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13. Juli 2014 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Die CIA-Spionage-Affaire hat hierzulande ein Jahr nach dem NSA-Überwachungsskandal einige Wellen geschlagen, aber eine politische Reaktion bleibt bisher aus, Anlass zu folgender Stellungnahme zu

Leitartikel in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 9.7.2014:
"Dreiste Dilettanten" von Nicolas Richter,

SZ vom 11.7.2014,Titelseite:
"Regierung wirft US-Geheimdienstler raus"
von S.Braun, C.Hickmann und H.Leyendecker
und Leitartikel "Spionage - Eine Zäsur" von Tanjev Schultz

Deutschland - USA:
Zeit für politisch reife Entscheidungen gekommen

Am selben Tag, als Obama und Merkel telefonisch miteinander redeten (Donnerstag 3.7.2014), bekam ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs einen CIA-Verdächtigen vorgeführt, der seitdem in Karlsruhe in Untersuchungshaft sitzt. Kein Wort von Barack Obama darüber, auch kein Wort von Angela Merkel, die gewiss eine angemessene Reaktion vom US-Präsidenten erwartete, der zu diesem Zeitpunkt sicherlich über den Vorfall informiert war, wenn nicht durch seine Mitarbeiter, mindestens aus der Presse, die er täglich durchzusehen hat. Presse-Stimmen aus der SZ, die das Schweigen von Obama mit Nichtwissen entschuldigen, lassen die nüchterne Überlegung und Begrifflichkeit darüber völlig außer Acht, mit welcher Art Supermacht es die Bundesrepublik Deutschland zu tun hat, nämlich eine Supermacht, die in Anspruch nimmt, der alleinige Weltherrscher zu sein und die sich deshalb skrupellos über alle Normen und Grundsätze stellt. Der Mangel an einem realistischen Urteilsvermögen gegenüber den USA ist bei deutschen Medien offensichtlich, die immer noch in kindischen Kategorien von Freund und Feind schreiben und die Welt durch die einseitige US-amerikanische Sicht falsch darstellen.

Die Spionage ist kein Geschäft des US-Präsidenten, keines Präsidenten überhaupt. Ein Präsident gibt nur die allgemeinen Richtlinien seiner Außenpolitik vor, denen gemäß sich seine Mitarbeiter zu orientieren haben. CIA-Direktor John Brennan ist schon immer einer der engsten Vertrauten Obamas gewesen. Obama hat ihn an die Spitze der CIA gesetzt, und Brennan instruiert seine Agenten im Ausland nach den Vorgaben, die zu einem hegemonialen Weltherrscher gehören. Seit dem ersten Irak-Krieg 1991 und allen nachfolgenden Kriegsaggressionen der USA haben es deutsche Bundesregierungen verpasst, sich darüber im Bilde zu sein, nämlich über die Maßlosigkeit einer Partnerschaft, die keine Partnerschaft unter Gleichen ist, weil sich der Partner über Recht und Gesetz stellt. Aus dieser Partnerschaft ist so Komplizenschaft mit Kriegsverbrechern geworden. Und Medien und Politiker schlossen die Augen dabei und zogen keine normalen Konsequenzen aus den Untaten des übermächtigen Weltherrschers. Deutsche Medien, allen voran die SZ, haben die Kaltschnäuzigkeit der Amerikaner jahrelang einfach hingenommen. Dabei ist wohl eine Art Minderwertigkeitskomplex auf deutscher Seite im Spiel und eine unreflektierte Bewunderung für die USA. Das Nein von SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder zum zweiten Irak-Krieg 2003 hätte der erste Schritt zur Eigenständigkeit gegenüber dem US-Hegemon signalisieren müssen, aber deutsche Politiker und vor allem deutsche Medien blieben in der US-Manipulation gefesselt, so sehr, dass sie bei jedem Konflikt vor jeder endgültigen Stellungnahme US-Hinweise erwarteten.

Über die internationale Wirklichkeit zu berichten, ist die Kernaufgabe jedes akkreditierten Diplomaten. Spione sind nicht angebracht, vor allem nicht ausländische Spione. Unter Staaten gibt es keine Freundschaft, aber gewiss muss es eine gemeinsame Haltung auf einer Vertrauensbasis und auf Grundlage von internationalen Regeln geben. Gerade hier aber fielen deutsche Regierungen und Medien mit ihrer US-Gefolgschaft ins bodenlose Vakuum.

Die irritierte Reaktion von US-Agenten auf die Enthüllung ihrer Tätigkeiten auf deutschem Boden entspricht der Haltung einer Hegemonialmacht, die es jahrzehntelang gewohnt war, auf deutschem Territorium alles zu tun, was ihr passt. Schon als die deutsche Einheit auf der Tagesordnung stand, gab es "Konsultationen" mit der US-Botschaft. Deutsche Verantwortungsträger fühlen sich geehrt und "verpflichtet", US-Regierungsbeamten ohne Aufforderung, ohne Verpflichtung alles freiwillig zu erzählen. Diese Bereitwilligkeit entspricht der völlig fehlenden Selbstachtung, dem fehlenden Selbstbewusstsein gegenüber dem eigenen Land. Erst Bonn, dann Berlin hat seine Souveränität niemals richtig erfasst, sondern handelte in williger Abhängigkeit vom Hegemon, vor und nach der deutschen Einheit. Das ist keine Freundschaft, sondern einfach Dummheit, reine Vernachlässigung der eigenen Interessen und fehlende Wahrnehmung der eigenen Souveränität. Jetzt vor dem enthüllten NSA- und weiteren Spionage-Fällen kommt es Gott sei Dank zu einer ganz normalen Entscheidung auf deutscher Regierungsebene, nämlich die Ausweisung des US-Chef-Agenten in der US-Botschaft aus Deutschland. Eine Selbstverständlichkeit für jeden Rechtsstaat, die nur hier bei der unterentwickelten Medienlage als "ungewöhnlicher Schritt" und "Sonderfall" bezeichnet wird. Die Regierungsentscheidung Berlins ist das Minimalgebot, das gesunder Menschenverstand anordnet, aber sie ist keine politische Entscheidung. Politische Konsequenzen aus dem aufgedeckten eindeutigen Vertrauensbruch fehlen noch. Deshalb gibt es keinen triftigen Grund, über "eine Zäsur" zu schreiben. Die gibt es noch nicht. Deutsche Medien bewegen sich auf fremden Terrain, wenn sie darüber spekulieren, was "im Interesse der Amerikaner und was nicht" sein sollte. Das ist doch nicht ihre Aufgabe. Viel wichtiger und an erster Stelle sollte stehen, was im Interesse Deutschlands sein sollte, welche folgerichtigen politischen Entscheidungen auf deutschem Boden zu treffen sind.

Deshalb ist die Frage berechtigt "Sind die Deutschen scheinheilig, wenn sie sauer darüber sind, dass die USA in Deutschland spionieren?" "Können die nicht einfach mal Ruhe geben?"
("Nur naiv sollte man nicht sein", SZ, 10.7.2014)

Zweifellos werden die USA weiter in Deutschland spionieren und nicht nur in Deutschland, sondern in allen Ländern. Über Freund oder Freundschaft zu sprechen und weiter zu schreiben ("Frust unter Freunden", SZ, 11.7.2014), entspricht der deutschen Naivität, die immer noch an Märchen glaubt. Die Amerikaner sind niemals Freunde Deutschlands gewesen. Humanitäre Gesten wie Hilfspäckchen nach Berlin geflogen zu haben, sind nicht als außergewöhnlich zu betrachten, auch nicht als besondere freundschaftliche Geste. Menschen in Not zu helfen, wenn man dazu in der Lage ist, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Einmal dafür zu danken reicht vollkommen. Völlig unangebracht ist, daraus eine Verbundenheit aus Ewigkeit zu konstruieren.

Selbstverständlich könnte sich eine Freundschaft zwischen einem Amerikaner und einem Deutschen entwickeln, aber nicht auf Regierungsniveau, nicht auf politischer Ebene. Hier ist ein gesundes Misstrauen vonnöten, eine angemessene Distanz empfehlenswert. Dasselbe gilt vor allem für Redaktionen der Massenmedien, wo der US-amerikanische Einfluss und Infiltration am stärksten offensichtlich sind. Ein Beweis dafür, der seit Jahrzehnten auffällt, gibt die SZ-Redaktion selbst ab.

Schon als die Bundeskanzlerin in Washington ein No-Spy-Abkommen zu erreichen versuchte, war durch die eindeutige Weigerung des US-Präsidenten klar, dass Washington sich von seiner praktizierten Routine nicht abbringen lassen würde. Auch nicht von einer "verärgerten" Angela Merkel. Kleinkarierte mediale Kommentare entsprachen hierzulande dem von oberster Stelle angeordneten Schweigen und die Relativierung der maßlosen US-Spionage gegen Europa durch etablierte deutsche Politiker wie CDU-Kanzlerin Angela Merkel, damaliger CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich und CSU-Chef Seehofer. Sie verhandelten weiter mit den USA, als wäre nichts gewesen. Dasselbe Fehlverhalten, dieselbe Würdelosigkeit lässt sich heute beim Außenminister Walter Steinmeier beobachten. Seine banalen Worte (ZDF "Heute" und ARD "Tagesschau" am 11.7.2014) über eine "Partnerschaft" sind völlig daneben und am absurdsten im Zusammenhang mit einem Vertrauensbruch eines angeblichen "Partners". Anstatt sich seinem außenpolitischen Metier zu widmen, nämlich der eskalierenden kriminellen Aggression Israels gegen Palästina (Gaza) und dem Krieg in Europa (Ukraine), inszeniert der SPD-Außenminister ein Theater für die deutsche Öffentlichkeit und meldet eine Reise nach Washington. Was will er dort? Sein Kollege John Kerry hätte kaum Zeit für ihn, denn er ist zu Recht mit wichtigeren Angelegenheiten beschäftigt, wie der neue blutige Konflikt in Palästina. Eine "Entschuldigung", wenn es sie gäbe, ein Handschlag mit einem US-Verantwortungsträger, wird an der Sache nichts ändern: Die USA als hegemoniale Macht werden weiter spionieren und alle anderen "Partner" auch.

Aufgrund seines Egos und seiner Eitelkeit will Walter Steinmeier das Ergebnis seines Treffens mit dem Kanzleramtsminister Peter Altmeier und Bundesinnenminister Thomas de Maizière nicht wahrnehmen, "dass weitere Gespräche mit der US-Regierung derzeit nicht mehr viel bringen würden." (SZ-Titelseite 11.7.2014). Deshalb überrumpelt er die Bundeskanzlerin, wagt die Regierungsentscheidung der Kanzlerin, ihres Innenministers und ihres Verteidigungsministerin zu desautorisieren. Eine miese Kampagne der SPD gegen die CDU, ein Sprung ins abseits, gegen die Würde des Landes. Typisch für den Realitätsverlust an der SPD-Spitze, der nur die mediale Wichtigtuerei übrigbleibt.

Allerdings wird Steinmeier bei seinem Auftritt nichts anderes als ein einsamer Bittsteller sein, genauso wie vormals anlässlich der NSA-Affaire der CSU-Innenministers mit seiner Reise nach Washington, die sich in der Tat als vollkommen erfolglos erwies. Der Erste Parlamentarische SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann müsste seinen Parteifreund darüber aufklären, damit er nicht dieselbe Blamage wie der damalige CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich erlebt. Friedrichs Auftritt war damals (Juli 2013) eine Null, ohne konkrete Ergebnisse, einfach ein Desaster. Die USA haben ihn in Washington abblitzen lassen. Lediglich ein erbärmlicher CSU-Bundesinnenminister applaudierte sich selbst. Er wollte sein Scheitern vor den USA nicht einsehen und blieb völlig realitätsfremd bei der Illusion eines inexistenten Erfolgs getäuscht: Ein Handschlag und ein Guten Tag mit dem US-Vizepräsidenten vor der Kamera genügen als Theater für eine deutsche Öffentlichkeit, aber selbstverständlich nicht, um den größten Spionage-Skandal aller Zeiten aufzuklären. Werden wir von der SPD dieselbe betrügerische mediale Inszenierung erleben?

Die Abhängigkeit Europas von den USA und das vollkommen fehlende europäische Selbstbewusstsein werden medial offenkundig. Die Europäer haben sich für ein Linsengericht verkaufen lassen. Aber dass sich auch die Medien derart paralysiert gegenüber der US-Willkür zeigen, ist der beschämende Beweis ihrer Begrenzung, ihr Mangel an Demokratieverständnis. Ihr Schweigen und Ablenkungsmanöver zeigen ihre Unsicherheit, sich sachlich mit diplomatischen Verstößen der USA und einigen EU-Ländern zu befassen und über sie offen zu berichten. Ein Fall für den Presserat, das Bundespresseamt und für jeden Presseattaché.

Obamas Behauptung, die USA würden nicht "einseitig abrüsten und sich nicht dafür entschuldigen, dass sie das Spionagehandwerk besser beherrschen als andere" ist Aussage genug, um vernünftige, richtige Konsequenzen daraus zu ziehen. "Am Ende hat der Präsident wie immer sehr nüchtern abgewogen: Die Spione machen weiter, die Deutschen beruhigen sich schon wieder." So Nicolas Richter in der SZ. Der Chef des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, hätte sich infolgedessen die Reise nach Washington sparen können. Um realistisch und wachsam zu sein, braucht man keine Reise nach Washington. Er kam mit leeren Händen zurück, genauso wie damals der CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich. Aus dem Weißen Haus, aus dem amerikanischen Kongress gibt es keine Reaktion und sie wird es auch nicht geben. Auch das Telefongespräch des deutschen Geheimdienstkoordinator, Klaus-Dieter Fritsche, mit dem Chef der CIA, John Brennan führte zu nichts. Brennan hat zu den Spionagegefällen nichts gesagt. Auch nicht der amerikanische Botschafter in Berlin, John B. Emerson, der rechtzeitig ins deutsche Außenministerium einbestellt wurde. Die USA handeln nach ihrer Staatsraison, nämlich ein Imperium zu sein, das die Weltherrschaft anstrebt. Die Deutschen wie alle andere Nationen haben gewiss ein Recht darauf, auf Augenhöhe von den USA behandelt zu werden, aber in der Tat ist diese Erwartung realitätsfern angesichts des übermächtigen Partners, der lediglich Gefolgschaft akzeptiert. Diese Gefolgschaft hat Deutschland seit langem erwiesen, vor allem die führenden Medien.

Die Zeit ist gekommen für politisch reife Entscheidungen, die eines souveränen Landes würdig sein sollten. Deutschland muss seine volle Souveränität wiedererlangen und ausüben. Dazu ist sein Austritt aus einem illegitimen US-Militärbündnis erforderlich, ja längst überfällig. Auch auf die Zusammensetzung der US-amerikanischen Botschaft und der überbesetzten US-Konsulate muss das deutsche Außenministerium einen kritischen Blick werfen. Wie viele "Diplomaten" sind dort akkreditiert und wofür sind sie tätig? Wenn keine politischen Konsequenzen erfolgen, sind alle Erklärungen nur leeres Gerede, das Deutschland vor der ganzen Welt lächerlich macht.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait