Menü

16. September 2014 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Kontroverse über außenpolitische Position des LINKE-Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi:

Süddeutsche Zeitung vom 12.9.2014

Keine neue US-Intervention im Irak.
Keine US-Aggression gegen Syrien.
Keine Waffenlieferungen in Krisengebiete.
US-Intervention im Irak.
Keine US-Aggression gegen Syrien.
- DIE LINKE ohne Zweideutigkeit
und Vernebelung in dieser Hinsicht!

Was ist der Kern der Kontroverse zwischen Gregor Gysi und Sevim Dagdelem? Der Fraktionsvorsitzende der Partei DIE LINKE hat im Bundestag eine stärkere Rolle der Vereinten Nationen (UN) in Bezug auf Waffenlieferung ins Spiel gebracht. Die Bundesregierung habe den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen "erneut anzurufen", damit dieser "über die notwendigen Maßnahmen gemäß der Charta der Vereinten Nationen entscheidet, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren". So Gysis Vorschlag. Könnte dieser Vorschlag bedeuten, dass ein von der UN mandatierter Waffengang gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ durchaus auf Zustimmung der Linken treffen könnte? Ist das die Ansicht des Fraktionsvorsitzenden der LINKEN? Gregor Gysi muss sich eindeutig dazu positionieren.

Seit dem ersten Irak-Krieg 1991 werden die Vereinten Nationen wiederholt ausgenutzt, um Kriegsinterventionen unter dem Deckmantel einer "Legitimation" zu führen. Gerade deshalb hat sich der UN-Sicherheitsrat völlig diskreditiert. Glücklicherweise ist sein Einschalten für das Absegnen anderer Aggressionskriege am Veto von Russland und China gescheitert und wird daran zutreffend weiter scheitern. Ein Motiv, den UN-Sicherheitsrat in Bezug auf Waffenlieferungen in den Nordirak einzuschalten, ist nicht erkennbar. Welches Land wurde oder wird angegriffen? Nur ein angegriffenes Land ist zuständig, den Sicherheitsrat anzurufen. Hat sich der Fraktionschef Gedanken zu den Hintergründen der Bombardierung von Stellungen des "Islamischen Staats" durch die USA gemacht?

Aus der Kolumne von Mumia Abu-Jamal "Weiter Krieg im Irak“ (Junge Welt, 13.9.2014) ist zusammengefasst folgendes zu entnehmen:

Mit den Enthauptungen von zwei US-Journalisten (und einem Briten) heißt es, der "Islamische Staat" sei eine Bedrohung für alle Staaten des Westens, was bei ernsthafter Betrachtung als Übertreibung erscheint. Die IS-Einheiten verfügen nach übereinstimmenden Quellen über etwa 20.000 Kämpfer, manche schätzen die Anzahl aber auch nur auf die Hälfte. Nach Angaben der britischen Denkfabrik "International Institute for Strategic Studies" verfügt der Irak dagegen über eine Truppenstärke von 247.000 Soldaten, also mehr als zehnmal so viele Kämpfer wie der "Islamische Staat". Der IS hat keine Luftwaffe, keine Marine und auch keine eigenen Panzer... Wieso wird die Miliz dann als drohende Gefahr für die USA oder gar für alle westlichen Staaten angesehen?

Der "Islamische Staat" verfügt über eine aggressive und kampffähige bewaffnete Streitmacht. Aber wie konnte es dieser überhaupt gelingen, die irakischen Truppen so leicht in die Flucht zu schlagen? Die Wahrheit ist: Die irakischen Soldaten haben nichts, wofür es sich zu kämpfen lohnte. Niemand riskiert sein Leben für ein Land, das von einer Marionette geführt wird... Der Irak wird weiterhin von Marionetten der USA regiert... Um nun den von ihrem Marionettenregime regierten Staat zu schützen, bombardiert die US-Luftwaffe Ziele im Irak, die als strategische Positionen der IS-Miliz angesehen werden. Bomben sind jedoch Kriegswaffen und keine geeigneten Mittel, Frieden herzustellen. Egal, wie das militärische Vorgehen der USA auch dargestellt wird - es ist und bleibt Krieg.

DIE LINKE ist die einzige Partei Deutschlands, die im Bundestag eine klare zivilisierte rechtsstaatliche Friedenspolitik repräsentiert. Deshalb ist es unerlässlich, jede Verwirrung darüber zu vermeiden. In dieser Hinsicht lässt die Haltung des Fraktionschefs Gregor Gysi seit langem viel zu wünschen übrig. Vor einiger Zeit wurde er vom US-amerikanischen Botschafter in Berlin zum Mittagessen eingeladen. Niemals hat er über diese kuriose Annäherung berichtet. Aber seitdem spricht er nicht über den notwendigen NATO-Austritt Deutschlands, sondern nur über die Auflösung der NATO, wohl wissend, dass der vorauszusetzende Schritt dafür der Austritt Deutschlands ist, ein Austritt, der geradewegs zur Auflösung der NATO führen würde. Eine NATO-Auflösung allein anzustreben hingegen bleibt wirkungslos, da es so gut wie unmöglich ist, dafür eine Einstimmigkeit unter den NATO-Mitgliedern zu erreichen. Wie kann dies einem erfahrener Politiker entgehen, der sich sogar als Fraktionschef betätigt?

Ein weiterer schwerwiegender Kritikpunkt geht an die Adresse Gysi: Nach der NATO-Bomben-Aggression gegen Jugoslawien 1999 verschwieg er jede notwendige Kritik. Damals war es Oskar Lafontaine, der klar und deutlich diese brutale NATO-Aggression verurteilte. Die grundsätzliche Distanz zwischen den beiden Politikern war nicht zu übersehen. Der eine war präzis und eindeutig in substantiellen Hauptthemen, der andere ließ immer Fenster und Türen offen für Saboteure und Verräter oder für Missverständnisse der Friedenspolitik.

In Bezug auf die Ukraine-Krise war Gysi vor einigen Monaten in Moskau, wenig später, als auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel dorthin reiste. Nach seinem Besuch gab es keine Stellungnahme vom Linksfraktionschef. Genauso wie Sigmar Gabriel hatte der Besuch Gysis beim Kreml keine Wirkung. Warum? Versuchte Gysi dort die EU/USA/SPD-Linie mit derselben Anmaßung wie Sigmar Gabriel zu repräsentieren, als ob er die russische Position nicht kennen würde? Die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin ist auf die Wiedererlangung der vollen Souveränität Russlands gerichtet. Außenpolitisch orientiert sich die russische Regierung unter Wladimir Putin darauf, die USA/NATO, die ihre alleinige imperialistische, faschistische Schreckensherrschaft gern auf die ganze Welt ausdehnen würden, in die Schranken zu weisen. Die Feinde Russlands wissen, was man unter Nationaler Befreiungsbewegung Russlands versteht. Aber verstehen das alle Linken (Kommunisten, Sozialisten, Antifaschisten, Antiimperialisten) ebenso? Versteht diesen Hauptstandpunkt Gregor Gysi? Es wäre sehr wünschenswert!

Wer sind die sogenannten "Reformer" bei der Linkspartei, die sich um Gysi sammeln? Was für "Reformen" streben diese dubiosen Leute an? Ist das Programm für sie nicht klar genug? Einer von diesen Leuten, ein Stefan Liebich, ist als Mitglied eines US-amerikanischen Interessenverbandes in Berlin bekannt. Grund genug zu Misstrauen und Distanz mit solchem Kreis zu bewahren. Sie könnten gewollt oder ungewollt als Saboteure der Friedensidee benutzt werden.

Dagegen ist die klare Stellungnahme von Sevim Dagdelem immer eindeutig gewesen, was vor allem bei Krisen in einer Umbruchzeit von höchster weltgeschichtlicher Bedeutung außerordentlich zu schätzen ist.

Alle Versuche, eine neue US-Intervention im Irak unter dem Deckmantel der Einrichtung einer UN-Schutzzone zu legitimieren oder anderer militärischer Maßnahmen, die vom UN-Sicherheitsrat mandatiert werden sollen, sind unangebracht und von einer Debatte völlig auszuschließen. Der Nahe Osten braucht keine neue US-Intervention - auch keine mit UN-Mandat. Das Gegenteil wäre ein weiterer skandalöser Missbrauch der UN im Sinne unsäglicher Absichten und Interessen der großen Industrienationen.

Sevim Dagdelems Stellungnahmen finden Unterstützung und Applaus nicht nur beim gesamten Landesverband DIE LINKE NRW, der gewiss groß und einflussreich ist, sondern auch bei der gesamten friedfertigen deutschen Bevölkerung, die Zweideutigkeit und Vernebelung in dieser Hinsicht nicht gutheißen kann.

Es ist zu wünschen, dass die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Partei DIE LINKE, Sahra Wagenknecht, so bald wie möglich zur Fraktionschefin aufsteigt. Gysi findet sich sicherlich bequemer und besser geschätzt innerhalb der SPD, eine Partei, die sich gerade in Vernebelung und Zweideutigkeit bestens auskennt und das seit einem ganzen Jahrhundert, nämlich seit 1914.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait