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14. August 2014 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Die jüngste Äußerung von Gregor Gysi, Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE zu möglichen Waffenlieferungen in den Nordirak gibt Anlass zu folgender Stellungnahme zu

Leitartikel in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 13.8.2014:
"Irak - Tod eines Staates" von Rudolph Chimelli,
Artikel "Linksverkehrt" und Kommentar "Gysi - Mit dem Mut zur Prinzipienlosigkeit"
von Nico Fried,

SZ vom 14.8.2014,
Titelseite: "Auch Paris bewaffnet Kurden im Irak"
von Christian Wernicke und Javier Cáceres
und Leitartikel "Waffenlieferung - An der Schwelle" von Stefan Braun

DIE LINKE und Waffenlieferungen in den Norden des Irak:
Gysi ablösen!

Die Vorstellung von Gregor Gysi zur Rechtfertigung von Waffenlieferungen in den Norden des Iraks, nämlich wegen einer Art Verteidigungsfall, ist eine falsche Vorstellung und ein Verstoß gegen das Grundgesetz Deutschlands. Deutschland ist nicht angegriffen. Der Irak auch nicht. Es handelt sich um eine konstruierte Vorstellung, um den krassen aggressiven Interventionismus in einem internen Konflikt Iraks zu rechtfertigen. Es ist nicht die erste Manipulation der politischen und öffentlichen Meinung in Deutschland - unter Einschluss auch des sozialdemokratischen Parteivorstandes. Schon im August 1914 wurden die Fakten grob verdreht und die deutsche Öffentlichkeit war durchdrungen mit der Lüge, Deutschland sei überfallen worden und der Erste Weltkrieg sei ein Verteidigungskrieg! Wenn Gysi sich den Glaubenssatz des Interventionismus zu eigen macht: "Manchmal muss man Schlimmes tun, um Schlimmeres zu verhindern", weiß er nicht, worum es wirklich geht.

Militärischer Einsatz darf kein politisches Instrument werden. Diese Barbarei ist bekannt. Allerdings ist die Ignoranz eines Politikers unentschuldbar. Heute weiß jeder, was militärische Einsätze, was militärische Mittel, was moderne Waffen, bedeuten. Nur Gysi, Steinmeier und Co. scheinen nichts davon zu wissen, oder es ist ihnen ganz egal. Dass Paris Kurden im Irak bewaffnet, ist kein Argument, dasselbe in Deutschland auch zu tun. Mit seiner Kriegsintervention in Libyen 2011 hat Paris schon gezeigt, welche Destruktion und Barbarei es zu verantworten hat.

Militärische Maßnahmen sind gerade deshalb auszuschließen, weil sie heute ein modernes Instrumentarium der Vernichtung darstellen, das keinerlei Maß kennt. Ein Blick auf alle jüngsten militärischen Interventionen bestätigen das vernichtende Ausmaß: Mehrmals Irak, Afghanistan, Jugoslawien, Libyen, Syrien... Gibt es noch größere humanitäre Katastrophen als diese?

Das Morden unschuldiger Zivilisten darf von verantwortungsvollen Politikern niemals in Kauf genommen werden. Wo sonst ist der Unterschied zu Terroristen? Terror beginnt gerade dort, wo Gewalt ausgeübt und dadurch Vernichtung von Menschenleben in Kauf genommen wird. Kein Staat hat das Recht, Menschenleben zu gefährden. Nicht weil reiche demokratische Industriestaaten dahinter stecken, verwandelt sich der Waffen-Einsatz in etwas Harmloses, Hinnehmbares.

Rudolf Chimelli berichtet sachlich historisch:

"Die Grenzen von Irak sind künstlich. Sie wurden von den Siegern des Ersten Weltkriegs nach deren Interessen gezogen. Die Gier nach Öl war dabei aber stärker als die ursprünglichen Vereinbarungen über die Aufteilung des Osmanischen Reichs. Das Sykes-Picot-Abkommen zwischen London und Paris hatte Mossul den Franzosen zugeteilt... Den kurdischen Stämmen im Norden wurde in den Zwanzigerjahren die Loyalität durch Luftangriffe der Royal Air Force eingebombt... Es war das erste Mal, dass auf dem Boden des heutigen Irak Kampfflugzeuge gegen die Bevölkerung eingesetzt wurden."
("Irak - Tod eines Staates", SZ, 13.8.2014)

Was der Angriffskrieg der ISIS-Armee im Irak und in Syrien betrifft, weiß man nur, was die Republikaner aus Amerikaner und ihre Medien darüber einflüstern. Bekannt ist allerdings, dass es Washington war, das diese Milizen finanzierte und bewaffnete. Deshalb ist in diesem Zusammenhang die Pressemitteilung von Ulla Jelpke vom 10.8.2014 völlig zutreffend:

"US-Luftangriffe auf die in Städten und Dörfern ... im Nordirak gefährden nur die Zivilbevölkerung. Effektiven Widerstand gegen die Terrorbanden leisten dagegen kurdische Milizen - insbesondere die... PKK.
... Die Guerrilla der PKK und mit ihnen verbündeten Milizen... haben einen Fluchtkorridor... bis zur syrischen Grenze freigekämpft.... Diese Flüchtlinge brauchen jetzt dringend humanitäre Unterstützung ....“

Warum redet man über Waffenlieferungen und nicht über humanitäre Hilfe?
Eine international humanitäre Offensive ist erforderlich, wie die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth zutreffend erklärte
(ARD-Tagesschau vom 13.8.2014/20 Uhr).

Für die Notlage in der Ukraine leistet allein Russland humanitäre Hilfe, während im Kreise der EU und NATO immer noch darüber diskutiert wird, ohne ein Zeichen von Menschlichkeit zu manifestieren - weder gegenüber der Notlage im Nachbarnland Ukraine, noch in Gaza und auch nicht in Irak und Syrien. Internationale Verantwortung in der Welt sieht anders aus und gewiss zeigt Europa keine internationale Verantwortung, wenn es anstelle einen Brand im Nahen Osten zu löschen, mit Waffenlieferungen dorthin noch mehr Öl ins Feuer gießt. Syrien ist abschreckend genug für diese unverantwortliche kriminelle Politik, die Extremisten und Dschihadisten bewaffnet und finanziert hat.

"Während die PKK ... als Terroristen von EU und USA geführt wird, können die mörderischen Gotteskrieger des IS weiterhin vom Territorium des NATO-Staates Türkei aus gegen Syrien operieren. Sollten die US-Regierung und ihre Verbündeten den IS ernsthaft bekämpfen wollen, dann müssten sie in erster Linie die über die Türkei und die Golfstaaten laufende Unterstützung für die Dschihadisten verhindern.“
("Abgeschrieben", Junge Welt, 11.8.2014)

Die Abgeordnete der Partei DIE LINKE Ulla Jelpke, die sich seit Tagen in der Krisenregion aufhält, manifestiert sich eindeutig gegen Waffenlieferung: Sie sei "total dagegen", so Jelpke. ( "Links Verkehrt" von Nico Fried, SZ, 13.8.2014).

Die heutigen militärischen Mittel sind vernichtend und ausrottend für alles Leben. Sie sind deshalb von einer menschlichen, das Völkerrecht respektierenden Weltgesellschaft zu ächten. Diese Aufklärung im Regierungsmilieu, in führenden politischen Schichten und in der Öffentlichkeit ist dringend erforderlich, um die perverse Ungeheuerlichkeit zu entlarven, den Einsatz von Waffengewalt als notwendig und sogar als „moralisch“ zu rechtfertigen. Das Gegenteil ist feststellbar der Fall, wie es zu viele NATO-Massaker beweisen. Zur Anwendung von Gewalt gilt die allgemein gebotene Verhältnismäßigkeit, und zwar für jede Person und für jede zivilisierte Nation. Daher auch die Genfer Konventionen. Das darf Gregor Gysi, als Fraktionschef der einzigen Partei, die an dem verfassungsmäßigen Friedensgebot festhält, nicht ignorieren, sondern sollte darüber reflektieren. Da er offensichtlich nicht gewillt ist, besonnen und mit objektivem Wissen zu denken, ist es ratsam, ihn als Fraktionschef der Partei DIE LINKE abzulösen. Die Führung der Linken verfügt über viele Persönlichkeiten, die eine eindeutige Botschaft in dieser lebenswichtigen Sache der Öffentlichkeit übermitteln können. Würdevolle und kompetente Nachfolger, die mit ihren Sachkenntnissen und ihrem Bewusstsein in Angelegenheiten menschlicher Ethik und Völkerrecht die Partei meisterhaft bereichern und nicht weiter in schädlichen Misskredit bringen würden.

Die seltsamen Äußerungen von Gregor Gysi haben lange Schatten. Bei der konstruierten Lüge des Weißen Hauses über Chemiewaffen, um den syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad, zu belasten, befürwortete Gysi auch die Wahnsinnsidee, deutsche Kriegsschiffe Richtung Syrien zu schicken. Diese auffällige unbedachte Reaktion wirft die Frage auf, wohin er DIE LINKE dirigieren will. Nicht nur Völkerrechtsprinzipien verbieten den Wahnsinn von Waffenlieferungen, sondern auch reiner Pragmatismus. Nicht nur die aufgeklärten Kreise von Barack Obama und die fortschrittlichen Kreise, die die Außenpolitik Deutschlands richtigstellen wollen, setzen sich für politische Lösungen innerhalb der NATO ein. Bezeichnender- und glücklicherweise für die DIE LINKE bleibt Gysi mit seiner Vorstellung so gut wie isoliert. Sara Wagenknecht twitterte, Waffenlieferungen in Spannungsgebiete seien "unverantwortlich". Dietmar Bartsch: "Ich finde, dass in der Region schon genug Waffen sind. Deutschland sollte beim Waffenexport entschlossen auf die Bremse treten." Der stellvertretende Parteivorsitzende Jan van Aken wetterte, Gysis Forderung sei "weder in der Partei abgesprochen, noch entspricht sie unserem Programm." Er sieht sogar den Fortbestand der Partei in Gefahr: Ohne die Forderung nach einem generellen Verbot von Rüstungsausfuhren, "wird DIE LINKE aufhören zu existieren".

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait