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9. Februar 2015 - Lilian Rosengarten:

Lillian Rosengarten aus New York hat einen Brief an den Bürgermeister von Neuss geschrieben, der in deutscher Übersetzung und im englischen Original vorliegt.


Sehr geehrter Herr,

zunächst möchte ich mich Ihnen vorstellen. Ich bin Lillian Rosengarten, ein Flüchtling aus Nazi-Deutschland, geboren in Frankfurt und lebe im Raum New York. 2010 war ich die einzige Amerikanerin auf dem „Jüdischen Boot“ nach Gaza. Wir waren neun Juden, die gehofft hatten, als Juden ihre Solidarität mit den leidenden Palästinensern in Gaza auszudrücken. Stattdessen wurden wir von der israelischen Marine verhaftet, inhaftiert, und ich wurde deportiert. Ich war persönlich Augenzeugin der Tragödie von Jude gegen Jude. Juden, die gegen den Strom schwimmen, tun dies, weil die Aktionen des zionistischen Israels nicht zu tolerieren sind.

Juden, die widersprechen, sind keine Antisemiten, auch nicht diejenigen, die Kritik und Diskussionen zulassen. Wir, die wir uns um (die Einhaltung der) Menschenrechte kümmern, müssen uns gegen Apartheid und Ethnische Säuberung einsetzen, ein weiteres Beispiel für die Unmenschlichkeit von Menschen gegenüber Menschen.

„Nie wieder!“, bedeutet, dass Juden mit einem Gewissen, niemals versäumen dürfen, sich gegen Grausamkeit und Verbrechen gegen die Menschenrechte zu äußern. Für Juden bedeutet es eine Mittäterschaft, wenn sie sich nicht gegen 70 Jahre ethnischer Säuberung, Besatzung und endlosem Leiden äußern.

Es ist wichtig, Ihnen als Jüdin und Flüchtling aus Nazi-Deutschland zu sagen, dass ich mich Israels wegen schäme, einem Land, das ich einst hoffte, als Leuchtfeuer und als ein offenes, barmherziges Land zu lieben. Stattdessen ist es dem Zionismus gelungen, ein Wachstum des Antisemitismus zu aktivieren, meiner Ansicht nach ein Ergebnis der zionistischen Agenda des Landraubs, der ethnischen Säuberung, Apartheid und der Kontrolle des Lebens der Palästinenser, so als ob diese unterprivilgiert seien. Das ist an sich schon rassistisch – und warum?, alles nur wegen der Schaffung eines rein jüdischen, demokratischen Staates. Sie müssen verstehen, dass Demokratie und Apartheid nicht nebeneinander existieren können.

Kritik bedeutet nicht, dass man Israel oder Juden hasst. Dies ist eine gemeine Verfälschung des Antisemitismus. Das zionistische Israel war erfolgreich darin, Furcht zu erzeugen und missbraucht das Gedenken an den Holocaust der Nazis ebenso wie den Kampf gegen Antisemitismus, was Verbrechen aus Hass erzeugt. Wir haben viele diesbezügliche Beweise sehen können, eine weitere Generation von Schafen, die sich vor der Rache fürchten, wenn sie widersprechen und: „Nein“!, sagen. Besonders Deutschland hat eine moralische Verpflichtung, Kritiker nicht zu unterdrücken, sondern eine Atmosphäre für offene Diskussionen der verschiedenen Ansichten zu schaffen. Das ist wahre Demokratie. Dies nicht zu tun, ist ein Zeichen von Faschismus. Davor sollte man Angst haben.

Bitte denken Sie über meine Worte nach. Es ist eine wahre Tragödie, wenn Sie zulassen, dass die Veranstaltungen derer, die sich für Gerechtigkeit und gleiche Rechte und Würde - sowohl für Israel, als auch für Palästina - engagieren, abgesagt werden und ihnen mitgeteilt wird, dass sie den Vortrag nicht halten können.

Kritik und Diskussion sind notwendig, um diesen Kreis von Furcht und Hass zu durchbrechen. Wir müssen einen Dialog führen können. Warum ist dies so bedrohlich? Wenn jemand Sie zum Antisemiten abstempelt, stehen Sie auf und sagen: „Nein!“ Die Furcht vor Kritik erinnert mich an Faschismus. Ich finde solch eine engstirnige Gesellschaft erschreckend. Wir finden sie auch in den USA.

Offene Diskussionen sind eine gesunde Form wahrer Demokratie, einer gerechten Gesellschaft, und nicht Raketen und Bomben.

Mit freundlichen Grüßen und Hoffnungen auf Frieden, ohne Grausamkeit und Unterdrückung.

Lillian Rosengarten
Cold Spring, NY - USA

Autorin von: "Ein bewegtes Leben. Von den Schatten Nazi-Deutschlands zum jüdischen Boot nach Gaza" (2014 Zambon-Verlag)

(übersetzt v. Inga Gelsdorf)


Dear Sir,

I wish to introduce myself to you. I am Lillian Rosengarten a refugee from Nazi Germany, born in Frankfurt and living in the New York area. I was the only American on the 2010 Jewish Boat to Gaza. We were 9 Jews who had hoped to express our solidarity as Jews with the suffering Palestinians in Gaza. Instead we were arrested by the Israeli navy, imprisoned and I was deported. I witnessed personally the tragedy of Jew against Jew. Jews who dissent do so because the actions of Zionist Israel are intolerable. Jews who dissent are not anti-Semites. Neither are Jews who allow for dissent and discussion. We who care about human rights must speak out against apartheid and ethnic cleansing, one more instance of man's inhumanity to man. "Never Again" means never can Jews with a conscience fail to speak out against cruelty and crimes against humanity. For Jews not to speak out against 70 years of ethnic cleansing, occupation and endless suffering is an act of complicity.

It is important to tell you as a Jew and refugee from Nazi Germany I am ashamed of Israel, a country I once hoped to love as a beacon of light and an open compassionate country. Instead Zionism has succeeded to activate the rise of anti-Semitism a result in my view of the Zionist agenda of land stealing, ethnic cleansing, apartheid and control of the lives of Palestinians as if they were sub human. This in itself is racist. Why? All for the creation of a democratic Jewish state only.You must see that a democracy and apartheid cannot coexist together.

Dissent does not mean one hates Israel or Jews. This is a cruel distortion of anti-Semitism. Zionist Israel has succeeded to create fear and abuses the memory of the Nazi Holocaust as well as a cruel distortion of the struggle against anti-Semitism which creates hate crimes.We have seen much evidence of this as another generation of sheep who fear retribution for standing up and saying "No" Germany in particular has a moral responsibility to not suppress dissent and create a climate for open discussion of differing views. This is true democracy.Not to do so are signs of Fascism to be feared.

Please give some thought to my words to you. It is a true tragedy to not allow someone who is engaged in the struggle for justice and equal rights and dignity for both Israel and Palestine to be shut down and told they cannot speak. Dissent and discussion is needed to get thru this cycle of fear and hate. We must be able to have dialogue. Why is this so threatening. If someone labels you an ant-Semite, stand up and say "No." To fear the consequences of dissent reminds me of Fascism. I find it frightening, such a closed society. We find it also in the US.

Open discussions are a healthy form of a true democracy, a just society, not missiles and bombs.

With kind regards and hopes for peace without cruelty and repression.

Lillian Rosengarten
Cold Spring, NY

Author forthcoming book in US "From The Shadows Of Nazi Germany To The Jewish Boat To Gaza: My Voice To You." (Just World Books, Oct 2015)