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6. Dezember 2014 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Russlands Außenpolitik mit dem jüngsten Türkei-Besuch des russischen Präsidenten, dem russischen Stopp des Gasleitungsprojekts "South-Stream" und die diversen Absetzbewegungen gegenüber den USA bei gleichzeitiger unverändert erscheinender Realitätsverweigerung in Deutschland geben Anlass zu folgender Stellungnahme zu

Junge Welt (jW) vom 2.12.2014:
"Westen guckt in die Röhre" von Klaus Fischer,

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 3.12.2014:
“Ein Handschlag, ein Faustschlag" von Julian Hans und Christiane Schlötzer,

Kommentar in SZ vom 5.12.2014:
"Russland - Der Sandmann spricht zur Nation" von Julian Hans

Europa und USA:
Selbstisolation, Selbstbetrug und Weltfremdheit

Dem Pragmatismus der Außenpolitik Russlands sind unter US-Einfluss stehende deutsche Journalisten der Konzernpresse, wie Julian Hans und Christiane Schlötzer der Süddeutschen Zeitung, nicht gewachsen. Sie unterliegen dem Grundsatz-Fehler, die Welt so winzig wie Europa zu sehen. Gefesselt und verblendet in dieser begrenzten Vision träumen sie weiter von Europa beziehungsweise den USA als den Mittelpunkt, als den Nabel der Welt. Hierin liegt ihre verkehrte Sicht. Indem Journalisten und Politiker in dieser ihrer engen Sicht verankert bleiben, können sie sich nicht den aktuellen Weltverhältnissen stellen. Ihre Artikel und Kommentare zeigen bloß ihre eigene scheinbar unüberwindbare Realitätsfremdheit. Indem sich Europa und die USA weiter Illusionen hingeben, wachsen ihre Selbstisolation, ihr Selbstbetrug und ihre Weltfremdheit.

Dagegen integriert sich Russland in neuen, wachsenden Konstellationen. Ja, der Kreml lässt sich nicht von der unsinnigen Blockade der USA/EU paralysieren. Am wenigsten beugt sich Russland dem törichten westlichen Diktat und dummer Arroganz. Moskau geht voran, um seine nationalen Interessen zu sichern und lässt Europa hinter sich, allein mit seinen Fehlentscheidungen und sich daraus ergebenden Konsequenzen. Nichtsdestotrotz bleibt Russland offen für eine Kooperation mit dem Westen, wo es möglich ist. Pragmatisch unterlässt es der Kreml, seine Beziehungen mit dem stagnierenden Westen zu brechen.

Zwar handelten "unsere europäischen Freunde" gegen ihre eigenen Interessen, wenn sie die Fertigstellung der Gasleitung "South Stream" aus Russland über Südosteuropa behinderten, aber das sei eben ihre Sache. So sachlich und trocken die Reaktion des russischen Präsident Wladimir Putin. Nicht jede Regierung handelt aber so verblendet und töricht wie Deutschland. Politisch stärker entwickelte Staaten, an erster Stelle Frankreich, sind bereit, die irrsinnige US/EU Blockade gegen Russland zu ignorieren.

Einige europäische Regierungen verstehen allmählich, dass die Ukraine für die USA und deren EU-Satelliten nur ein Vorwand ist. "Wenn es den nicht gegeben hätte, hätten sie sich etwas anderes ausgedacht, um die wachsenden Möglichkeiten Russlands klein zu halten, es zu beeinflussen oder, noch besser, um es in ihrem Interesse zu benutzen." Der Präsident Russlands entlarvt öffentlich die hinterhältige Politik des Westens gegenüber Russland. Wer hinter dem Terror steht, hat sich schon mehrfach und über Jahre hinweg bewiesen, zuerst in Serbien, dann in Libyen, in Syrien, in der Ukraine, im Irak und zuletzt bei der jüngsten Terrorattacke in Tschetschenien, gerade als Wladimir Putin seine Rede vor der Föderalen Versammlung hielt (4.12.2014). An einer Zufälligkeit ist kaum zu glauben, wenn man die gegenwärtige US-Aggressivität und ihre besessene Verschwörung gegen Russland im Auge hat.

Zurück zur aktuellen internationalen Wirtschaftspolitik:

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Montag (1.12.2014) bei seinem Türkei-Besuch angekündigt, dass Russland den Bau der "South-Stream"-Gasleitung stoppen werde, durch die russisches Erdgas ab 2018 direkt nach Südeuropa hätte strömen sollen. Stattdessen sollen eine neue Gasleitung in die Türkei sowie ein Gasvorrats- und Verteilungszentrum an der Grenze der Türkei zu Griechenland für die Versorgung Südeuropas gebaut werden. (RIA Nowosti 2.12.2014) "Europa bleibt aufgerufen, noch intensiver Alternativen zu russischen Rohstoffen zu suchen" erkennt infolgedessen das Handelsblatt vom 4.12.

Russland gibt seine Pläne für die Erdgaspipeline South Stream auf. ... eine Reaktion auf die vom Westen geschaffenen Fakten. Die Rohrleitung war eines der zentralen Vorhaben zur Energieversorgung einer Handvoll von EU-Staaten. Das Projekt galt als solide und störungsfreie Verbindung - denn es umging die Ukraine, so wie das Schwesterprojekt "North Stream" auch die Ukraine und zusätzlich Polen links liegenlässt.

Nun ist South Stream Geschichte. Das Projekt ist vom Tisch. Mit dem Baustopp, den Bulgariens Regierung auf Intervention der US-Regierung und der EU-Kommission verfügt hatte, wurde die Investition praktisch zum Scheitern verurteilt. Die Maßnahme war offenbar Teil des Masterplans, die Russische Föderation ökonomisch in die Enge zu treiben. Das stellte Staatspräsident Wladimir Putin klar.

Zum erklärten Wirtschaftskrieg gehören die tendenziöse Berichterstattung der SZ und FAZ. Auf Plausibilität und Fakten legen die EU-Journalisten der Anti-Russland-Front längst keinen Wert mehr. Vielleicht sollten sie mal in Rom oder Wien anrufen? Oder in Griechenland nachfragen, wie es dort künftig mit der Brennstoffversorgung weitergeht.

Für Brüssel stellt sich die Frage nicht. ... Der große Weihnachtsmann ist wohl Uncle Sam. So eine Art Marshallplan zur Notversorgung der europäischen Vasallen könnten die Vereinigten Staaten gewiss auf die Beine stellen. Allerdings würde das wohl teurer, als der Stoff in den Röhren von South Stream jemals hätte werden können. Geschäft und Politik gehen immer Hand in Hand. Nicht so in EU-Europa. Hier haben Konzernchefs und parlamentarische Hinterbänkler gerade den Spruch vom "Primat der Politik" entdeckt.

Der Baustopp wird nicht nur diverse EU-Staaten treffen. Russland gerät zunehmend in eine Situation, sein wirtschaftliches Überleben unter völlig veränderten Bedingungen sichern zu müssen. ... Allerdings sind sich die Russen ihrer Geschichte voll bewusst und in Notsituationen weit weniger träge als diverse Wohlstandsstaaten weiter westlich. ... Projekte zur verstärkten Belieferung Japans hängen stark davon ab, wie sehr sich Tokio in die US-Verschwörung zur Isolierung Moskaus einbinden lässt.
(Aus dem Artikel: „Westen guckt in die Röhre“ von Klaus Fischer, jW, 2.12.2014)

"Das geopolitische Ringen zwischen Russland und dem Westen ist noch nicht zu Ende. So ist es wohl eine Illusion zu glauben, dass Amerika mit seinem Schiefergas oder mit Hilfe seiner arabischen Verbündeten die Stelle von Gazprom einnehmen kann. Denn mit russischem Gas aus der Röhre kann diese Alternative im Preis nicht mithalten."
(MNO, 4.12.2014)

Doch die Erde dreht sich weiter und mehr und mehr Staaten ergreifen Maßnahmen gegen ein generelles EU/USA-Diktat. Brüssel und seine Journalisten von SZ und FAZ verschlafen diese Wende. Währenddessen wirbelt Putin die westliche Energie-Geschäftswelt durcheinander, indem er überraschend das Ende des South-Stream-Projekts erklärt. Milliarden sind bereits geflossen. Klugerweise folgt die Türkei den kontraproduktiven EU-Sanktionen gegen Russland nicht. Der Norweger und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kann so viele Appelle an die Türkei richten, bis er schwarz wird. Umsonst. Trotz Sanktionen der EU und der USA gegen Moskau will die Türkei den Handel mit Russland deutlich erweitern. Russland ist ein wichtiger Energielieferant der Türkei. Beide Staatspräsidenten, Recep Tayip Erdogan und Wladimir Putin, haben sich bei ihrem Treffen in Ankara am 1.12. verständigt und erzielten beachtliche Übereinkünfte.

Der gegenseitige Handel soll deutlich ausgeweitet werden - Putin sprach sogar von einer Verdreifachung des Volumens auf umgerechnet 100 Milliarden Dollar. Die bereits bestehende Pipeline „Blue Stream“ wird ausgebaut werden. Wie South Stream verläuft sie in Teilen auf dem Grund des Schwarzen Meeres - allerdings von Russland in die Türkei.
("Westen guckt in die Röhre" von Klaus Fischer, jW, 2.12.2014)

Wenn der Handel zwischen Moskau und Ankara wie erwartet, nicht weiter in Dollar sondern in türkische Lira oder Rubel erfolgt, signalisiert das einen eigenständigen Kurs zur pragmatischen Abkoppelung von den USA. Darüber hinaus sollten Journalisten auch die neue Verständigung in derselben Hinsicht zwischen Uruguay und Brasilien berücksichtigen. Alles richtet sich nach Selbstbefreiung und prognostiziert das Ende der US-Finanz-Dominanz in der Welt. Daher die Wut und die unkontrollierte Nervosität aus Washington, die es zu selbstzerstörerischen, höchst törichten Maßnahmen veranlasst haben.

In der Tat

löst sich Lateinamerika weiter vom Einfluss der USA. Brasilien und Uruguay haben ihren bilateralen Handel von US-Dollar auf ihre Landeswährungen Real und Peso umgestellt, um “alte Mechanismen ökonomischer und von den USA diktierten Regulationen loszuwerden.” Weitere lateinamerikanische Länder wollen dem Beispiel folgen.

Der Vertrag war bereits am 2. November vom Chef der brasilianischen Zentralbank Alexandro Tombini und seinem uruguayischen Kollegen Alberto Grana unterzeichnet worden. Beide Länder glauben, dass dieser Schritt den Handel in ganz Lateinamerika stärken wird. Seit Montag dieser Woche (1.12.2014) begann der bilaterale Handel in brasilianischem Real und uruguayischen Peso.

“Diese Maßnahme ist ein Schritt nach vorn für die lateinamerikanische monetäre Unabhängigkeit und die beste Gelegenheit für Länder Südamerikas, die alten Mechanismen ökonomischer und von den USA diktierten Regulationen loszuwerden.” So Carlos Francisco Teixeira da Silva, Professor für Internationale Beziehungen an der Bundesuniversität von Rio de Janeiro.

Sollte sich der neue Mechanismus als erfolgreich herausstellen, könnte er auf Länder wie Bolivien oder Venezuela ausgeweitet werden. Nach Einschätzung des Wirtschaftswissenschaftlers Alex Luis Ferreira von der Universität São Paulo könnte der brasilianische Real in diesem Kontext als regionale Wechsel- und Reservewährung genutzt werden.”

Im November hatte Präsident Putin angekündigt, dass Russland plane, die “Diktatur des Dollars” auf dem Finanzmarkt zu verlassen und die Nutzung des Rubels und des Yuans beim Handel mit China zu erhöhen. Von Januar bis September 2014 hat sich der Zahlungsverkehr in Yuan zwischen Russland und China im Jahresvergleich um 800 Prozent erhöht.

Russland, China und die lateinamerikanischen Länder sind nicht die einzigen die sich vom US-Dollar als Leitwährung lösen wollen. Die Eurasische Wirtschaftsunion (EEU), zu der auch Belarus und Kasachstan gehören, plant bis 2025 einen gemeinsamen Markt für Finanzdienstleistungen aufzubauen, was es vereinfachen wird, auf Dollar-freien Handel umzuschalten.

Anfang dieser Woche hat die Duma, (Volkskammer des russischen Parlaments), die Schaffung einer gemeinsamen Zone für Zahlungen in Landeswährungen vorgeschlagen. Solche Maßnahmen sollen den US-Einfluss auf die Wirtschaft der Eurasischen Wirtschaftsunion minimieren.
(Russia Today, 5.12.2014)

In Wahrheit sind die USA die Urheber der gegenwärtigen schlechten Verhältnisse in Europa mit einem konstruierten Destabilisierungskriegsfokus in der Ukraine. Haltlose mediale Kritik an Russland ist Teil der langfristigen US-Strategie, die auch Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) und "zivilgesellschaftliche Akteure" als Unruhe-Stifter benutzen will. Selbstverständlich hat Moskau solche unerwünschte Elemente rechtzeitig erkannt und in ihre Schranken gewiesen, unter ihnen eine penetrante Marie-Luise Beck aus Deutschland. Ihnen war und ist nicht erlaubt, ihre Wühlarbeit in Russland zu machen. Konservative Elemente und dubiose Figuren aus dem Milieu der Grünen dienen als Marionetten der USA für ihren verhängnisvollen, niederträchtigen Plan zum Regime-Wechsel in Russland. Daher der Diensteifer dieser Leute, den Petersburger Dialog und das Deutsch-Russische Forum neu zu besetzen.

In den 90er Jahren seien Terroristen und Separatisten in Russland als "Kämpfer für Freiheit und Demokratie" offen von außen unterstützt worden, dass man "mit Vergnügen" Russland dem "jugoslawischen Szenario des Zerfalls und der Zergliederung" überlassen habe. Das sei nicht gelungen, so wie es Hitler seinerzeit nicht gelungen sei.

So klar und eindeutig der Präsident Wladimir Putin in seiner jährlichen Botschaft an die Föderale Versammlung, also vor den Mitgliedern beider Kammern des russischen Parlaments, der Regierung, den höchsten Richtern, den Gourverneuren, Vorsitzenden regionaler Parlamente, Vertretern der Religionsgemeinschaften, Repräsentanten anderer Organisationen und Leitern von Massenmedien am 4.12. (Aus dem Artikel "Frostige Grüße aus Moskau" von Arnold Schölzel, jW, 5.12.2014)

Welchen rationalen Sinn, welches konstruktive Ziel hat in dem heiklen gegenwärtigen außenpolitischen Augenblick eine angebliche "Kritik" an Russland, die nicht einmal haltbar ist? Die Bundeskanzlerin darf die Arbeit ihres Außenministers Walter Steinmeier nicht weiter erschweren. Sie sollte dem diplomatischen Beispiel ihres französischen Kollegen, Präsident François Hollande, folgen, und Moskau so bald wie möglich ein Besuch gestatten, um persönlich mit dem Präsident Russlands einen konstruktiven Dialog weiterzuführen. So wie Paris muss Berlin auch aus der Sackgasse umkehren. Frankreich und Russland haben den Willen, eine Lösung zu finden. Also, Paris, Moskau, Berlin und Kiew sind gerufen zusammenzuarbeiten. So Frankreichs Präsident aus Moskau (ZDF-Heute und ARD-Tagesschau von 6.12.2014) Der Besuch des Französischen Präsidenten in Moskau hat die mediale Hetzerei gegen den russischen Präsident durchbrochen.

Die USA fahren fort, die Kiewer Verbrecher-Regierung skrupellos weiter zu bewaffnen und zu finanzieren. Damit ihr ganzes Geld nicht in dunklen Kanälen der korrupten Verwaltung versackt, hat Washington jetzt eigene Leute auf Ministerposten gehievt, so im Schlüsselministerium für Finanzen. Nicht umsonst handelt es sich um ein von Faschisten durchsetztes und US-höriges Regime in Kiew.

Die politische Rückständigkeit Deutschlands ist bekannt und hat lange historische Schatten. Politisch unfähig, sich von der faschistischen Nazi-Diktatur zu befreien, ist Deutschland auch heute im Bündnis mit der USA unfähig, sich von der NATO-Bevormundung zu befreien und allein für sich selbst den richtigen Weg im Interesse Europas einzuschlagen. Deutsche Medien wie die SZ und FAZ sind ein NATO-Netz geworden.

Berlin sollte sich aber dieser heutigen Herausforderung gewachsen zeigen und endlich internationale politische Verantwortung übernehmen. Das heißt, sich nicht länger als Kriegspartei der NATO gegen Russland zu stellen und so gegen sich selbst und gegen Europa.

Bisher scheint Deutschland aus seiner trügerischen Idylle nicht herausgerissen werden zu wollen; Berlin hängt alten Illusionen nach und meint immer noch, in den Händen der USA und ihrer NATO gut aufgehoben zu sein. Na ja, Frankreich ist aufgewacht und die Niederländer sind auch dabei aufzuwachen, zumindest haben sie ihre Goldvorräte aus den USA zurückgeholt. Wie auch immer - die Erde dreht sich weiter.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait