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19. Juli 2014 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Kommentar zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 16.7.2014, Rubrik Außenansicht:
"Israel muss sich wehren" von Dieter Graumann und
Artikel "Ruhe nur beim Reden" von Peter Münch

Unverhältnismäßige Aggression gegen Gaza:
Massiver Druck auf Israel nötig

Was heute die Weltstaatengemeinschaft bei der unverhältnismäßigen Aggression Israels gegen Palästina in Gaza erneut erlebt, wäre niemals geschehen, hätten die USA und die EU längst das zügellose aggressive Israel gebremst. Die USA mit ihrer früheren Israel-Politik sind die wahren Schuldigen der täglichen Massaker von Palästinensern. Wie schon zuvor findet der unmenschliche feige Angriff gegen Gaza unter dem Deckmantel der USA statt, die längst das internationale Recht gesprengt haben. Ihre unberechenbare Exklave, Israel, folgt skrupellos derselben aggressiven US-Außenpolitik im Nahen Osten. Willen zum Frieden gibt es nicht, gab es niemals und wird es nicht geben, solange Israel nicht mit starkem massivem Druck gezwungen wird, sich aus den okkupierten palästinensischen Territorien zurückzuziehen und solange EU-Staaten Israel skrupellos weiter aufrüsten. "Wer rüstet Israel ab"? war schon vor Jahren die berechtigte Frage eines FDP-Außenpolitikers, Wolfgang Mischnik.

Die US-Regierung Obamas hat das Problem sehr gut erkannt. Deshalb die Priorität des Nahost-Konflikts in der Weltpolitik der USA. Dass der US-Präsident sein selbst gesetztes Ziel bisher nicht erreichen konnte, ändert an der Sache überhaupt nichts. Der Weg dorthin muss nur anders sein. Die erfolgreiche Mission von Hillary Clinton in Tel Aviv am 21.11.2012 zeichnete den wirksamen Weg schon vor. In der Tat spielte die damalige Außenministerin Hillary Clinton – im Gegensatz zu ihren europäischen Kollegen - eine wichtige Rolle in der gesamten Region des Nahen Ostens. Die US-amerikanische Außenministerin verlor sich nicht in leeren Erklärungen, oder Aufrufen, sondern sie flog direkt nach Tel-Aviv, d.h. direkt zum Täter der Luftangriffe. Sie trat ganz professionell und trocken vor dem israelischen Premier auf und widmete sich sofort dem Mandat ihres US-Präsidenten, die israelischen Angriffe gegen Gaza zu stoppen. Da war "Druck, massiver Druck" nötig, hieß es später in der Presse. Nur so konnte die US-Außenministerin auf die sture gewalttätige israelische Regierung einwirken, um prompt ein akzeptables Zugeständnis von Tel Aviv zu erlangen. Erst dann flog Clinton weiter nach Kairo, um die Waffenruhe mit Hamas zu erreichen. Bezeichnenderweise gab es keine gemeinsame Pressekonferenz in Tel-Aviv, nicht einmal ein Foto der US-Außenministerin mit dem Premier Israels. Im Namen der Vereinigten Staaten begrüßte Hillary Clinton in Kairo die erreichte Waffenruhe und verbuchte damit für sich und die USA einen großen diplomatischen Erfolg.

Am Abend des 21.11.2012 gab der Außenminister Ägyptens, Mohammed Kamal Amr, die Waffenruhe bekannt. Ägypten stehe zu seiner "historischen Verantwortung" gegenüber den Palästinensern, sagte er und dankte der Türkei, der Arabischen Liga, der Golfmonarchie Katar und US-Außenministerin Hillary Clinton. Hier sind die realen Akteure der heutigen Nahost-Politik zu erkennen. Weder die EU noch Deutschland wurden vom ägyptischen Außenminister erwähnt.

Der Auftritt der US-amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton (21.11.2012) gegenüber dem Premier Netanjahu war eine heikle, höchst unangenehme Mission für Clinton, aber eine entscheidende, die neue Weichen für die Zukunft stellt. Die nebensächliche Rolle Europas, gerade Deutschlands, ist offensichtlich. Auch jetzt hätte das deutsche Außenministerium, das Bundeskanzleramt mindestens ebenso starke Druckmittel wie die USA in der Hand. Ein Blick auf die Handelsstatistik Israel Richtung EU oder auf die Rüstungsgeschäfte mit Deutschland genügt, um das zu begreifen.

Die Zeit für starke Sanktionen gegen Israel ist längst angebrochen. In diesem harten Punkt versagte bisher die US-Regierung ebenso wie die EU und der unbelehrbare deutsche SPD-Außenminister Walter Steinmeier, dessen Schwäche blamabel offenkundig ist. Allerdings ist es unter der Gewalt-Explosion durch die israelische Regierung in Gaza nachvollziehbar, dass die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton eine revidierte Position ihres Landes gegenüber der Regierung Netanjahu in aller Härte klarstellte. Wann wird man endlich mehr professionellen Arbeitseifer und selbständiges Urteilsvermögen im deutschen Kanzleramt, im deutschen Außenministerium und in deutschen Redaktionen entwickeln?

Ist die EU, ist die Bundeskanzlerin Angela Merkel, ist der Außenminister Walter Steinmeier zu diesen strengen Maßnahmen gegen Israel bereit? Alles anderes ist wirkungslos und führt nur zu leeren Parolen für die Öffentlichkeit. Die jüngste Reise ins Leere vom Außenminister Walter Steinmeier hat es erneut bewiesen, wie wirkungslos "Gespräche" mit Tel-Aviv sind.

Die SZ (16.7.2014) gibt dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, Dieter Graumann, in der Rubrik Außenansicht Raum, um Israel als Opfer darzustellen, das Recht auf Selbstverteidigung habe, gerade eine Besatzungsmacht, die nicht imstande ist, ihre illegale Okkupation Palästinas zu beenden. Graumann bezeichnet Israel als "Leuchturm von Freiheit, Gleichberechtigung und Demokratie im Nahen Osten", ein Land, wo es keine Gleichberechtigung unter der dort lebenden Bevölkerung (Christen, Muslimen und Juden) gibt, weil eine Apartheid herrscht, vielleicht noch schlimmer als früher in Südafrika, ein Staat, der sich allein als "jüdisch" definiert und so auf Diskriminierung beruht, ein Staat, der sich weigert, seine legitimen Staatsgrenzen zu ziehen, UN-Resolutionen diesbezüglich missachtet und ständig auf Expansion durch Krieg und Gewalt setzt. Ist dieses Israel als "Verteidiger unserer westlichen Werte" anzusehen? Dieter Graumann selbst entblößt die unmenschliche israelische Diskriminierung mit seinem eigenen absoluten Mangel an menschlicher Sensibilität gegenüber den Palästinensern, die wegen der grausamen Bombenangriffe Israels Tag und Nacht in permanenter Todesangst leben müssen. Viel mehr Todesangst als die Israelis, die überhaupt keine Bombenangriffe mit über hundert Toten und Verletzten aushalten müssen, aber für Dieter Graumann zählt lediglich die Angst der Israelis. Für den diskriminierenden Autor existiert das Recht auf Selbstverteidigung für die Palästinenser nicht, weil das Recht auf Selbstverteidigung der Palästinenser von Israel nicht akzeptiert wird.

Karin Leukefeld berichtet:

Das daraus resultierende Gefühl der Machtlosigkeit sei "Teil der psychologischen Kriegsführung Israels gegen die Palästinenser". So eine Psychologin in der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan News. "Das Hauptziel ist, den Menschen ein Gefühl von Hilflosigkeit zu vermitteln. Sie sagen: Wir haben die Macht und können euch das alles antun."... Selbst wenn man weglaufen könnte, wohin sollte man laufen? Gaza ist ein großes Gefängnis. …

Das Ausmaß von Gewalt, das die israelischen Streitkräfte den Palästinensern zufügten, sei auch für Israel selbst eine Gefahr, so die Psychologin: "Diese Soldaten sind voller Hass. Sie hassen nicht nur die Palästinenser, ihr Hass wird auch ein Problem für ihr eigenes Leben und ihre eigene Gesellschaft sein.
(Aus dem Artikel "Täglicher Kampf ums Überleben" von Karin Leukefeld,
Junge Welt, 16.7.2014)

Wie kann sich der Graumann noch über das "Ausmaß von Hass" und "antisemitischer Hetze" wundern, ohne zu erkennen, dass diese unerwünschte Stimmung die Folge einer übermächtigen israelischen Regierung ist, die keine Grenze kennt, die sich an keine internationale Regeln gebunden fühlt, um ihre grausame Dominanz zu demonstrieren. "Israel ist nicht unzweifelhaft das Opfer" betont zutreffend sachlich der Völkerrechts-Professor Kai Ambos von der Universität Göttingen. Das humanitäre Völkerrecht verlangt, dass jeder Militärschlag verhältnismäßig ist, wie es im Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen heißt. Die israelische Härte steht "in keinem Verhältnis", die Opferbilanz widerspiegelt kristallklar diese ungeheuerliche Unverhältnismäßigkeit zwischen der israelischen Armee und Hamas. Das unterschlägt die Israel-Lobby einfach und ihr Mr. Graumann. Dieter Dehm (DIE LINKE) ermahnt ganz zutreffend die SZ-Redaktion, wenn er erklärt:

"Wenn Leute im Macht - und Bombardierrausch sind und merken, dass sie leichtes Spiel mit westlichen Medien haben, wird das Morden weitergeben."
(SZ vom 15.7.2014)

Die israelische Besatzungspolitik und der Ausbau der Siedlungen müssen enden.

"Das Fundament internationaler Unterstützung für dieses Israel ist immer brüchiger geworden. Kein normaler Mensch möchte mit solchen Rassisten noch etwas zu tun haben."
So Rolf Verleger in seinem Leitartikel
"Israels Krieg gegen Gaza - Planvolles Pogrom",
Junge Welt,14.7.2014.

Jedoch kann sich Israel wie immer bei seinen Gewalttaten auf die unbedingte Solidarität des US-amerikanischen Kongresses verlassen, was die Handlungsmöglichkeiten der US-Regierung stark einschränkt. Das US-Abgeordnetenhaus verabschiedete am 11.7.2014 einmütig ohne Abstimmung eine Resolution, mit der die Unterstützung der USA für Israels "Recht auf Selbstverteidigung" bekräftigt wird. Eine ähnliche Resolution wird im Senat vorbereitet." Daher ist es offenkundig, wer die Paten des Bombenterrors sind und wo sie sitzen, nämlich im US-amerikanischen Kongress. Hier sind die wahren Schuldigen zu finden.

Israel, das Problem Nummer Eins im Nahen Osten, bis zu den Zähnen bewaffnet, ist außer Kontrolle geraten. Zu lange haben die USA und Europa Israel mit seiner Aufrüstung und Aggressionen gewähren lassen. Wird man jetzt endlich aufwachen und gegen Israel einschreiten? Die EU sollte sich auf ihre Möglichkeiten besinnen, Druckmittel einzusetzen, um Israel zur Waffenruhe und Ende aller Blockaden zu zwingen und zu bewegen, definitiv einzulenken und die grundlegenden UN-Resolutionen zu befolgen. Hierin liegt der Angelpunkt dieses Jahrzehnte alten, immer weiter zunehmenden Konflikts, nämlich in der bisherigen sturen Weigerung Israels, sich von den besetzten Gebieten zurückzuziehen trotz der Rechtslage, die gegen die Besatzung spricht, wie die internationale Gemeinschaft der Vereinten Nationen in Resolutionen vielfach belegt. Die Unverhältnismäßigkeit der kriegerischen Handlungen Israels hat eine lange Vorgeschichte.

Beim ersten Gaza-Krieg 2009/2010 wie heute hat die israelische Regierung die deutsche Führung fest in ihrer Hand. Weitere Rüstungsgeschäfte werden zwischen Deutschland und Israel abgeschlossen, während das Leiden von 1,5 Millionen Palästinenser im Gazastreifen wiederum kein Thema für eine deutsche „christlich-demokratische“ Regierung ist.

Tatsächlich: „Gaza sei kein Thema“, so wörtlich und plump äußerten sich damals gemeinsam der Kriegsverbrecher Benjamin Netanjahu und die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese kriminelle deutsch-israelische Eintracht hält bis heute noch an. Eine deutsche Kanzlerin macht sich so bewusst und vor aller Welt zum Komplizen für den andauernden Bruch von Völkerrecht und Menschenrechten mit dem weitergehenden und sich verschlimmernden Leiden der Palästinenser und mit dem fortgesetzten unmenschlichen Schädigen der iranischen und syrischen Bevölkerung durch willkürliche völkerrechtswidrige Sanktionen.

Soll so die Führung einer Regierung und einer Partei aussehen, die den Anspruch auf das Vertreten eines christlichen Menschenbildes vor sich herträgt? Auf eine Antwort der Kirchen wartet man bisher vergeblich. Und Deutschland will ein christlich geprägter demokratischer Rechtsstaat sein!

Die Gleichgültigkeit des USA/EU-Blocks gegenüber den neuen Angriffen Israels gegen Palästina veranlasst eine starke Kritik des Publizisten Jürgen Todenhöfer, der sich zur Zeit in Gaza aufhält. Er äußert sich entsetzt über die israelische Kriegsführung und die Berichterstattung in den deutschen Massenmedien. "Gaza liegt unter schwerem Beschuss!" Der Krieg sei ein "Gefecht David gegen Goliath", so Todenhöfer. "Nur dass dieser David aus dem winzigen Gaza selten trifft. Und völlig chancenlos ist. Die sinnfreie Hamas-Ballerei mit den massiven mörderischen Raketenschlägen der Israelis zu vergleichen, sei vollkommen realitätsfremd, die Beschießung Gazas für jeden erkennbar maßlos. Es sei eine Schande, wie die Welt zulasse, dass die Wahrheit über diesen Krieg in fast grotesker Weise auf den Kopf gestellt wird....Wahrer Grund dieses massiven Bombenterrors ist nicht die weitgehend wirkungslose und dilettantische Schießerei der Hamas und des Islamischen Dschihads. ... Netanjahu wolle keinen Frieden mit den Palästinensern. Jeder führende US-Politiker von Obama bis Kerry würde das resigniert bestätigen. Netanjahu will vor allem kein freies, unabhängiges Palästina.
(Junge Welt, 17.7.2014: "Massenflucht in Gaza - Publizist Todenhöfer kritisiert Kriegsführung und Medienberichterstattung" von Rüdiger Göbel)

Mindestens eine Viertelmillion Palästinenser im nördlichen Gazastreifen wurde von der israelischen Armee dazu aufgefordert, ihre Wohnhäuser zu verlassen. Der Aufruf zur Massenflucht nach nirgendwo - der Gazastreifen ist von der Außenwelt abgeriegelt - ... solle nur "Chaos und Verwirrung stiften", hieß es laut dpa. Ägypten muss sich für die Palästinenser einsetzen und auf diese Weise seine historische Verantwortung beweisen. Dass Gaza ein Gefängnis bleibt und zudem Ziel von Bombenangriffe Israels, ist zu beenden.

Das Bundeskanzleramt hätte längst begreifen müssen, dass die Zeit konzilianter Töne vorbei ist. Härte ist angebracht. Maßnahmen statt Appelle ins Leere. Seit langem behindert die israelische Regierung den Friedensprozess im Nahen Osten. Die "Zwei-Staaten-Lösung" sei unter einer massiven Siedlungskampagne beerdigt worden, so Jeff Halpers Analyse "From kidnapping to collapse: The beginning of the end?":

Israel fühle sich demnach weder an die Vierte Genfer Konvention (Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten) noch an andere Regeln des Völkerrechts gebunden. Aus der Besatzung sei ein Apartheidsystem entstanden. ... nachdem Verhandlungen zu nichts führten, die Siedlungen ein nicht rückbaubares Ausmaß erreicht haben, stehen wir nur am Anfang der Lagerhaltung.... Das Gute an dieser grauenhaften Entwicklung sei, dass die "gewalttätige Unterdrückungskampagne Israels" gegen die Palästinenser über kurz oder lang zum "kompletten Kollaps der israelischen Herrschaft" führen werde. Der Begriff "Lagerhaltung" stamme, so Halper, aus dem US-Gefängnissystem. Mehr als zwei Millionen Menschen seien in den Vereinigten Staaten inhaftiert - und völlig aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden.
(Aus der Kolumne "Lagerhaltung, Der Anfang vom Ende der Herrschaft?" Junge Welt, 16.7.2014)

Entdeckt das Deutschland jetzt endlich? Sollte der Frieden im Nahen Osten Berlin wirklich am Herzen liegen, verfügt Berlin über Mittel, Israel zur Vernunft zu zwingen. Die Partnerschaft der EU mit Israel ist vorerst ad acta zu legen. Die EU diskreditiert sich weiter durch fehlendes Handeln in einer der gravierendsten Angelegenheiten der Weltpolitik, die nach einer prompten Lösung verlangt. Der Auftritt vom deutschen Außenminister Walter Steinmeier in Tel-Aviv (15.7.2014) gegenüber den neuen Luftangriffen Israels gegen Gaza lässt ihn erbärmlich als Marionette des Ministerpräsidenten Netanjahus erscheinen. Anstatt an ihn direkt zu appellieren, um einen Waffenstillstand zu erreichen, adressiert er seinen Aufruf an die Hamas und das von Tel Aviv aus! Ein Außenminister mit Taktgefühl und diplomatischer Kompetenz gleich Null! Wäre da nicht die große Koalition, wäre er sicherlich schon längst entlassen.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

 

02.07.2014, Jeff Halper
        From kidnapping to collapse: The beginning of the end? ( alternativ )

16.07.2014, Jeff Halper
        "Lagerhaltung"

14.07.2014, Roif Verleger:
        Planvolles Pogrom - Israels Krieg gegen Gaza

16.07.2014, Karin Leukefeld:
        Täglicher Kampf ums Überleben

17.07.2014, Rüdiger Göbel, Jürgen Todenhöfer:
        Massenflucht in Gaza