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18. Juli 2014 - Luz Maria de Setfano de Lenkait:

Kommentar zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 14.7.2014:
"Selbst schuld" von Nicolas Richter,

SZ vom 17.7.2014:
Titelseite "Frust über Obama" von Constanze von Bullion und John Goetz und
Interview mit dem ehemaligen CIA-Chef in Berlin, Joseph Wippl:
"Deutschland hat die Macht" und
Leitartikel "USA-Deutschland - Im freien Fall" von Stefan Kornelius

ZDF-Sendung "Maybrit Illner", 17.7.2014

Sich offen gegenüber den USA äußern:
Spionage in jedem Rechtsstaat ein Akt gegen die Souveränität des Landes

”Es gibt Themen, da haben wir keine Gewissheit über die deutsche Haltung..." so ein früherer Berater der US-Geheimdienste. Die USA wären unverantwortlich, wenn sie die Bundesregierung nicht ausforschen würden. So das Wall Street Journal. Deutschland pflege engere wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Russland und Iran als die meisten westlichen Länder. Die USA müssen diese Beziehungen verstehen, und das erfordert geheimdienstliche Aufklärung.
(SZ, 14.4.2014)

Hier liegt eine gravierende Fehleinschätzung und ein Fehlverhalten Washingtons vor. Um Aufklärung zu erreichen, genügt es, auf diplomatischer Ebene die Bundesregierung zu fragen. Dazu gibt es Botschaften und Außenminister in beiden Ländern. Alles andere wie Ausspionieren ist eine maßlose Respektlosigkeit. Unerhört ist die USA-Vorstellung: "wir müssen alle Informationen sammeln, die dem Interesse der USA dienen könnten".

Sollte Merkel also auf die Idee kommen, in Polen einzumarschieren, würde es die CIA diesmal frühzeitig erfahren.
(SZ, 14.4.2014)

Diese ungeheuerliche zynische Bemerkung soll absichtlich Zwietracht in Europa stiften, vor allem bei den labilen Polen und Balten, Länder, die sich den USA als willige Marionetten andienen. Washington sieht in der EU einen Widersacher, den es zu schwächen und zu spalten gilt. Der amerikanische Zynismus stößt mit der Wirklichkeit ständiger US-Aggressionen. Die US attackieren souveräne Länder, marschieren in sie ein und sehen sich im Recht, dies ohne Widerstand zu tun. Die Weltstaatengemeinschaft muss sie endlich stoppen, bevor sie weiteren Schaden anrichten. Es ist deshalb bisher keine Vertrauensbasis zu erkennen, um die Beziehungen mit einem unberechenbaren Hegemon "neu zu beleben", wie der deutsche SPD-Außenminister Walter Steinmeier erstaunlich gedankenlos erklärt. Ein Wunschdenken, das die seit längerem bestehende Realitätsfremdheit in der SPD-Spitze signalisiert. Durch die US-Unterstützung von Terror-Aktionen im Nahen Osten (Syrien) und in Europa (Ukraine) hat das Ansehen der USA auf internationaler Ebene einen deutlichen Schlag bekommen. Ein deutscher Außenminister sollte sich mehr auf die völkerrechtliche Grundlage konzentrieren, die für alle internationalen Beziehungen gelten, darunter auch für die mit den USA.

Ein Republikaner und Vorsitzender des Ausschusses für Geheimdienste im US-Abgeordnetenhaus kritisierte die Berliner Entscheidung, den dortigen CIA-Chef auf die Heimreise zu schicken. "Das ist keine erwachsene Reaktion". Eine solche Brüskierung erwarte man von Russland, Iran oder Nordkorea, nicht aber von den Deutschen. Für diese abwegige republikanische Einschätzung tragen die Deutschen selbst die Verantwortung. Jahrzehnte lang haben deutsche Medien, allen voran die SZ, die Kaltschnäuzigkeit der Amerikaner einfach hingenommen. Jetzt ist es endlich an der Zeit, wachsam, überlegt und entschlossen außenpolitische Entscheidungen vorzubereiten.

Dass Russlands Präsident Wladimir Putin in den achtziger Jahren als Agent des sowjetischen KGB von Dresden aus operierte, spricht für die reife politische Wachsamkeit der heutigen politischen Führung im Kreml, die sicherlich nicht einem Baby-Russland entspricht. Gerhard Schröders Kontakte zu Putin und dem russischen Konzern Gazprom, die traditionellen Handelsbeziehungen deutscher Firmen zum Iran, die Enthaltung im Libyen-Konflikt waren niemals Anhaltspunkte für ein offenes Gespräch mit der US-Führung, weil das Weiße Haus wusste, das es die Positionen Deutschlands einfach zu respektieren hat. Deshalb hat Washington Berlin nicht einmal darüber befragt, geschweige denn protestiert.

Das SZ-Interview (17.7.2014) mit Joseph Wippl, ehemaliger CIA-Chef in Berlin ist ein solider aufschlussreicher Beitrag für deutsche Außenpolitiker, wenn nicht auch für unsichere deutsche Journalisten, damit sie richtige politische Konsequenzen aus dieser unangenehmen Erfahrung ziehen.

"Deutschland sollte endlich aufhören, so zögerlich aufzutreten. ... Die Bundesregierung ist nicht entschieden genug. Die Kanzlerin, der Außenminister müssen das persönlich machen, sie müssen das in Washington einfordern, klar und deutlich. Das versteht man im Weißen Haus. Deutschland hat die Macht dazu."

So eindeutig der ehemalige CIA-Chef.

Die deutsche Regierung pflegt gute Beziehungen mit Russland. Sie sieht den Kreml nicht als Feind. Berlin versteht die Sicherheit Europas als gemeinsame Sicherheit mit Russland, nicht gegen Russland. Diesen deutschen, europäischen Standpunkt zu begreifen und zu akzeptieren ist wesentlich für gute Beziehungen mit Washington. Gerade das, was als Bedrohung anzusehen ist, gibt triftigen Grund für Divergenz mit den USA. Es gibt keine einheitliche Auffassung bei den NATO-EU-Staaten darüber, was eigentlich eine Bedrohung darstellt. Paranoid-hysterische Vorstellungen sind keine Basis für eine Sicherheitsarchitektur, die auf sachlichen Konzepten und auf einer festgelegten rechtlichen Grundlage aufzubauen ist. Die politischen und militärischen Interessen der EU und der USA, ihrem NATO-Partner, divergieren in zunehmendem Maße. Die Europäer müssen realistisch erkennen, dass die NATO schon lange ein Konstrukt der Vergangenheit geworden ist. Für die Herausforderungen in der Gegenwart und Zukunft ist sie untauglich, da sie ganz überwiegend den Interessen der transatlantischen Supermacht USA dient.

Außerdem müssen die Amerikaner die historische Erfahrung der Europäer hinnehmen, vor allem die Erfahrung von Deutschen und Russen, was der Krieg bedeutet. Für Europa ist der Krieg ein mit allen verfügbaren Mitteln zu verhinderndes Unglück. Fast zwei Drittel der Deutschen lehnen deshalb entschieden jede Gewaltintervention ab. In diesem Zusammenhang ist die technologische und militärische Überlegenheit jederzeit auf Seite des Friedens, niemals auf Seite einer Aggression. Das Grundgesetz lässt noch einmal grüßen.

Wozu führt die US-Politik, Russland aus den G-8 auszuschließen und Sanktionen gegen Russland zu verhängen? Ist diese US-Politik etwa keine inakzeptable anmaßende Einmischung und Brüskierung Europas? Diese Spirale der Feindseligkeit gegen Russland ist ein für alle Male zu durchbrechen. Das geht nur, indem die Europäer mit Russland ein gesamt-europäisches System aufbauen. Russland ist ein europäisches Land und als solches vollkommen in einem europäischen System zu integrieren. Die USA müssen sich heraushalten. Normale gute Beziehungen mit Washington verlangen eine respektvolle US-Zurückhaltung in lebenswichtigen Angelegenheiten Europas. Zur Integration des Kontinentes muss Deutschland in Europa eine eigenständige Rolle spielen. Die neuen Ereignisse bieten gute Anhaltspunkte dafür.

In diesem Zusammenhang liegt Stefan Kornelius mit seinem Leitartikel "USA-Deutschland - Im freien Fall" (SZ, 17.7.2014) völlig daneben. Kluge Außenpolitiker haben schon die gravierenden Divergenzen zwischen Deutschland bzw. Europa und den USA längst erkannt. Wenn ein Staat wie die USA sich maßlos verirrt, geht es nicht um Bilder des einen mit dem Bild des anderen "in Einklang zu halten". Über die "Kunst der Bündnisfähigkeit" zu paraphrasieren, ist ebenso total fehl am Platz. Der Präsident Russlands, Wladimir Putin, bringt das Problem bei dem Gipfeltreffen der BRICS-Staaten in Brasilien auf den Punkt:

“Diejenigen, die außenpolitische Aktionen in den Vereinigten Staaten planen, betreiben eine recht aggressive und äußerst unprofessionelle Politik. Überall, wo sie etwas anpacken, entstehen Probleme“, so der russische Präsident Wladimir Putin vor Journalisten in Brasilien zum Abschluss seiner sechstägigen Lateinamerika-Reise. „In Afghanistan gibt es Probleme, der Irak fällt auseinander, Libyen auch. Hätten sich die ägyptischen Behörden nicht zusammengerafft, hätte es dort heute auch Erschütterungen gegeben. Sobald sie die Ukraine angetastet haben, sind dort auch Probleme entstanden. Alle sollten längst begreifen, dass wir uns auf Prinzipien des Völkerrechts stützen und die Staatlichkeit und die Staatsinstitutionen äußerst behutsam in den Ländern behandeln sollen, in denen das politische System noch jung und nicht fest ist und in denen die Wirtschaft sich noch im Stadium der Entwicklung befindet“, betonte der russische Staatschef
(RiaNowosti, 17.7.2014)

Ein Denkanstoß für Stefan Kornelius und alle Außenpolitiker, die den rechtlichen Rahmen einer Außenpolitik erkennen müssen. Nicht aus "Ignoranz", sondern aus Kalkül und Selbstgerechtigkeit brüskiert Washington Berlin. Eine aggressive Supermacht wie die Vereinigten Staaten gibt plausiblen Grund, um sie im Auge zu behalten. Erfahrene Diplomaten müssen diese Herausforderung sachlich und in vollem Bewusstsein ihrer großen Wichtigkeit annehmen, damit Europa sich nicht davon überraschen lässt, wo die USA das nächste Mal anzugreifen vorhaben.

Gegen die weitere US-Spionage in Deutschland ist eine Abwehr-Spionage dringend erforderlich und auszuweiten. Aber sollten neue Agenten in der US-Botschaft tätig werden, riskiert im Endeffekt der US-Botschafter selbst seinen Posten. Als er von der Berliner Regierung die Exequatur (offizielle Akzeptanz) bekam, wusste Emerson, dass sich sowohl er selbst als auch alle seine Mitarbeiter der Gesetzgebung Deutschland zu unterwerfen haben. Das oberste Gesetz Deutschlands ist das Grundgesetz. Der amerikanische Botschafter kennt den verfassungsmäßigen Schutz aller in Deutschland lebenden Personen.

Spionage ist in jedem Rechtsstaat ein Akt gegen die Souveränität des Landes.

Gegen einen Volksvertreter zu spionieren ist deshalb ein Attentat gegen den Souverän, das Volk, das der Abgeordnete und die Bundeskanzlerin repräsentieren. Dessen bewusst fand die Bundeskanzlerin Angela Merkel schlagende klare Worte in ihrem Telefonat mit dem US-Präsidenten Barack Obama, da es um "die Integrität der deutschen Rechtsordnung geht", wie der Chef des Bundeskanzleramtes, Altmeier, präzise erklärte (ZDF-Sendung Maybrit Illner, 17.7.2014) Deshalb muss sich der US-amerikanische Botschafter darum kümmern, dass die US-Spionage auf deutschem Boden definitiv aufhört. Egal, welche Vorstellungen die US-Regierung hat, und es sind tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten, die Berlin von Washington distanzieren, muss sich die US-Regierung zügeln und darf Deutschland nicht weiter mit ihrer Anmaßung brüskieren. Sonst käme als nächster folgerichtiger diplomatischer Schritt, dass der US-Botschafter in Deutschland als persona non grata erklärt wird, als unerwünschte Person, denn er trägt letztendlich die Hauptverantwortung für die extraterritorialen Tätigkeiten seiner Mitarbeiter.

Was die Staatsraison Deutschlands betrifft, so ist keine Abhängigkeit von den USA zu bekennen, sondern seine Souveränität, um im Interesse des Landes und seiner Bevölkerung zu handeln und auch für das Wohl der Menschheit gemäß internationalen Prinzipien, die Kornelius kennen sollte. Kommt es dazu, dass eine rechtmäßige Maßnahme Deutschlands nicht im Einklang mit den USA-Vorstellungen und -Handlungen ist, so gibt es eben eine Differenz zwischen beiden Ländern, die Washington anerkennen und respektieren muss, wie es die Regeln und diplomatischen Gewohnheiten internationaler Beziehungen erfordern.

Gewiss vernachlässigt es Berlin, sich offen gegenüber den USA zu äußern, wie Deutschland die Außenpolitik gegenüber den aktuellen brandgefährlichen Konflikten, die Europa betreffen, konzipiert, was es bewahren oder was noch verbessern will, und vor allem, was es auf keinen Fall will angesichts der wachsenden Instabilität im Nahen Osten und in der unmittelbaren Nachbarschaft wie die Ukraine. Diese Klarstellung Deutschlands haben deutsche Verantwortungsträger verpasst, weil es innerhalb der regierenden Koalition und außerhalb wie bei den Grünen Kriegskreise, ja Extremisten gibt, die das Grundgesetz missachten und Politiker und Medien zur militärischen Gewalt aufhetzen.

Nach den vielen mörderischen Kriegen der USA erscheint es immer noch schwierig, dass sich die europäischen Regierungen auf eine gemeinsame Friedensposition einigen. Die Stärkung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten bedeutet keineswegs an der Seite einer hegemonialen Macht zu sein, die die Weltherrschaft mit allen Mitteln beansprucht bis zum Extrem von Krieg und Terrorbomben gegen Menschen und Völker. Militärische Mitteln sind rein defensiv, nicht für Aggressionen da. Das Grundgesetz enthält ein Friedensmandat genauso wie die Charta der Vereinten Nationen.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait