neuen Weg schon vorgezeichnet.

Der SZ-Artikel von Reymer Klüver „Ohnmächtige Weltmacht" (22.11. 2012) sieht nicht die sich profilierende Wende im Nahen Osten und steht deshalb am Rande der Realität. Die gelungene Waffenruhe wurde endlich durch die dezidierte Intervention der Weltmacht USA gegenüber ihrer Enklave im Nahen Osten erreicht. Mit Druck, massivem Druck wollte und konnte sich die Außenministerin Hillary Clinton am 21.11. 2012 gegenüber dem sturen aggressiven israelischen Premier Netanjahu durchsetzen. Der US-Präsident hat seine Außenministerin nicht als „Vermittlerin" nach Tel-Aviv geschickt, wie der SZ-Journalist falsch schildert, sondern sie kam nach Tel-Aviv mit einem präzisen klaren präsidentiellen Mandat, nämlich die israelische Aggression zu stoppen, ohne Diskussion. Dazu hat zum ersten Mal die Weltmacht USA sinnvoll und völlig richtig ihre starke politische Macht gegenüber dem schwierigen Verbündeten gelten lassen. Netanjahus Gesicht, als er der Öffentlichkeit die Waffenruhe melden musste, nachdem sie aus Kairo schon gemeldet worden war, zeigte offensichtlich seine Frustration und Wut, weil ihm die harte Haltung Washington unerwartet in die Quere kam, um seinen perversen Verwüstungsplan fortzuführen, Gaza „neu zu formatieren" und es „mit Bomben sauber zu wischen". (Artikel "Mäht Gaza nieder" von Karin Leukefeld, Junge Welt vom 21.11. 2012). Die energische Intervention der amerikanischen Außenministerin weist auf ein klares Signal an Israel: Premier Netanjahu kann in der Zukunft nicht mehr machen, was er will. Die USA gehen auf Distanz zu ihm. Zu Recht, weil diese Regierung hoch gefährlich für Israel selbst und für die gesamte Region ist. Die neuen Signale aus dem Weißen Haus lassen durchblicken, dass Präsident Barack Obama in seiner zweiten Amtszeit gegenüber Palästina gerechter und fairer sein könnte als zuvor. Ein Israel ohne Netanjahu lässt darauf hoffen, den Friedensprozess auf revidierter Basis neu zu starten, nämlich mit Palästina als weltweit anerkanntem Staat.

Ägypten stehe zu seiner "historischen Verantwortung" gegenüber den Palästinensern, sagte der Außenminister Mohammed Kamal Amr, als er die Waffenruhe am Abend des 21.11. 2012 bekannt gab. Er dankte der Türkei, der Arabischen Liga, der Golfmonarchie Katar und US-Außenministerin Hillary Clinton. Hier sind die realen Akteure der heutigen Nahost-Politik. Weder die EU noch Deutschland, Guido Westerwelle wurde von seinem ägyptischen Kollegen nicht einmal erwähnt. Wieso sollte Ägyptens Außenministers einen deutschen Minister dafür danken, dass er sich einfach für die Forderungen der israelischen Regierung einschaltet? Dafür hat Westerwelle zu Recht die Dankbarkeit seines israelischen Kollegen erhalten. Gerade diese Leute, die dem deutschen Außenminister loben, nämlich Außenminister Avigdor Liebermann und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, hatten sich geweigert, die vorgelegte Vereinbarung zur Waffenruhe zu unterzeichnen. Ihre Dankbarkeit d.h. die Dankbarkeit von Extremisten gegen den Frieden an dem deutschen Außenminister spukt dann als beschämendes Stigma, als Brandmarke für eine nicht nur gescheiterte, sondern auch inakzeptable merkwürdige Rolle des deutschen Politikers, die einen Ausweg aus der Krise eher erschwerte. Die Zahl der Toten in Israel stieg am 21.11. 2012 auf fünf, im Gaza starben bisher mehr als 150 Menschen. (Aus dem Artikel "Waffenruhe verweigert" von Karin Leukefeld, Junge Welt 22.11. 2012) 

Wo ist das menschliche Empfinden von SZ-Journalisten, ihr verhältnismäßiges Urteil, hat sie die hiesige Geschichte von Ausrottung und Vernichtung in ihrer Menschlichkeit bestärkt und sensibler gemacht? Daniel Brössler bezieht sich auf die einzigartige monströse Spitze dieses höchst unmenschlichen Kapitels der Geschichte Deutschlands, um die "daraus resultierende Verantwortung" als Verpflichtung zur Solidarität zu sehen. Solidarität womit? So enorm die Nazi-Verbrechen im Dritten Reich waren, zieht Daniel Brössler keine konsequente aktuelle normale Lehre daraus gegenüber der menschlichen Gaza-Tragödie, nämlich keine unmenschliche Attentate, keine Grausamkeit weiter zu dulden oder zu rechtfertigen, wer auch immer die Täter sein mögen. Jedoch wieso sieht sich Brössler wegen der Verbrechen des Dritten Reichs verpflichtet? Wer identifizierte sich in Deutschland mit dem Faschismus im Dritten Reich? Aus dem faschistischen Umfeld fallen die bisher nicht überwundenen historischen Komplexe klar auf, nicht aber im Umfeld der anti-faschistischen Kräfte, die sich von Anfang an gegen die Nazis stellten und kämpften. Heute noch. Haben sich die Macht-Eliten der Bundesrepublik jemals als antifaschistisch erwiesen? Daher kommen die krankhaften Irrungen und Verwirrungen bis heute noch. Die Presse des Springer-Verlages beweist fast täglich diesen unaufgearbeiteten historischen Komplex. Dagegen nicht die linke antifaschistische Presse, die leider nur eine winzige Minderheit der deutschen Gesellschaft liest. Niemals war aus der DDR irgendein Unfug in dieser historischen Hinsicht zu hören. Lediglich die westdeutsche Bundesrepublik blieb in der verhängnisvollen Vergangenheit befangen. Infolgedessen ist Daniel Brössler zuzustimmen, wenn er schreibt "In Wahrheit hätte Deutschland dann gar keine Rolle mehr", vor allem nicht, wenn es unfähig ist, Fairness in einem lebensbedrohlichen Konflikt zu zeigen. In der Tat hatte Deutschland im Nahen Osten noch nie eine Rolle gespielt, außer vielleicht zu Zeiten von Walter Scheel und Helmut Schmidt. 

Allerdings kann Daniel Brössler für die Israelis nichts, die heute extreme Unmenschlichkeit zu verantworten haben. Aber mit solcher Unmenschlichkeit darf weder ein Journalist wie Brössler, noch sonst jemand sich zur Solidarität verpflichtet fühlen. Im Gegenteil. Es gibt keine Rechtfertigung für eine Abnormität. Nun gehört es in einen anderem Bereich, nicht zum Journalismus, zu analysieren oder zu erklären, wie sich heute Kinder und Kindeskinder der damaligen Opfer in derart grausame Täter verwandeln können und gleichzeitig in Selbstmitleid verfallen. Europa darf sich nicht weiter dafür einspannen lassen.

Gravierenden Realitätsverlust zeigt Daniel Brössler, wenn er das Scheitern der deutschen Diplomatie nicht anerkennen will. Zudem manifestiert der Journalist fehlende Größe und Missgunst gegenüber den USA in seinem trotzigen Leitartikel "Der deutsche Standort", der nicht einmal imstande ist, die Mission der amerikanischen Außenministerin fair zu würdigen, als sie nur wenige Stunde in Tel-Aviv benötigte, um eine Waffenruhe dort seitens des israelischen Premiers Netanjahu zu sichern. Missgunst gegenüber dem bemerkenswerten Erfolg der US-Außenministerin, Missgunst gegenüber den USA überhaupt ist auch bei der ARD-Tagesschau und ZDF-Heute Sendungen zu beobachten: Während das ARD-Mittagsmagazin vom 22.11. 2012 die Waffenruhe als diplomatischen Erfolg von Hillary Clinton auf Konto des US-Präsident Obama ausdrücklich würdigte, wurde dies bei ZDF-Heute und ARD-Tagesschau am selben Tag auffällig gestrichen, verschwiegen. Wen störte es, wen belästigte es, die verdienstvolle US-amerikanische Diplomatie zu würdigen?

Merkwürdige, seltsame Artikel, Titel unter Sensationsfotos lassen sogar erahnen, dass die Frustration bei bestimmten deutschen Kreisen genauso groß wie beim Premier Netanjahu war, als sie die gelungene Waffenruhe als dauerhaft wahrnehmen mussten. SZ-Artikel wie "Der nächste Krieg kommt bestimmt" von Peter Münch und "Neuer Hass in den Ruinen" von Tomas Avenarius am 23.11. 2012 lassen spüren, dass gewisse militaristische zionistische Kreise danach brennen, die Waffengewalt noch einmal explodieren zu lassen. Versteht man so die Verantwortung Deutschlands aus seiner geschichtlichen Vergangenheit? Aus einer bockig sich verweigernden Regierung, wie die von Netanjahu, kann man alle Art von Provokationen erwarten, um die Waffenruhe zu brechen. Schon die ungeklärte kaltblütige Tötung von Palästinensern an der Gaza-Grenze durch israelische Soldaten am 23.11. 2012 ist ein Zwischenfall, der für diese Bösartigkeit selbst spricht. Nun ist zu erwarten, dass sich die Palästinenser keineswegs provozieren lassen, vor allem im Vorfeld der großen Stunde der Politik und Diplomatie, wenn in wenigen Tagen Palästina als Staat von der Weltstaatengemeinschaft anerkannt werden wird. 

Kairo hatte schon früher erfolgreich zwischen Israel und den Palästinensern vermittelt. Neben dem türkischen Außenminister Ahmet Davatoglu nehmen an den Vermittlungen Kollegen aus Ägypten, Tunesien und Saudi-Arabien teil. Iran hat sich auch eingeschaltet, um die Palästinenser und Hamas in Gaza zu unterstützen. Als "Terrorstaat" wurde Israel vom türkischen Ministerpräsident Tayyip Erdogan am 19.11. 2012 hart kritisiert wegen seiner Aggressionskette gegen Gaza. Der ägyptische Botschafter in Israel wurde zurückgerufen. Sonja Zekri skizziert die neue Lage in ihrem interessanten Artikel "Triumph für Ägypten" (SZ vom 22.11. 2012). Indien und Marokko hatten im UN-Sicherheitsrat eine Erklärung zu Gaza am 20.11. 2012 vorgelegt mit einer starken Verurteilung Israels. Beide Länder zogen sogar in Erwägung, diplomatische Beziehungen mit Tel-Aviv zu unterbrechen. Zwar wurde die Erklärung von Washington blockiert, aber die USA mussten sich in diesem diplomatischen Erdbeben endlich bewegen. Schon lange wusste Washington, dass die Lage unhaltbar ist. Jetzt scheint das Weiße Haus sein Steuer wieder in die Hand zu nehmen, und so versucht der US-Präsident auch die Eskalation in Syrien zu bremsen, hoffentlich nicht zu spät. Da aber sind Frankreich, Großbritannien und die Türkei Störfaktoren, deren unberechenbare Einmischung den normalisierten Kurs behindern. Neue Akteure, die im Nahen Osten auch auftreten, sind Russland, China und Indien. Die Welt ändert sich, auch wenn manche sich niemals ändern und sich dem entgegenstellen.

Berlin scheint mehr von Krieg als von Politik zu verstehen und ist deshalb ein unberechenbarer Verbündeter, nicht nur für die USA. Es bleiben Russland, China, Indien und die blockfreien Staaten, also die erhebliche Mehrheit der Weltstaatengemeinschaft. Die US-Regierung von Barack Obama muss sich den neuen Weltverhältnissen anpassen und sich durch eine vernünftige Außenpolitik behaupten. Aus seiner Erfahrung mit einem sich verweigernden israelischen Premier hat Obama gelernt. Die Obama Regierung hat sich schon vor längerem auf die Zeit nach den siegreichen Präsidentschaftswahlen vorbereitet, vor allem nachdem Netanjahu einen Friedensplan im Nahen Osten stets blockierte. Nach seinem klarem Sieg - auch mit Hilfe vieler Stimmen US-amerikanischer Juden - gegen die unerwünschten radikalen Republikaner, die sich an die Seite Netanjahus stellten, kann Barack Obama seine richtige Linie in Nahost implementieren. Er braucht jetzt keinerlei Rücksicht auf die zionistische US-Lobby zu nehmen. 

Der US-Präsident braucht aber solide Partner, auf die sich er verlassen kann, um das Völkerrecht in der internationalen Ordnung wiederherzustellen. Der dezidierte Auftritt des brillanten und wachsamen US-amerikanischen Botschafters in Berlin, Philip Murphy, persönlicher Freund des US-Präsidenten, gewinnt in diesem Zusammenhang aktuelles Profil als eindeutiger Aufruf an die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nach der Wiederwahl von Barack Obama stellte er ganz bewusst die berufliche völkerrechtliche Formation des amerikanischen Präsidenten öffentlich (7.11. 2012) heraus, und das gerade in einer Zeit, die es bitter nötig hat, dass die bisherige US-amerikanische und europäische Außenpolitik auf die richtige Bahn gerät. Im zweiten Amt von Barack Obama darf ein rechtsextremistischer israelischer Premier Netanjahu nicht weiter die Agenda des Nahen und Mittleren Ostens bestimmen mit seiner Orgie von Gewalt und ihrer Androhung. Vom US-Präsidenten Obama ist zu erwarten, dass er die internationalen Beziehungen normalisiert, vor allem mit dem Iran und Syrien. Durch Aggression und Manipulation ist der Respekt der Menschen und Völker nicht zu gewinnen. Aus Fehlentscheidungen der Vergangenheit ist zu lernen, um voran gehen zu können. Wenn es ein Land gibt, das diese Größe hat, dann die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Weltstaatengemeinschaft würde sich freuen, die Weltmacht wieder zum Wohle des Weltfriedens in ihren Reihen zu haben und auf sie zu zählen, um die Herrschaft des Völkerrecht wiederherzustellen, denn eine westliche Minderheit zusammen mit Reaktionären bringt durch die Demontage des Völkerrechts den Weltfrieden in Gefahr.

Leider zählt zu dieser gefährlichen unberechenbaren westlichen Minderheit auch der deutsche Außenminister mit seinen FDP/CDU/CSU-Kumpanen: Befangen in der schuldhaften deutschen Vergangenheit gegenüber Israel sah sich der deutsche Außenminister verpflichtet, in Tel-Aviv zu behaupten, "die Menschen und die Regierung in Deutschland stehen an der Seite unserer israelischen Freunde." Für die Menschen in Deutschland kann aber der Außenminister nicht sprechen. Die deutsche Bevölkerung kann sehr gut unterscheiden zwischen Aggression und die daraus folgende Reaktion. Westerwelles Auffassung weiter: "Israel hat das Recht, sich selbst zu verteidigen. Die Hamas hat die Verantwortung, die Raketenangriffe gegen Israel zu beenden". So einseitig, so einfältig die Sicht eines voreingenommenen deutschen Außenministers, der das Kernproblem im Nahen Osten völlig übersieht. Nicht als fairer Vermittler, sondern als Übermittler einer einseitigen, befangenen Botschaft des Bundeskanzleramtes war er nicht in der Lage etwas Konstruktives, Wirkungsvolles auszurichten. Solange Deutschland "seine historische Verantwortung gegenüber dem jüdischen Staat" als bedingungslose Akzeptanz und "Solidarität" mit allen seinen Aggressionen und Untaten kritiklos versteht, die neuen Luftangriffe und gezielte Tötung in Gaza ab dem 14.11.2012 eingeschlossen, ist die deutsche Nahost-Politik eine eklatante Null. In diesem einseitigen Rahmen setzt sich beklemmend auch Daniel Brössler ein mit seinem Leitartikel "Der deutsche Standort" vom 23.11. 2012. Zahlreiche Angriffe führte Israel gegen Gaza acht Tage lang (14. bis 21.11. 2012). Die Zahl der Luftattacken erhöhte sich auf 460. Der Angriff Israels auf den Gazastreifen sei eine "Katastrophe", sagte der ägyptische Ministerpräsident Hisham Kandil. Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi bezeichnete die israelischen Luftschläge als "unverhüllten Angriff auf die Menschlichkeit". Deutsche Medien dürften nicht länger die Augen vor den Verbrechen Israels verschließen. Extrem inhuman benehmen sich israelische Soldaten, die "einen blutenden Mann am Boden liegen lassen und verhindern, dass Anwohner ihm zu Hilfe kommen können. Eine Person wird von dem sich krümmenden Mann weg gezerrt, andere Helfer werden bedroht". (Aus dem Artikel "Proteste unter Beschuss" von Simon Kleinert, Junge Welt 22.11. 2012)

Völlig zutreffend kritisierte der Berater des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas die blauäugige Position Deutschlands. Bundeskanzlerin Angela Merkel sehe "zwar ein Recht Israels zu agieren, aber offensichtlich sieht sie nicht die Bilder aus dem Gazastreifen". Wer eine so einseitige Haltung einnehme, habe "kein Gewicht" bei Verhandlungen. Deutschland habe seine Chance verloren, zwischen Israelis und Palästinenser zu vermitteln. (Rheinische Post vom 21.11. 2012 und Deutschlandfunk-Nachrichten vom 21.11. 2012 um 6.00 Uhr). Guido Westerwelle hätte sich seine Reise sparen müssen, sie war nichts als ein großer Bluff, der nur viel Geld verschwendete.

Offenkundig ist der Nahost-Konflikt eine Nummer zu groß für Deutschland. Mit seinem Hin und Herpendeln zwischen Tel-Aviv und Kairo konnte der Außenminister Guido Westerwelle keine dauerhafte Waffenruhe erreichen. Ihm fehlte die Überzeugung und die Willensstärke gegenüber einem unverhältnismäßigen Aggressor, der dicht besiedelte Gebiete, bewohnte Viertel im Gaza bombardieren lässt. Dass der Aggressor darüber hinaus illegaler Okkupant ist, scheint den deutschen Außenminister nicht zu stören. Die israelische Regierung steht nach ihrer eigenen Darstellung im Krieg mit der Hamas und hat damit auch ihre Blockade des Gebiets und ihr Vorgehen gegen die Gaza-Flotille (31.5.2010) gerechtfertigt. Gezielte Tötungen und Militärangriffe der israelischen Armee gehören mittlerweile zur furchtbaren Normalität. So Norman Paech in Junge Welt vom 20.11. 2012.

Vielmehr müssten Außenminister, Politiker und Journalisten auf den Ursprung des Konflikts zurückblicken, nämlich die fortdauernde illegale Besatzung des Gazastreifens durch Israel. "Wer fremdes Gebiet unrechtmäßig besetzt hält, kann sich nicht auf die Selbstverteidigung berufen, wenn er deswegen militärischen Widerstand erfährt. Das Recht auf Verteidigung steht dann der palästinensischen Seite zu... Die Hamas würde auf die Forderungen nach Unabhängigkeit Palästinas und ein Ende der Besatzung nicht verzichten müssen, sehr wohl aber darauf, militärische Mittel für diesen Zweck anzuwenden. Die Regierung Netanjahu verlangt in den Kairoer Verhandlungen den Fortbestand der Besatzung. Das ist kein akzeptables Angebot, das würde das Widerstandsrecht der Palästinenser fortdauern lassen." ("Nur Druck von außen verändert die Lage" - Ein Gespräch mit Norman Paech, Junge Welt vom 20.11. 2012). Gerade in diesem Kernpunkt scheiterte grundsätzlich die Mission Westerwelles, weil er seine Rolle als Postbote der Israelis verstand und nicht als ein kompetenter vermittelnder Politiker, der keineswegs in einseitige Verurteilung verfallen darf. Dass er sich nicht gegen den Fortbestand der Besatzung stellte, sondern im Gegenteil als israelischer Advokat dafür in Kairo fungierte, stellte ihn als ein unerwünschter inkompetenter Außenpolitiker im Nahen Osten vollkommen bloß.

"Weder die Palästinenser noch die Israelis werden ihre Ziele, geschweige denn den Frieden, militärisch erreichen können, das haben die vergangenen Kriege gezeigt. Der Konflikt ist seit Jahren festgefahren. Von israelischer Seite wird sich gar nichts ändern, solange sich US-Präsident Barack Obama und die EU nicht dazu durchringen, das Ende der Besatzung auf die Tagesordnung zu setzen. Nur Druck von außen wird die Lage verändern können". So zutreffend Norman Paech.

Demonstrativ ist die US-Außenministerin vor der Weltpresse in der schönen Farbe des Islams aufgetreten, indem sie eine elegante prächtig grüne Jacke trug. Der ägyptische Präsident, Mohammed Mursi, muss sich weiter für Gaza einschalten. Eine hektische Krisendiplomatie hat ihr Zentrum jetzt in Kairo. Zu der Vereinbarung, die Ägypten vermittelte, gehört offenbar neben dem Ende des palästinensischen Raketenbeschusses auf Israel, auch das Ende der israelischen Tötungsattacken, d.h. die Jagd auf Hamas-Führer seitens Israels muss aufhören.

Der Auftritt der US-amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton (21.11. 2012) gegenüber dem Premier Netanjahu war eine heikle, höchst unangenehme Mission für Hillary, aber eine entscheidende, die neue Weichen für die Zukunft stellt. Die US-amerikanische Außenministerin flog direkt nach Tel-Aviv, d.h. direkt zum Tatort der Luftangriffe. Hillary Clinton tritt ganz professionell und trocken vor dem israelischen Premier auf, sie verliert sich nicht in Nebensächlichkeiten in Tel-Aviv, sondern widmete sich sofort dem Mandat ihres US-Präsidenten, die israelischen Angriffe gegen Gaza zu stoppen. Das hatte nichts mit Takt oder Fingerspitzengefühl zu tun, sondern da war "Druck, massiver Druck" nötig, wie der ARD-Korrespondent aus Tel Aviv eindeutig signalisierte. Nur so konnte die US-Außenministerin auf die sture gewalttätige israelische Regierung einwirken, um ein akzeptables Zugeständnis von Tel Aviv prompt zu erlangen. Erst dann flog Hillary weiter nach Kairo, um die Waffenruhe mit Hamas zu erreichen. Bezeichnenderweise gab es keine gemeinsame Pressekonferenz in Tel-Aviv, nicht einmal ein Photo der US-Außenministerin mit dem Premier Israels. Im Namen der Vereinigten Staaten begrüßte Hillary Clinton in Kairo die erreichte Waffenruhe und hat damit für sich und die USA einen großen diplomatischen Erfolg verbucht. Die nebensächliche Rolle Europas, gerade Deutschlands, ist offensichtlich nach der diplomatischen Scharade des deutschen Außenministers Guido Westerwelle, der sich nicht einmal an die Öffentlichkeit wagte, um über seine gescheiterte Mission zu berichten; dabei hätte er mindestens ebenso starke Druckmittel wie die USA in der Hand gehabt. Ein Blick auf die Handelsstatistik Israel Richtung EU oder auf die Rüstungsgeschäfte mit Deutschland genügt, um das zu begreifen.

Die Zeit für Sanktionen gegen Israel ist längst angebrochen. In diesem harten Punkt versagte bisher die US-Regierung ebenso wie die EU. Allerdings unter der aktuellen Gewalt-Explosion durch die israelische Regierung in Gaza ist es nachvollziehbar, dass die US-Außenministerin Hillary Clinton eine revidierte Position ihres Landes gegenüber der Regierung Netanjahu in aller Härte klarstellte. Israel kann nicht mehr mit der Unterstützung der USA für seine Eskapaden rechnen.

Die USA haben ständig dazu beigetragen, Israel unermesslich zu bewaffnen und all seine aggressiven Interventionen geduldet. Genauso wie die EU. Israel hat sogar den Status eines Quasi-EU-Mitglieds. Ein Skandal, der dringende Revision verlangt. Europa selbst bringt sich in Gefahr, wenn es Israels Verhaltensmuster im Nahen Osten weiter toleriert. Diplomatische Beziehungen mit einer extremistischen Regierung sind abzubrechen, die israelische Aggression ist zu verurteilen und Israels EU-Privilegien sind zu suspendieren oder ganz zu streichen.

Der außenpolitische Sprecher der Linkspartei im Bundestag, Wolfgang Gehrcke, reagiert diesbezüglich angemessen realistisch. Als einziger deutscher Außenpolitiker im Bundestag bezieht er sich auf die unverhältnismäßigen militärischen Aktionen Israels in Gaza: Israel täusche sich selbst, wenn es behaupte, einen Krieg gegen Hamas zu führen: "Es ist ein Krieg gegen die Bewohner Gazas. Jeden Tag sterben unschuldige Menschen". (Aus dem Artikel "Krieg gegen Kinder" von Karin Leukefeld, Junge Welt vom 20.11. 2012) 

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait