Menü

15. Dezember 2013 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Kommentar zu

Leitartikel in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 12.12.2013:
"Außenpolitik - Zeit für etwas Neues" von Nicolas Richter

Junge Welt (JW) vom 11.12.2013:
"Was Obama nicht sagte" von Volker Hermsdorf und
"Abschied von Mandela" von André Scheer

Tabu: Deutsche Demokratische Republik zur Ehre Deutschlands dezidiert an der Seite von Nelson Mandela
Schäbig: Netanjahu zur Schande Israels nicht auf Trauerfeier für Nelson Mandela

Der große Gedenkveranstaltung und Trauerfeier von Nelson Mandela mit 100 Staatsgästen in Johannesburg am 10.12.2013 wurde "zu einem der größten informellen Gipfeltreffen der politischen Geschichte". André Scheer sieht es zutreffend.
("Abschied von Mandela", JW, 11.12.2013)

Doch die freundlichen Geste und Würdigung von Nelson Mandela aus dem Mund vom US-Präsidenten Barack Obama mussten sichtbare Distanz und Skepsis in Mandelas Frau, engem Familienkreis und Entourage bewirken. Hat sich jemals Barack Obama für das feindselige Verhalten entschuldigt, für den Verfolgungswahn seiner Vorgänger gegenüber dem großen Widerstandskämpfer des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC)? New York Times und Chicago Tribune berichteten am 10.6.1990, die CIA habe dabei geholfen, dass Mandela von den südafrikanischen Sicherheitskräften aufgegriffen werden konnte. "Washington war damals mit dem Apartheidregime durch ein militärisches Kooperationsabkommen eng verbunden. ... Der ANC und seine Führer wurden von der US-Administration offiziell zu "Terroristen" erklärt. Obwohl Mandela noch bis zum 1. Juli 2008 auf ihrer "Terrorism Watch List" geführt wurde, änderten die USA nach seiner Freilassung und dem Zusammenbruch des Apartheidsregimes offiziell ihren Kurs. Der damalige Präsident George Bush behauptete, dass die US-Regierung immer den Kampf Mandelas gegen den Rassismus unterstützt und sich stets gegen seine Inhaftierung ausgesprochen habe. Diese Version verbreitet die offizielle US-Politik bis heute. Auch Barack Obama knüpfte an diese Lüge an."
("Was Obama nicht sagte" von André Scheer, JW, 11.12.2013)

Rücksichtslos paktieren in der Tat US-Regierungen mit Autokraten und Diktatoren überall, nicht nur in Afrika, sondern auch in Lateinamerika und Mittleren Osten, unterstützen Jahrzehnte lang ein Apartheid-Regime in Südafrika, organisieren kriminelle Militärputsche, um Regierungen, die ihnen nicht passen, gewalttätig zu stürzen, nahmen sogar die Zerstörung von Zentraleuropa im Kalten Krieg in Kauf, bereiten Kriege vor, wo es in ihrem Interesse erscheint. Die Aufarbeitung, die Analyse der deutsch-bundesrepublikanischen Rolle bei der Unterstützung des Apartheid-Regimes in Südafrika fehlt bis heute noch. Journalisten und Politiker befassen sich nicht mit der geschichtlichen Realität von Westdeutschland. Im Gegensatz ist die ehrenvolle humanistische internationale Politik der DDR schätzen zu lernen. Es war die Deutsche Demokratische Republik, die sich zur Ehre Deutschlands dezidiert an die Seite von Nelson Mandela stellte und seinen mutigen Kampf gegen den Rassismus unterstützte. Ein Deutschland, das auf internationalen universellen humanistischen Prinzipien gegründet war, ein Deutschland, das heute leider nicht mehr existiert, aber Motiv für Ehre und Stolz aller Deutschen und friedfertigen Menschen ist: Die Deutsche Demokratische Republik. Darüber zu sprechen oder zu schreiben ist aber im heutigen Deutschland tabu.

Die Deutsche Demokratische Republik betonte immer wieder den Weltfrieden, die Abrüstung und die humane Solidarität mit allen Unterdrückten. Diese Ansätze haben ihre Außenpolitik geprägt. Deshalb wurde die DDR mehrmals Mitglied des UN-Sicherheitsrates und sogar Präsident der Vollversammlung mit größter Unterstützung der Weltstaatengemeinschaft, ohne besondere Bestrebungen, ohne großes Aufheben, ohne Brimborium. Nicht aber die westdeutsche Bundesrepublik, die sich seit der sogenannten Wiedervereinigung 1990 auf eine aggressive Außenpolitik eingelassen hat. In der Tat ist die Bundesrepublik Deutschland seitdem in den Kreis der aggressivsten hegemonialen Staaten zurückgekehrt und weltweit in Militär- und Kriegseinsätze verwickelt. In dieser unehrenhaften Gesellschaft fühlt sie sich wohl und möchte mit mehr Gewicht offiziell agieren, und zwar im UN-Sicherheitsrat!

Die Kritik von Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, ist diesbezüglich absolut richtig: "Geschichtsvergessen sind die heuchlerischen Kondolenzbotschaften der Bundesregierung... Vertuscht wird hier, dass Unionspolitiker und deutsche Banken und Konzerne dem rassistischen Regime in Südafrika bis zuletzt eng verbunden blieben und dieses mit Waffen und Geldern stützten, als ein Großteil der UN-Staaten ihm bereits mit Boykottmaßnahmen entgegentrat.... Als Ehrengast des Rassistenregimes 1988 nannte Franz Josef Strauß, bayerischer Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende die Abschaffung der Apartheid "unverantwortlich" und die Gleichstellung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit "nicht wünschenswert". Diese Rolle deutscher Politiker und der deutschen Wirtschaft bei der Unterstützung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch das Apartheidsregime müssen endlich vollständig aufgearbeitet und Entschädigungsleistungen an die Opfer gezahlt werden."
("Abgeschrieben", JW, 10.12.2013)

Aber die Bundesregierung weiß auch nicht sich zu entschuldigen, weil sie kein Gewissen, kein Bewusstsein darüber hat, was Verbrechen, was Unmenschlichkeit ist. Zu den Heuchlern in Johannesburg gehört auch der portugiesische Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva. Als damaliger portugiesischer Ministerpräsident 1987 zusammen mit dem US-Präsidenten Ronald Reagan und der britischen Premierministerin Margaret Thatcher formten sie das unwürdige Dreieck westlicher Regierungschefs, das gegen eine Freilassung Nelson Mandelas aus dem Gefängnis Robben Island agitierte. Als die UN-Vollversammlung am 20. November 1987 eine ihrer zahlreichen Resolutionen gegen das südafrikanische Rassistenregime verabschiedete, votierten dagegen nur die Delegationen aus Lissabon, Washington und London. War Portugal 1987 der letzte Knecht Reagans und Thatchers in Sachen Apartheid, ist Lissabon heute der treueste Knecht von Angela Merkel.
("Heuchler in Johannesburg" von Antonio Louçâ, Lissabon, JW, 12.12.2013)

"Nelson Mandela kannte die Freunde des ANC (Afrikanischer National Kongress) in der schwersten Zeit ihres Kampfes, und die hießen - neben einer weltweiten Solidaritätsbewegung und neben anderen - die UdSSR, die DDR, und in vorderster Reihe Kuba. Und, ja, auch das Libyen des Muammar Al-Gaddafi ist hier zu nennen."
(Aus dem Artikel "Die Tränen der Krokodile" von Manfred Idler, Wochenzeitung UZ, 13.12.2013)

Im Gegensatz zu den europäischen Ländern sind tatsächlich lateinamerikanische Länder wie Brasilien und Kuba enge und wahre Verbündete von Südafrika, die den Kampf gegen Unterdrückung und Rassismus wirklich verstehen. Vor allem Kuba, "eine Nation, die die Folgen des Kolonialismus, der Sklaverei und der Rassentrennung überwindet... ein Land, das im Unabhängigkeitskampf geboren wurde, im Kampf um die Abschaffung der Sklaverei... Allein der Dialog und die Zusammenarbeit stellen den Weg für die Überwindung von Differenzen dar. Nur so ist ein zivilisiertes Nebeneinander aller möglich, auch wenn sie unterschiedlich denken. Mandelas Leben lehrt uns, dass nur die gemeinsamen Anstrengungen aller Nationen die Menschheit befähigen werden, die großen Herausforderungen zu meistern, welche ihre gesamte Existenz bedrohen." So umfassend der Präsident Kubas, Raúl Castro auf der Trauerfeier in Johannesburg, am 10.12.2013. Man kann sich seiner Rede nur vollkommen anschließen.

"Kuba werde immer einen besonderen Platz im Herzen des südafrikanischen Volkes einnehmen, sagte zu recht Nelson Mandela bei seinem Besuch in Havanna am 26. Juli 1991. Einheimische und kubanische Truppen hatten gemeinsam mit Kämpfern der Befreiungsbewegungen ANC aus Südafrika und SWAPO aus Namibia den eingedrungenen Truppen Pretorias eine vernichtende Niederlage bereitet. Dieser Sieg öffnete den Weg zum Ende der Apartheid und zur Befreiung Mandelas."
( "Abschied von Mandela" von André Scheer, JW, 11.12.2013)

Bezeichnenderweise bildet Brasilien neben Südafrika die BRICS-Staaten, kein einziger EU-Staat. Hier zeigt sich die enge politische Verbundenheit mit Südafrika: Brasilien, Russland, Indien und China.

Natürlich ist die Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba längst fällig. Das erkennt der SZ-Leitartikler richtig. Selbstverständlich ist die Zeit für eine grundsätzliche Wende in der Außenpolitik längst gekommen. Nicolas Richter könnte die Forderung nach dieser Wende stärker, umfassender und resoluter betonen, denn nicht nur "im Verhältnis zu Kuba versagt in den USA sowohl der pragmatische Instinkt als auch die Vernunft", wie er plakativ auch erkennt.

Sanktionen sind überflüssig und schädlich. Sie verursachen Hunger und Not bei den betroffenen Menschen. Dass die USA/EU unvernünftig darauf bestehen, ist nicht nur ein Zeichen ihrer diplomatischen Niederlage, sondern auch ein Zeichen ihrer weltweit destruktiven Außenpolitik und der Skrupellosigkeit westlicher Machthaber.

Unter Verweis auf 13 Jahre UNO-Sanktionen gegen den Irak und mehr als ein halbes Jahrhundert lang gegen Kuba, in beiden Fällen mit katastrophalen Auswirkungen auf die Bevölkerung, warnen Diplomaten ständig vor Wirtschaftssanktionen. Lähmende Sanktionen, verdeckte Aktionen und Militärschläge sind kriminelle Handlungen und müssen von der Politik als solche gesehen und ausgeschlossen werden. Gerade das ehemalige Kirchenoberhaupt der Katholischen Kirche, Sumo Pontifex Benedikt XVI. verurteilte die US-Blockade gegen Kuba, als er dieses Land im März 2012 besuchte. Die päpstliche Verurteilung der Wirtschaftssanktionen gegen die karibische Insel war zu erwarten und ist als grundsätzliche Ablehnung jeder Sanktionspolitik gegen welches Volk auch immer zu bewerten. Von allen Seiten nimmt deshalb derzeit der Druck auf das mächtigste Land der Welt zu, seine aggressive Politik gegenüber Kuba und anderen Völkern zu revidieren. "Das größte Hindernis für eine amerikanisch-kubanische Entspannung ist freilich weder Obama noch Castro, sondern der Kongress in Washington, wo Ängstlichkeit und Provinzialität eine Heimat gefunden habe", signalisiert zutreffend der Journalist Nicolas Richter in seinem Leitartikel "Außenpolitik - Zeit für etwas Neues", SZ vom 12.12.2013. Solche engstirnigen Washingtoner Politiker haben die USA in eine blamable Isolation geführt. An der Seite der USA stand allein Israel gegen Kuba, als die Weltstaatengemeinschaft zum wiederholten Male mit der Verabschiedung einer UN-Resolution die Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba forderte.

Zur Schande für Israel blieb der israelische Ministerpräsident, Benjamin Netanjahu, der Trauerfeier für Nelson Mandela fern. "Israel gehörte zu den Staaten, die das südafrikanische Apartheidsregime stets unterstützt hatten. Als lebenslanger Kritiker der Apartheid hatte Nelson Mandela auch das israelische Besatzungsregime scharf kritisiert."
("Für Netanjahu zu teuer" von Karin Leukefeld, JW, 10.12.2013)

Die schäbige Entschuldigung des Israelis deckt seine Furcht und seine Scham, sich vor der internationalen Öffentlichkeit in Südafrika als Vertreter einer inakzeptablen Diskriminierung gegenüber den Palästinensern präsentieren zu müssen, eine Diskriminierung, die generell anzuklagen und zu verurteilen gehört, nämlich diese neue Apartheid im 21. Jahrhundert und die wiederholten Verletzungen des internationalen Rechts seitens der Netanjahu-Regierung. Der israelisch-palästinensische Konflikt ist kein religiöser Konflikt. Es ist von Anfang an die Folge einer willkürlichen Kolonisierung: Ost-Jerusalem und alle anderen palästinensischen Territorien sind seit 1967 von Israel illegal besetzt.

Israel verbreitet wie immer die konstruierte Lüge, dass die Welt wieder einmal gegen Israel sei. Allerdings ist das der Beginn des letzten Aktes. Hier wiederholt sich dasselbe Muster, wie es am Ende des Apartheid-Regimes ablief. Die letzte südafrikanische Regierung, die auf Rassentrennung setzte, verschärfte die Repression gegen die Linke und gegen alle, die sich das Unrecht nicht mehr gefallen lassen wollten.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait