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12. Januar 2013 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Die diplomatischen Bemühungen um eine Beilegung des Syrien-Konfliktes, um ein Ende des Blutvergießens und der Flüchtlingsdramen in Syrien, laufen weiter auf Hochtouren, Anlass zu folgender Stellungnahme zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 11.1.2013:
"Kalter Krieg" von Nicolas Richter,

SZ-Kolumne vom 11.1.2013 :
"Brahimi geht auf Distanz zu Assad" von Rudolph Chimelli

Berlin bei Gesprächen für den Frieden in Syrien ausgeschlossen

Schon der Titel "Kalter Krieg" von Nicolas Richter (SZ, 11.1.2013) ist ein unglücklicher verfehlter Einfall. Er widerspiegelt aber die Kalte-Krieg-Mentalität des Redakteurs, hoffentlich nicht der gesamten SZ-Redaktion. Wohin führt Nicolas Richters Lamento? Glaubt er, der Sicherheitsrat sei dazu da, den Frieden zu bewahren, indem das UN-Friedensorgan Resolutionen zum Kriegführen verabschiedet? War für Nicolas Richter die jämmerliche UN-Resolution zu Libyen im März 2011 nicht lehrreich genug, nachdem sie mehr als 70.000 Toten in Libyen kostete? Ist das nicht genug als die schlimmste Erfahrung mit westlichen Staaten, die jede UN-Resolution missbrauchen und verdrehen im Sinne von Intervention und Gewalt? Solche westlichen Mächte bereits im Sicherheitsrat zu stoppen, ist das gebotene diplomatische Minimum, um die Lage in Syrien nicht noch vernichtender zu machen, die schon jetzt mehr als 60.000 Tote Syrer gekostet hat als Folge von Terror-Anschlägen, die gerade solche UN-Sicherheitsratsmächte durch bewaffnete Banden fördern. Diese Untat bildet einen entscheidenden Grund, solche Kriegs- und Gewaltherren aus dem Sicherheitsrat herauszuwerfen und mindestens, ihnen nicht mehr zu vertrauen. Nicht nur Russland und China, sondern die überwältige Mehrheit der Nationen, welche die Weltstaatengemeinschaft bilden, haben das Vertrauen in die westlichen permanenten Mitglieder des Sicherheitsrates verloren, und deshalb wird es keine UN-Resolution mehr geben, die für die Gewalt aus dem Westen eine Tür öffnen könnte. Diese Erkenntnis fehlt absolut bei Nicolas Richter. Der Bruch läuft gewiss zwischen den westlichen War-Lords und den restlichen Staaten, der überwältigenden Staatenmehrheit, die am Frieden und Zivilisation festhalten wollen.

Der SZ-Journalist Rudolph Chimelli zeichnet sich wie gewöhnlich für seine sachliche Professionalität aus. Seinem Artikel zufolge wird der algerische Vermittler mit dem russischen Vize-Außenministern Michail Bogdanow und dem US-amerikanischen William Burns in Genf Mitte Januar zusammentreffen.

Mediale Intrigen von Interventionsmächten, welche die Gewalt in Syrien schüren, sollten deutsche Medien nicht ablenken oder verblenden, um das Hauptproblem der Blockade des Demokratisierungsprozess in Syrien klipp und klar bloßzustellen: Reformen sind nur bei einem Dialog zwischen der Regierung und dem Volk möglich, wobei eine äußere Einmischung die Lösung des Problems behindert und die Krise nur in die Länge zieht. Mit anderen Worten: "Die Frage ist, wie die Gewalt gestoppt und die Reformen gestartet werden können. Politische, wirtschaftliche und soziale Reformen können doch nicht durch Kriegsaktionen und Gewalt durchgeführt werden. Das ist nur durch Gespräche möglich. Deshalb sollten die syrischen Behörden und die Oppositionellen einen Dialog beginnen, um eine politische Entscheidung zu treffen und Syrien zu retten. Die Einmischung in das Syrien-Problem kann seine Lösung unmöglich voranbringen, sondern im Gegenteil provozieren eine Eskalation der Gewalt in diesem Land." So klipp und klar der Außenminister aus dem Libanon.

Für den Dialog und notwendigen Reformen, Wahlen eingeschlossen, hat sich Präsident Assad bereit erklärt. Aber gerade das blockieren bewaffnete Oppositionelle, die auf Terror-Anschläge setzen. Mit Leuten, die nur die Sprache der Waffen verstehen und sich dem Dialog versperren, sind keine Gespräche zu führen. Trotzdem hat der syrische Präsident eine generelle Amnestie für diejenigen Rebellen angeboten, welche die Waffen ablegen. Deutsche Medien müssten die Rebellen zur Vernunft, zu Gespräche, zur Ablegung der Waffen animieren, anstatt solche mörderischen Exzesse gleichgültig als normal hinzunehmen. Terror-Anschläge brandmarken die Rebellen als schlimme Terroristen, die als solche zu kennzeichnen sind, wie es schon die Obama-Regierung gemacht hat. Inakzeptabel als barbarisch und widerwärtig ist die Akzeptanz eines Blutbads und von Racheakten zwischen Volksgruppen als Konsequenz der friedlichen Diplomatie Russlands und Chinas, die sich der westlichen Gewalt opponieren. Das ist extrem schockierend im Artikel "Kalter Krieg" (SZ, 11.1.2013) von Nicolas Richter.

Großbritannien hat sich offen für den gewaltsamen Sturz des syrischen Präsidenten bekannt gemacht. Deshalb ist der Agentur Reuter in Bezug auf das, was sie verbreitet, nicht blind zu trauen. Auch nicht der BBC, die sich als Instrument der britischen Politik geschickt hergegeben hat. Die britische Regierung ist ein Meister der Intrige, der Täuschung und Manipulation der Wirklichkeit. In London kann man auch erstklassiges Theater genießen. Es ist auffällig, dass Reuter gerade dann deutsche Medien infiltriert, als der Sondervermittler der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, weiter an einer friedlichen Lösung für Syrien festhält. Anstatt ihn zu unterstützen, lauern die Gegner von Brahimi in einer dunklen Ecke und warten darauf, ihm ein Bein zu stellen. Bei Pressekonferenzen in Damaskus, Moskau und Kairo, die nur wenige Tage oder Wochen zurückliegen und die bei deutschen Medien kein Echo hatten, zeigte sich der UN-Sondervermittler überzeugt, dass eine friedliche Lösung die Mitarbeit aller Akteure voraussetze. Warum haben deutsche Medien, auch das deutsche Fernsehen, über solche Pressekonferenzen überhaupt nicht berichtet?

Der UN-Sondervermittler Brahimi setzt weiter auf das Genfer Abkommen, auf das sich Russland und die USA sowie die anderen Vetomächte im UNO-Sicherheitsrat - Frankreich, Großbritannien und China - zusammen mit der gesamten Arabischen Liga bereits am 30. Juni 2012 in Genf geeinigt hatten. Aus Kreisen der innersyrischen Opposition für demokratischen Wandel verlautete, dass Brahimi nicht über Einzelheiten einer Übergangsregierung gesprochen habe, um das Gespräch mit der syrischen Führung nicht von vornherein zu belasten. Daher habe er die Rolle des Präsidenten und dessen Machtbefugnisse ebenso wenig erörtert, wie die Frage eines Rücktritts. Letztlich müsse es zu einer Verständigung zwischen den USA und Russland kommen, um eine dynamische diplomatische Atmosphäre zu erreichen, auf die Brahimi angewiesen sei.

Brahimi habe weiter vorgeschlagen, dass Assad mit begrenzten Rechten im Amt bleiben solle, bisherige Rechte sollten vom Ministerpräsidenten übernommen werden. Der Ministerpräsident solle aus der Opposition kommen, allerdings nicht aus der sogenannten "Nationalen Koalition", die sich aus ausländischen Söldnern zusammenstellt. Die Hauptgruppierung der ausländischen Opposition oder sogenannten Nationalen Koalition, (die Nusra-Front) sei ausgeschlossen, denn sie sei sowohl von Syrien als auch von den USA als Terrorgruppe eingestuft worden. (Aus dem Artikel: "Brahimi glaubt weiter an Friedenslösung" von Karin Leukefeld, Junge Welt vom 4.1.2013).

Diese Fakten führen zu Schlussfolgerungen, die völlig andere sind als das, was führende deutschen Medien selektiv präsentieren.

Negativ über die UN-Mission von Brahimi zu schreiben oder in Nachrichten zu verbreiten, während seine Arbeit auf vollen Touren läuft, ist hoch kontraproduktiv. Die Arbeit des UN-Vermittlers Lakhdar Brahimi darf keineswegs scheitern. International hat er die Unterstützung von Russland, China, den BRICS-Staaten und der blockfreien Staaten, also die überwältigende Mehrheit der Weltstaatengemeinschaft. Eine große Schande für Europa, vor allem für Deutschland, dass es nach zwei Weltkriegen immer noch nicht gelernt hat, einen zivilisierten politischen Weg zu gehen, um Konflikte zu lösen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Berlin bei wichtigen entscheidenden Gesprächen für den Frieden in Syrien ausgeschlossen bleibt. Bemerkenswert ist es auch, dass aus Deutschland kein Ton für die Unterstützung solcher Bemühungen wie die von Brahimi zu hören ist.

60.000 Menschen oder sogar mehr wären noch am Leben, wenn die vorherige Mission von Kofi Annan von bestimmten westlichen Staaten, darunter Deutschland, und ihren Medien nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt worden wäre. Journalisten und Politiker sollten verantwortungsvoll dazu beitragen, konstruktiv den vereinbarten Friedensplan medial zu unterstützen, vor allem deshalb, weil die deutsche Regierung es nicht tut. Einvernehmliche Gedankenlosigkeit wirkt sehr destruktiv. Die jetzige Lage ist unhaltbar, genauso unhaltbar wie der Standpunkt, der sich auf immer scharf geladene Waffen stützt und keinen Weg zu einer angestrebten und wünschenswerten politischen Lösung zulässt.

Alle Kräfte müssen sich für eine "vernünftige politische Lösung und einen Waffenstillstand" bündeln, mahnt ganz richtig der Politikprofessor und Vorsitzende der syrischen Gesellschaft für die Vereinten Nationen in Damaskus, George Jabbour. In dieser Richtung zu berichten, wäre ein großer positiver Beitrag für den Frieden und Stabilität eines Landes, dem eine irregeleitete deutsche, europäische Außenpolitik immenses Leid zufügt. Unzählige Anzeichen weisen darauf hin, dass die USA/EU-Feldzüge bei der Familie der Nationen immensen Schaden verursachen. Sie sind dabei, die ganze Welt in ein Schlachtfeld mit Kriegslazaretten und Flüchtlingslagern zu verwandeln.

Die NATO verkörpert das, was die USA sind: Eine Macht über alles. Schon diese Vorstellung erweckt gewiss schlechte Erinnerungen. Liegt hier die Symbiose, das Faszinosum in einem Deutschland, das in mächtigen Kreisen immer noch in Größenwahn befangen träumt mit dem Drang, alles unter Kontrolle haben zu wollen? Es ist höchste Zeit für einen Sinneswandel. Nicht nur Europa, sondern auch die USA brauchen die Verbundenheit mit der großen und breiten Familie der Nationen. Die Achse USA/EU muss aus ihrer Isolation herauskommen. Es ist schwer, die Verantwortung für seine Handlungen zu übernehmen, aber es ist unausweichlich. Enttäuschung und Frustration dürfen nicht verblenden, um einen neuen notwendigen Kurs anzugehen.

In diesem Zusammenhang ist die Kritik von Sevim Dagdelen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und Sprecherin der Fraktion Die Linke für Internationale Politik, vollkommen zu begreifen und zu verbreiten, weil sie den Nagel auf den Kopf trifft: Sie warf der Bundesregierung vor, eine "tumbe Politik der Militarisierung" zu fördern und "keine Initiative für eine friedliche Beilegung des Konflikts" in Syrien unternommen zu haben. Stattdessen habe sie "mit ihren Verbündeten Schritt um Schritt die Lage weiter eskaliert". Vernünftige Außenpolitik sehe aber anders aus. Oder?

In der britischen Tageszeitung “Guardian” können deutsche Kommentatoren, Journalisten und orientierungsbedürftige SPD-Grünen-Berater realistische und wertvolle Denkanstöße finden:

"The best way to remove the Assad regime is through a ceasefire and a political settlement that provides for a democratic transition in which state institutions are reformed, not destroyed.

Oppositions inside Syria consider diplomatic intervention the only solution. Russia and the US must reach a consensus to halt arms supplies and put pressure on each side to have a long-lasting ceasefire. This would be followed by negotiations between the Syrian parties as well as talks among Syria's neighbours to guarantee no outside power would undermine the transition to a new system. It is a tall order."

"Washington needs to change policy. One-sided support for the armed opposition condemns Syrians to months, perhaps years, of bloodshed. A Libya-style intervention would be a worse escalation. Whatever disputes Obama has with Putin on other issues, he needs to work with the Kremlin on Syria rather than provoke it."
(The Guardian: A permanent ceasefire is the only hope for Syria am 28.10.2012)

Bemerkungen am Rand des Hauptpunktes (Implementieren des Brahimi-Plans/Vereinbarung von Genf) sind überflüssig und verkomplizieren nur die Lage, die schon kompliziert und unhaltbar genug ist aufgrund der gewalttätigen westlichen Einmischung. Am wichtigsten ist, eine Einigung zu erreichen, unterstützt von den Medien, um die Gewalt in Syrien zu stoppen und die vereinbarten Reformen starten zu können. Erfreulich ist die nackte Überlegung von Rudolph Chimelli: "Assads selbstbewusstes Auftreten bei seiner jüngsten Rede im Opernhaus von Damaskus wird auch damit erklärt, dass die Aufständischen in letzter Zeit militärisch weniger erfolgreich waren."

Die USA haben schon den oppositionellen Terror in Syrien erkannt und die jeweilige Organisation auf ihre Liste von Terroristen gesetzt. Und Deutschland? Was hört man aus Berlin darüber? Macht der deutsche Außenminister Westerwelle immer noch gemeinsame Sache mit Extremisten und Terroristen? Oder hat er inzwischen öffentlich seine Unterstützung für den Friedensplan von Genf (Kofi Annan/Brahimi-Plan) erklärt? Darauf müssen deutsche Medien, das deutsche Fernsehen eingeschlossen, ihr wertvolles Augenmerk richten!

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait