Menü

14. August 2013 - Luz Maria de Stefano de Lenkait:

Die Vorgänge in Ägypten und im Nahen Osten veranlassen folgende Stellungnahme zu

Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 9.8.2013:
"Rätsel in Uniform" von Sonja Zekri,

SZ-Kommentar vom 12.8.2013:
"Nahost - Die Nasser-Masche" von Sonja Zekri,

SZ-Kommentar vom 13.8.2013:
„Ägypten - Es wird Tote geben" von Sonja Zekri,

SZ vom 13.8.2013:
"Mahnen und Warnen" von Peter Münch,

SZ vom 14.8.2013, Rubrik Außenansicht:
"Der unheimliche Wächter" von Nagwan El Ashwal

Die Idee der arabischen Einheit weiter verfolgen

Der arabische Nationalismus, an dessen Spitze der charismatische ägyptische Präsident Gamal Abdel-Nasser stand, war der gemeinsame Feind von Israel und dem Block USA/EU und bleibt es offensichtlich noch bis heute, so dass sich die SZ-Redaktion veranlasst sah, zu diesem Phänomen Stellung zu nehmen. Zitternd vor dieser angeblich latenten Gefahr für westliche Interessen versucht die SZ-Redaktion den heutigen Geist von Nasser in Ägypten zu banalisieren und herunterzuspielen. Daher der Kommentar "Die Nasser-Masche" von Sonja Zekri (SZ, 12.8.2013), der rein gar nichts mit einer geschichtlichen Würdigung der großen Persönlichkeit von Präsident Nasser zu tun hat.

Dabei ist Nassers Vermächtnis in der Armee Ägyptens tief verwurzelt. Das ist auch den Ägyptern klar. Die meisten von ihnen unterstützen das Militärregime. Der vorangegangene Präsident Mohammed Mursi hat dagegen, obwohl demokratisch gewählt, die Unterstützung der Bevölkerung verloren, da er zum Verräter an der arabischen Sache wurde und die Sozialpolitik vernachlässigte. Aus dem Leitartikel "Wessen Demokratie?" von Werner Pirker, Junge Welt vom 7.7.2013 wissen wir weiter: "Denn der von den Streitkräften vollzogene Machtwechsel ist von einer deutlichen Bevölkerungsmehrheit erkämpft worden. ... Zumal die islamistische Aggression in Syrien auch die ägyptische Bruderschaft in erhöhte Kampfbereitschaft versetzt hat. Mursi und seine Brüder haben sich voll in die westlich-wahhabitische Aggressionsgemeinschaft gegen das säkulare Syrien eingegliedert und vehement einer ausländischen Militärintervention das Wort geredet. ... Die Obama-Administration wurde vom Machtwechsel in Kairo eher auf dem falschen Fuß erwischt. Der von ihr vollzogene Strategiewechsel von der strikten Gegnerschaft zum politischen Islam zur Nutzung des sunnitischen Sektierertums im Kampf gegen die <Achse des Widerstands> sieht sich von den Ereignissen in Ägypten konterkariert... Doch könnte der jüngste Aufstand eine soziale Dynamik freigesetzt haben..."

Niemand vertraut jetzt dem demokratischen Prozess. "Demokratie" wird benutzt als ein Kampfbegriff zur Durchsetzung von Machtverhältnissen. Der Armee-Chef Abdel Fattah Al-Sisi könnte als würdiger Nachfolger Gamal Abdel Nassers der neue Präsident Ägyptens werden. Ein neuer Nasser? Es ist schwer, Ägyptens Verteidigungsminister Al-Sisi zu durchschauen. Das sieht Sonja Zekri richtig.

Durch seinen Aufenthalt in Kalifornien konnte er sicherlich das Fehlverhältnis Amerikas zum Nahen Osten realistisch wahrnehmen. In seiner akademischen Arbeit sind aktuelle Erkenntnisse zu lesen ("Rätsel in Uniform" von Sonja Zekri, SZ vom 9.8.2013): "Der Irak-Krieg hatte keine Demokratie gebracht, sondern Gewalt. Weite Passagen zielen ... gegen alle amerikanischen Demokratisierungsversuche unter dem Vorwand des Anti-Terror-Kampfes. Der Nahe Osten sei <gesegnet> mit Öl- und Gas-Reserven, deshalb versuchten die Weltmächte ohnehin, die Region zu <beeinflussen und zu manipulieren>: Infolgedessen steht der Nahe Osten unter Druck, um den Interessen anderer Länder gerecht zu werden - aber womöglich nicht denen der eigenen arabischen Völker, so Sisi ganz nüchtern. Demokratie und Islam seien durchaus vereinbar - nicht, als Theokratie, sondern Demokratie auf der Grundlage islamischer Überzeugungen... Jede nahöstliche Demokratie werde <Fairness, Gerechtigkeit, Gleichheit, Einheit und Wohltätigkeit enthalten.... Die Medien werden ein Hindernis auf dem Weg zur Demokratie sein, solange sie nicht mehr als nur die Regierungssicht wiedergeben." Diese Äußerung von Abdel Fattah Al-Sisi, die aus dem Artikel von Sonja Zekri entnommen worden ist, gilt aber auch für die gelenkten EU-Demokratien, wo die meisten Medien total abhängig berichten.

Es ist zu hoffen, dass die Armee Ägyptens sich ihrer Wurzel von Gamal Abdel Nasser würdig zeigt und so die Zukunft Ägyptens in Selbstbestimmung, unabhängig von jedem westlichen Diktat, sicherstellt. Für Nasser war es klar, wer und wo der Feind ist: Imperialismus und Zionismus. Angetrieben von dieser Überzeugung schloss sich Nasser mit den Islamisten zusammen. Die Anhänger Mursis sind heute aufgerufen, sich zu besinnen und zusammen mit der Armee für eine bessere Zukunft und für die arabische Sache zusammenzuarbeiten, anstatt sich untereinander zu bekämpfen, wie sie es in Syrien unter fremdem Kommando verhängnisvoll tun.

Mit dem syrischen Präsidenten ist eine Zusammenkunft zustande zu bringen, so wie damals der visionäre ägyptische Präsident Nasser den Grundstein für die Vereinigte Arabische Republik durch die Vereinigung von Ägypten mit Syrien legte. "Ich selbst, Gamal Abdel Nasser, habe mit fünf Jahren, sogar noch ein wenig länger, Ägypten und Syrien für vereinigt gehalten. Nicht ich war es, der die Einheit Ägyptens und Syriens zustande brachte.... Es war das arabische Volk Syriens und das arabische Volk Ägyptens, das diese Einheit forderte. Es war das freie arabische Volk, das seinen eigenen Willen bestimmt und seinen Willen diktiert." Gerade dieses Diktat des Volkes fürchtet der Westen am meisten.

Bevor sich die Journalistin Sonja Zekri auf unerwünschte Gewalt-Spekulationen in Ägypten einlässt, sollte sie die Lage ganz nüchtern und ausgewogen einsehen: Die Ereignisse in Ägypten zeigen, wie wichtig es ist, Extremisten zu isolieren oder auszuschalten. Wie in Syrien begannen in Kairo plötzlich Schießereien gegen die Armee aus der Menge von Demonstranten. Wer hat jene Demonstranten bewaffnet? Wer hat Interesse daran, ein syrisches Szenarium in Ägypten zu provozieren? Deutsche Medien stellen diese auf der Hand liegenden Fragen nicht. Schon der syrische Präsident Baschar Al-Assad bemerkte im Gespräch mit der FAZ:"Vielleicht weiß der Westen das, vielleicht auch nicht. Was er nicht sehen will, ist das: Schon in den ersten Demonstrationswochen hat es unter der Polizei Tote gegeben... Wie konnte es bei friedlichen Demonstrationen dazu kommen, dass Polizisten getötet wurden? Unter den Demonstranten waren Bewaffnete, die auf die Polizisten schossen." (Interview mit dem Präsidenten Baschar Al- Assad, FAZ vom 17.6.) Bewaffnete Banden tragen Verantwortung für die Militarisierung eines Konflikts und dafür, dass die Bewaffnung auf Seiten der Regierungsgegner in Syrien nicht verhindert wurde.

Ägypten sollte an seine beste Tradition anknüpfen, die Gamal Abdel Nasser verkörpert. Er sagte: "Wir forderten von jenen unserer Brüder, die noch immer an Großbritannien gebunden waren, sich von diesen Bindungen zu befreien, die das Haupthindernis darstellten, das der Verteidigung unserer bloßen Existenz und Freiheit im Wege stand... Wir verteidigen den arabischen Nationalismus, genau wie ihn unsere Väter und Vorväter Jahrhunderte verteidigt hatten. Wir hatten unseren Nationalismus gegen die europäische Invasion unter der Maske der Kreuzzüge verteidigt und ebenso gegen die zionistische Invasion, die sich seine Zerstörung und die Gründung des zionistischen Nationalismus zum Ziel gesetzt hat....Unser Ziel war die Union und die Einigkeit unter der arabischen Führung. Zugleich achteten wir jedoch darauf, dass diese Einheit nicht den Interessen der Imperialisten oder ihren nichtswürdigen Bestrebungen unterlag. Wir waren vorsichtig, um nicht die arabischen Menschen ... zu dem Glauben zu verleiten, wir seien einig, während es unter uns selbstverständlich blieb, dass diese Einheit unter dem Einfluss Londons stünde oder den Zielen der imperialistischen Mächte diente... Wir haben alle diese Tatsachen proklamiert, wir haben sie alle arabischen Führer wissen lassen und alle arabischen Völker... Unsere Forderung stützte sich auf die Stärke der Völker, welche durch die Zeiten hindurch über Tyrannei, Fremdherrschaft und Invasion triumphiert haben.... Die Völker wurden sich ihres Zieles bewusst und des Weges, den sie beschreiten müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Daher forderten sie die Einheit.... Das Volk verlangte den Zusammenschluss von seinen Regierungen... Als diese Union gegründet wurde, versuchten die Imperialisten und die Feinde des arabischen Nationalismus mit allen Mitteln, sie zu brechen. Aber ihre Intrigen schlugen fehl."

Präsident Nasser an anderer Stelle: "Der britische Premier Anthony Eden erklärte im Jahr 1955 vor dem Unterhaus, dass der Bagdad-Pakt es bezwecke, den britischen Einfluss im Mittleren Osten zu stärken. Deshalb ist das Bagdad-Pakt-Gebiet eine britische Einflusssphäre - Imperialismus unter einer neuen Maske... Der Bagdad-Pakt bezweckt, die arabischen Länder durch einen Pakt mit Großbritannien und Amerika einzukreisen und sie unter der Kontrolle dieser beiden Länder zu halten. Er unterstellte die Notwendigkeit einer Allianz mit Großbritannien mit der Begründung, dass sie uns gegen eine russische Aggression schütze. Wer sagte jemals, dass ein Angriff auf uns nur ein russischer Angriff sein könnte? Warum sollte es kein britischer oder französischer sein? Die Erfahrung hat uns inzwischen gelehrt, dass dies imperialistische Gedanken waren, die uns angriffen. Die Erfahrung hat unsere Auffassung bestätigt, denn Großbritannien, Frankreich und Israel in ihrem Gefolge waren in Wirklichkeit die Aggressoren. Großbritannien und Frankreich, die erklärt hatten, sie würden uns verteidigen, griffen uns mit Israel zusammen an. Die arabische Nation besiegte die großen Mächte. Nicht nur die arabische Nation in Ägypten, sondern auch die in Syrien und in jedem arabischen Land... Als die Schlachten der dreifachen Aggression vorüber waren und die arabischen Völker über die Staaten des Bagdad-Paktes gesiegt hatten,... begannen die Verschwörungen und Bestechungen. Es gab eine Arabische Liga, die Ägypten, Syrien, Saudi-Arabien und Jordanien in politischen und militärischen Abkommen miteinander verband... Die Stiche, die wir nach der Aggression von Jordanien empfingen - nicht vom jordanischen Volk - schreckten uns nicht, sondern trugen eher zu unserer Entschlossenheit bei, stärker zu werden. Wir bedauerten das jordanische Volk, das geglaubt hatte, es bewege sich auf die Verwirklichung seiner nationalen Ziele zu, nur um zu finden, dass es betrogen worden war. Es war überrumpelt worden, als der König sich von den nationalen Zielen abwandte und ein Feind der Sehnsucht des Volkes und des arabischen Nationalismus wurde. Dann folgten Schläge gegen Ägypten und Syrien in rascher Folge. Sie wurden in der Hoffnung geführt, dass die Völker ... ein Staatsstreich zugunsten des Imperialismus inszeniert werden würde." Die Worte von Nasser klingen immer noch prophetisch aktuell.

Damals wie heute ist klar, dass "diese Schläge, solange sie von einigen wenigen Menschen kamen, die Konsolidierung des arabischen Nationalismus und die Erlangung der Freiheit nicht beeinträchtigten." Nasser hat Recht behalten.

Die arabische Bevölkerung leidet heute wie damals unter der dreifachen Aggression von Großbritannien, Frankreich und Israel, die sich feige hinter bewaffneten Söldnern und verräterischen arabischen Reaktionären verstecken.

Syrien unter Assad ist ein Vorbild eines erfolgreichen säkularen Staates, wo alle Konfessionen miteinander gut zusammen leben trotz des perfiden Versuchs des Westens, dieses gute konfessionelle Zusammenhalt zu zerstören.

Ägyptens Abbruch diplomatischer Beziehungen mit Syrien - unter Mursi - war höchst verantwortungslos und gegenüber der arabischen Causa fremd und feindlich. Es war nicht nur ein taktischer Fehler, es war ein Kardinal-Fehler, sich auf einen Krieg gegen Syrien umleiten zu lassen. Der ägyptische Präsident Mursi wurde eine Marionette der Golfstaaten, vor allem Katars. Das Emirat Katar hat sich gleich nach Ausbruch des syrischen Konflikts entschieden, die syrischen Muslimbrüder zu unterstützen. Laut Financial Times (17.5.2013) hat Katar für die Bewaffnung der syrischen Rebellen bislang 3 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Einige Monate später als Katar haben auch die zunächst zögernden Saudis begonnen, im syrischen Konflikt mitzumischen. All das ist im Interesse der arabischen Völker durch die neue Administration unter der ägyptischen Armee gründlich zu korrigieren.

"Seit Anfang 2012 wird der Irak zunehmend in den Krieg in Syrien gezogen. Bei der Arabischen Liga und international hat Bagdad für Verhandlungen in Syrien und gegen die militärische Eskalation plädiert. Aus politischen und geostrategischen Überlegungen bildet der Irak heute ein Bündnis mit Iran und Syrien, das von Russland und China unterstützt wird. Im Interview mit der FAZ verwies der syrische Präsident Baschar Al-Assad kürzlich auf den <unkontrollierbaren Dominoeffekt> der auftreten würde, sollte das geostrategische wichtige Syrien entlang religiöser und ethnischer Grenzen geteilt werden, wie manche westliche Planspiele es vorsehen."
(Aus dem Artikel "Wahlen ohne Frieden" von Karin Leukefeld, Junge Welt vom 21.6.)

Der von der westlichen Wertegemeinschaft in Syrien nach Kräften unterstützte Dschihad gegen das säkulare Assad-Regime hat auch Ägyptens Glaubenskrieger in Stimmung gebracht und könnte eine vom Westen nicht mehr beherrschbare Entwicklung auslösen. Der <arabische Frühling>, der sich zuletzt mehr im Einklang mit der westlichen Hegemonialpolitik zu entwickeln schien, verläuft, zumindest was Ägypten betrifft, nicht mehr nach westlichen Planvorgaben... Doch die volle Kontrolle über die Situation haben (US-Dienste) längst verloren."
(Leitartikel "Außer Kontrolle" von Werner Pirker, Junge Welt vom 9.7.2013)

Das bietet die größte Chance für Ägypten, sich nach den patriotischen Leitlinien von Ministerpräsident Gamal Abdel Nasser zu orientieren und gerade die Idee der arabischen Einheit weiter zu verfolgen, bis sie in der ganzen arabischen Welt Gestalt annimmt.

Das ägyptische Militär an der Seite des Volkes statuiert ein Vorbild. Sie wollen das Land zu aller erst stabilisieren und haben damit keine Zeit zu verlieren. Die gesamte Welt kann vom ägyptischen Volk und vom ägyptischen Militär lernen, was Zivilisation heißt. Die ägyptischen Offiziere haben die dringende Priorität richtig gesetzt, indem so bald wie möglich eine legitime zivile Regierung in Ägypten zu schaffen ist.

Eine vollständige Verfassungsreform oder sogar eine verfassungsgebende Versammlung kann man später erreichen. Die Regierung Ägyptens, militärisch oder zivil, muss sich zuerst mit den zentralen Streitfragen beschäftigen. Das ist die große Herausforderung und Aufgabe für die Zukunft Ägyptens. Die Freiheit hat Ägypten den jungen Leuten zu verdanken. Sie haben für alle Völker ein Exempel statuiert, das in der Geschichte Ägyptens einen festen Platz haben wird. Umso mehr ist die neue ägyptische Generation zu unterstützen.

Ägypten wird keine westliche „Roadmap“ bekommen. Gegen diesen Begriff sind alle Ägypter allergisch. Sie sehen ja bei den Palästinensern, dass solche Vorhaben zum Scheitern verurteilt sind. Sie alle respektieren das Militär, aber das Militär selbst muss sich von korrupten Verstrickungen befreien. Militärische Hilfe in gigantischem Ausmaß (=USD 1.300 Milliarden Dollar jährlich), wie das Militär sie aus den USA bekommt, ist weder korrekt noch zu rechtfertigen. Die militärische Kooperation ist in vielen Aspekten ein Grund zur Beunruhigung. Militärhilfe löst keine wirtschaftlichen und sozialen Probleme weder in Ägypten noch anderswo.

Auch für Palästina sollte die ägyptische Erfahrung unter Nasser von Wert sein. Die palästinensische Einheit und die Anerkennung Palästinas von der Weltstaatengemeinschaft hat mit einer Anerkennung Israels gar nichts zu tun. Als Enklave im Nahen Osten ohne legitime Grenzen hat Israel jeden Anspruch auf Anerkennung verspielt und verloren, solange es an der illegalen Besatzung von palästinensischen und arabischen Territorien festhält. Dieses ernste Hauptproblem Israels zu erwähnen und zu bewerten, ist der SZ-Kommentar "Mahnen und Warnen" von Peter Münch (13.8.2013) gravierender-weise entgangen. Die SZ-Redaktion teilt die Position der westlichen Regierungen, die ein Status Quo im Sinne von Israel zementieren wollen.

Allerdings besteht Israel völlig daneben darauf, der einzige Staat der Welt zu sein, der auf ständige gewaltsame Expansion setzt, ohne legitime Grenzen. Obama ist sich dessen bewusst. Und so bekräftigt er, dass die israelische Expansionspolitik grundsätzlich abzulehnen ist. Allerdings schwenkt der US-Präsident immer noch in die fehlgeschlagene Nahost-Politik seiner Vorgänger ein: Die Priorität gilt dem israelischen Verbündeten. Dieses Nachgeben rückt die Perspektive einer Beilegung des Konflikts in weite Ferne.

Der palästinensische Präsident Abbas kann jedenfalls von Nasser lernen, um aus dem Schlamassel von absurden aussichtslosen "Friedensverhandlungen" mit der israelischen Netanjahu-Regierung herauszukommen. Statt seitens der Palästinenser auf die US-Administration zu setzen, sollte das Problem Israel vor dem Internationale Strafgericht in den Haag verhandelt werden. Dort muss die illegale Besatzung ans Licht kommen, die Kernsache des Disputs. Der Präsident Abbas und palästinensische Behörden dürfen diesen Schritt nicht weiter verzögern, nicht weiter verschieben. Sonst bewirken sie den Eindruck, als würden sie sich mit dem Besatzer gut abfinden. Verhandlungen sind illusorisch mit einer Netanjahu-Regierung, die den Kern der Sache, nämlich die illegitime Besatzung von Palästina unter den Teppich kehren will und nicht willig ist, Territorien, die Israel nicht gehören, an die Palästinenser zurückzugeben. Die palästinensischen Autoritäten sollten den Internationalen Gerichtshof auffordern, die Besatzer als Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen. Die Sache Palästina muss wieder vor die Vereinten Nationen, auf allen Ebenen.

Nasser war ein Realist und bleibt auch für Palästina eine Leitfigur, denn er erklärte:„Das Hauptproblem, dem jeder Araber bei der Palästina-Krise von 1948 gegenüberstand … war die Suche nach einem Weg, auf dem wir uns gegen Aggression und imperialistische Unterdrückungsversuche verteidigen konnten... Manche vertraten die Ansicht, da wir eine kleine arabische Nation sind, einfach keine Möglichkeit hätten, den Frieden zu erlangen oder uns von Fremdherrschaft zu befreien; dass es absolut notwendig sei, uns unter irgendeine Form von Fremdherrschaft zu stellen; dass wir um unserer Sicherheit willen von irgendeiner großen Nation abhängen sollten und müssten.... Das Problem, dem freiheitlich denkende Araber gegenüberstanden, war es, Mittel und Wege zu finden, durch welche die arabische Nation fremde Aggression zurückweisen und ihre Freiheit bewahren konnte, ohne dabei unter den Einfluss einer Fremdherrschaft zu geraten oder eine Fremdherrschaft gegen eine andere einzutauschen.“

Keine Demokratie, keine Freiheit ist zu erzwingen, am wenigsten mit Gewalt, Brutalität und Kriegsaggressionen wie Bush und seine kriminelle Mannschaft und wie sich beschämend und enttäuschend auch sein Nachfolger Obama schändlich für Amerika erwiesen hat. Die Zeiten, in denen der Westen anderen ein System unter dem Etikett der Demokratie aufzwingen konnte, sind vorbei. Die Welt hat erkannt, was die Einmischung des Westens bedeutet: Der Westen ähnelt allerdings noch immer dem listigen Fuchs gegenüber dem Wiesel: „Adieu, Dieu vous sauve; ces colliers d'anguilles sont à moi et ce qui reste est pour vous.“

Jetzt muss Ägypten neu aufgebaut werden. Die gesamte ägyptische Bevölkerung sollte sich daran beteiligen, Christen und Muslime. Die Diskussion über die Zukunft ist voll im Gange.

Die Situation im Nahen Osten bleibt aber hoch gefährlich. Im Sinne der Entspannung wäre es ratsam, die USA zögen ihre Militär-Maschinerie aus dem Persischen Golf zurück. Ratsam in jeder Hinsicht: Sie sparen unproduktive ungerechtfertigte Kosten, und anstatt Konfrontation wirken sie somit für Entspannung in der Region.

Selektive Wahrnehmungen, wenn es darum geht, Despoten und Autokraten durch die USA und EU zu akzeptieren und andere ungelegene zurückzuweisen, haben unter Demokraten keinen Platz. Ebenso wie die USA und EU solidarisiert sich das angeblich demokratische Israel mit den ihnen nützlichen Despoten wie Katar und Saudi-Arabien.

Ägyptens Militär steht in der ehrenhaften arabischen Tradition von Abdel Nasser. In einer berühmten Rede entwarf dieser frühere patriotische Ministerpräsident Ägyptens ein Bild der arabischen Geschichte aus seiner ägyptischen Sicht. Seine Rede war eine große Abrechnung mit dem Kolonialismus und ein Beweis für die Vitalität der arabischen Bewegung. Zusammen mit Syrien verkündete er die Vereinigte Arabische Republik (1.2.1957) mit Kairo als Hauptstadt. „Heute fühlen sich die arabischen Völker in der Lage, die Verantwortung zu übernehmen und ihren eigenen Kampf zu führen.“ Die Worte von Abdel Nasser sind aktueller denn je: „...wenn ein Pakt Besetzung und Fremdherrschaft und Intervention zur Folge hat, kann er eine Nation keinesfalls schützen, sie sichern oder ihre Freiheit gewährleisten. Jeder Pakt, der von einer fremden Macht oder Nation befürwortet wird, ist nichts als eine Form der Herrschaft, er ist sogar eine Form der Aggression.“

Und noch einmal Nasser: „Das Hauptproblem, dem jeder Araber gegenüber steht, ist die Suche nach einem Weg, auf dem sie sich gegen Aggression und imperialistische Unterdrückungsversuche verteidigen können. Die Geschichte gibt uns eine Lektion für die Gegenwart und eine Lektion für die Zukunft.“

Der Aufstand der arabischen Welt fordert den Westen heraus, eine neue Nahost-Politik zu entwickeln und die demokratische Entwicklung in Ägypten aufmerksam und mit Respekt zu verfolgen. Hält sich der Westen an das Prinzip der demokratischen Rechtsstaats, muss er anerkennen und die Tatsache respektieren, dass die Macht vom Volke ausgeht: Die legitime Macht.

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait